Lange unterschätzt und wenig beachtet waren und sind die ausführlichen Gespräche, die viele Autorinnen und Autoren des letzten und gegenwärtigen Jahrhunderts vor allem mit Journalisten, Lektoren oder anderen Kennern ihrer Werke geführt haben.
Solche Gespräche, oft eingehend und tagelang, sind eine eigene literarische Form. Sie verbinden verschiedene Elemente, die sonst in anderen Texten auftauchen und dort verstreut sind: Solche der Poetik (dem Sprechen über das eigene Werk), solche der Autobiografie (dem Nachdenken über das eigene Leben) oder auch solche des Essayismus (der Suche nach Verbindungen zu literarischen Kontexten).
Das literarische Gespräch ermöglicht Leserinnen und Lesern einen direkteren Zugang zu literarischen Werken. Mit ihrer Hilfe stoßen sie auf erzählerische oder reflexive Umkreisungen von Texten, die diese Texte transparenter machen und Material für das eigene Nachdenken liefern.
Der Kampa Verlag in Zürich ist der einzige deutschsprachige Verlag, der diese herausragende Bedeutung von literarischen Gesprächen erkannt hat. Dort wurde sogar eine eigene Reihe (Kampa Salon) gegründet, die ausschließlich solche Texte in Buchform veröffentlicht. Jeder einzelne Band ist eine „Fundgrube“ und ein hochgradig animierendes Leseerlebnis.
Ich sollte eigentlich alle Bände nennen, aber ich bescheide mich aus Platzgründen und weise auf die Gesprächsbände mit Margaret Atwood, Joan Didion, Bob Dylan, Federico Fellini, Siri Hustvedt, Susan Sontag und Georges Simenon hin.
Sie machen in den jetzigen „Ausnahmezeiten“ (Karin Graf) besondere Freude, weil sie die Ausnahme emotional und intellektuell enorm beleben. Statt der ewig gleichen Gespräche mit den lieben Nächsten in Küche und Keller bieten sie Stoff für Gespräche mit sich selbst (auch gerne im Freien, als Lektüren für unterwegs).