Es gab einmal eine Zeit, in der ich gerne Bücher von Patricia Highsmith gelesen habe. Damals erschien sie mir als Meisterin in der Herstellung eines speziellen Kribbelns, das sich bei meinen Nachforschungen als „Suspense“-Kribbeln entpuppte. Über dieses Empfinden von unheimlich wirkender Spannung, in die sich Angst, Furcht und eine starke Unruhe mischen, hat sie sogar einmal ein ganzes Buch geschrieben (Suspense – oder wie man einen Thriller schreibt).
Deshalb bin ich jetzt gespannt auf die frühen Stories aus ihren Anfängerjahren als Schriftstellerin und damit aus der Zeit des Warmlaufens vor den großen Romanen.
Erste Texte großer Autorinnen und Autoren haben mich immer sehr interessiert. Mit ihrer Hilfe kann man verfolgen, wie sich das spätere Schreiben herausbildet. Man stösst auf so manche Unbeholfenheit, die Sicherheit ist noch nicht da, aber man erlebt oft auch einen unbekümmerten, experimentellen Schwung.
In Ladies entdeckt man zum Beispiel das Gespür für den funkelnden, irisierenden Moment und das folgenreiche Detail. Da steht eine khakifarbene Allzwecktasche auf einem Bahnsteig…, da widmet sich ein Sonderling dem Studium von Schnecken…, da toben sich Spinnen auf einer Veranda aus…, und da findet ein junges Mädchen beim Blick durch das Fenster ihrer New Yorker Wohnung hinab auf die Straße eine mögliche Freundin.
Das Kribbeln ist bereits da, man spürt lauter kurze, heftige Schocks und fragt sich: Wie geht die noch junge Autorin mit ihnen um?!
- Patricia Highsmith: Ladies. Frühe Stories. Aus dem Amerikanischen von Melanie Walz, Dirk van Gunsteren und pociao. Diogenes Verlag 2020