Lang Langs acht Empfehlungen

Lang Lang, einer der bekanntesten Pianisten unserer Tage, hat seinen Piano-Lektionen acht Empfehlungen vorangestellt, die mir sehr gefallen haben.

Zunächst öffnet er die Tore weit: Klavierüben ist nicht altersabhängig, man kann es jederzeit angehen, ab dem dritten Lebensjahr bis ins hohe Alter. Da beide Hände im Spiel sind, ist es (auch) ein ideales Gehirntraining. Man sollte sich täglich eine Stunde Zeit dafür nehmen. 20 Minuten technische Übungen, 20 Minuten kurze Stücke – und, sehr wichtig: 20 Minuten freie Improvisation.

Ich ergänze: Technische Übungen sind Fingerübungen. Klassisch sind die Übungen von Carl Czerny. Langsam und mit Freude angehen. Sich begeistern, dass die eigenen Finger trainieren, stete Steigerungen des artistisch anmutenden Trainigs (Fingergymnastik)!

Kurze Stücke sollten leicht spielbar sein – und ebenfalls Freude machen. Auf die Auswahl kommt es also an. Konsequentes Üben ist Üben mit der rechten und Üben mit der linken Hand, zunächst getrennt voneinander, dann, in langsamen Schritten, mit dem Einsatz beider Hände!

Für die freie Improvisation gibt es Lehrbücher mit Empfehlungen. Man trainiert die Befreiung vom Korsett der Stücke.

Mit anderen zusammen zu spielen, ist ein besonderes, großes Vergnügen. Gesang und Klavier, Geige und Klavier, Cello und Klavier, Querflöte und Klavier, Gitarre und Klavier – man sollte Mitspielerinnen und Mitspieler suchen und sich regelmäßig treffen.

Eine Komposition, sagt Lang Lang, ist auch eine visuelle Erscheinung. Guter Hinweis! Das visuelle Moment einer Komposition begreift man durch ein langsames, genaues Studium eines Stücks. Mit welchem Motiv beginnt es, wo sind die Höhepunkte, wo die An- und Ablaufphasen etc.? Da können gescheite Lehrer helfen, das Ganze nennt man Harmonielehre. Hat man davon etwas begriffen, geht es weiter mit der Kontrapunktlehre. Auch dafür gibt es gute Lehrbücher.

Schließlich: Klavierüben ist kein ödes Pflichtprogramm für Menschen, die sich eine fade Disziplinierung antun wollen. Im Gegenteil: Als Übender und Spielender berührt man ein Instrument, und diese Berührung ist ein extrem libidinöser Vorgang. Spielt man mit Freude, ist immer auch Liebe im Spiel. Man spielt mit dem Instrument, man spielt mit sich selbst, man spielt für andere, man spielt mit dem Universum.

Summa summarum: Klavierüben und Klavierspielen ist etwas ganz und gar Wunderbares! Man sollte nicht darauf verzichten!

Will man sich einlesen, empfehle ich: 1) Hanns-Josef Ortheil: Wie ich Klavierspielen lernte (da kann man die einzelnen Übungsschritte anhand einer kindlichen und jugendlichen Biografie verfolgen) und 2) Hanns-Josef Ortheil: Das Verlangen nach Liebe (in diesem Roman ist die männliche Hauptfigur ein Pianist, und man erfährt nebenbei viel über sein Spiel, die Proben, die Auftritte).

Ich wünsche viel Vergnügen!!