Baptiste Morizot ist ein französischer Philosoph, der ungewöhnliche Wege zurückgelegt hat. Statt einfach nur „ins Freie“ oder „nach draußen“ zu gehen, sucht er nach versteckten Pfaden und den Geheimnissen des Zusammenlebens von Pflanzen und Tieren. So bricht er mit der naiven Vorstellung, wir seien als Menschen in der Natur meist allein, indem er anhand vieler Beweise und Indizien deren Terrainleben erkundet.
Morizot nennt das „sich einwalden“ und meint damit eine „ökosensible Spurensuche“. Wir sollen unsere Wälder und Gärten nicht einfach stur durchlaufen (und uns dabei letztlich nur langweilen), sondern die vielen, meist nicht beachteten Spuren unserer Umgebung lesen: Man könnte so jede Aufmerksamkeit eines Lebewesens gegenüber Zeichen anderer Lebewesen benennen, gegenüber jeglichen immateriellen Strukturen, die sie beherrschen, gegenüber jeder Spur, die sie betrifft. Wie wohnen sie, wie kohabitieren sie? All dies lädt zur Erforschung ein…
Morizots Fallstudien einer diskreten Kunst der Spurensuche sind ein großes Vergnügen. Sie verführen dazu, das übliche Geher- oder Wandererdasein (stur geradeaus, bestimmte Ziele im Auge, zurückgelegte Kilometer im Kopf…) aufzugeben und sich für die Welten um uns herum zu interessieren.
Spurenlesen heißt lernen, wieder zu einer bewohnbaren und gastlicheren Welt zurückzufinden, schreibt Vinciane Despret in ihrem Nachwort – und folgert weiter: Wenn wir uns dort „zu Hause“ fühlen, sind wir deshalb keine geizigen und missgünstigen Eigentümer mehr…, sondern Mitbewohner, die über die Qualität des Lebens in Gegenwart andersartiger Wesen staunen.
Baptiste Morizot: Philosophie der Wildnis oder Die Kunst, vom Weg abzukommen. Aus dem Französischen übersetzt von Ulrich Bossier. Reclam Verlag