Sehr selten, aber manchmal passiert es eben doch, dass ich ein gerade erschienenes Buch in die Hände bekomme und erstaunt erlebe, dass ich den dort behandelten Stoff ebenfalls lange im Kopf hatte und bereit gewesen wäre, ihn zu einem Buch auszuarbeiten.
Lange im Kopf hatte ich zum Beispiel die Idee, mich für einige Zeit in eine Waldhütte des Westerwaldes zurückzuziehen und dort allein und ohne vielerlei Hilfsmittel zu leben. Auf ein solches Erfahrungsexperiment war ich gespannt: Frühstes Aufstehen, Streifzüge durch die umgebenden Wälder, keine Kontakte (auch keine Telefonate), viel Musik hören, lesen und schreiben. Würde ich das eine Zeitlang aushalten? Ich glaube schon, aber ich habe leicht reden, denn nicht ich, sondern der Schriftsteller Wolfgang Büscher hat das Experiment gewagt und darüber geschrieben.
Er ist in der Nähe von Kassel aufgewachsen und derselbe Jahrgang (geb. 1951) wie ich. Wir werden also beide, wie Stefanie Stegmann vor kurzem ausgerechnet hat, im kommenden Jahr Fünfzig. Vielleicht erklärt das, warum wir ähnliche Buchprojekte hatten, Wolfgang Büscher hat seines verwirklicht und ich werde (vielleicht) irgendwann etwas Ähnliches versuchen.
Er ist wieder in seine Kindheitsgegend gereist und hat sich dort in einem großen Waldgelände für viele Monate in einer Jagdhütte niedergelassen. In seinem Buch Heimkehr (Rowohlt Berlin) erzählt er von dieser einsam verbrachten Zeit, von der Neudeutung seiner Kindheitserlebnisse und vom Tod seiner Mutter, die im Verlauf seiner Waldklausur stirbt.
Das Ganze ist ein ruhiges, konzentriertes Buch geworden, eine Rückkehr zum Eindringlichen, als hätte Büscher bereits geahnt, was uns allen in den Coronazeiten bevorstehen würde: Mit uns selbst auszukommen.
Ich beneide ihn um seine Heimkehr, und ich werde darüber nachdenken, ob er sein Buch nicht auch in meinem Namen geschrieben hat, so dass ich meine eigene Heimkehr nicht mehr zu schreiben brauche.