Das schönste Venedig-Buch

1907 veröffentlicht der Schriftsteller Philippe Monnier sein Meisterwerk Venise au XVIIIe siècle, zwanzig Jahre später erscheint es in deutscher Übersetzung (Venedig im achtzehnten Jahrhundert). Das Buch ist ein Panorama der Serenissima kurz vor dem Ende der Republik im Jahr 1797, als die Franzosen die Stadt besetzen und ihre alte Kultur verblasst.

Monnier hat damals fast alles gelesen, was über Venedig zu erfahren ist, er hat sich lange dort aufgehalten und in den Archiven die Quellen studiert. Die Bilder, das Theater, die Musik, die Sprachen Venedigs hat er sich einverleibt – und das in einem Maß wie kein Schriftsteller vorher und nachher.

Durch seine Herkunft bringt er gute Voraussetzungen für ein solches Vorhaben mit. Sein Vater wurde in Florenz geboren und hat mit der Familie lange in Neapel gelebt. Die Liebe zu Italien hat er seinem Sohn auch durch viele Bücher vermacht, die er als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Genf geschrieben hat. Philippe Monnier ist daher auf geradezu ideale Weise vorbereitet, nicht nur als Gelehrter, sondern mehr noch als ein Schriftsteller, der seine Umgebung in brillanten Essays zu porträtieren versteht.

Sein Buch über Venedig ist keine kulturhistorische Studie, wie es viele andere gibt, sondern ein völlig unvergleichliches Projekt. Monnier erscheint in ihm als ein ekstatischer Porträstist und Erzähler, der sich in die Szenerien des alten Venedig mischt und an ihnen teilnimmt, als habe er sie selbst noch erlebt.

Diese Teilhabe ist eine an einem nicht endenwollenden Fest. Nie hat es in Europa eine Stadt gegeben, die sich den Festkulturen derart verschrieben und alle Lebensbereiche darauf abgestimmt hat. Als Leser wird man in den Strudel eines hochvitalen, überbordenden Lebens gezogen und folgt staunend, träumend und hingerissen den Geschichten der großen Protagonisten.

Ich habe Monniers Venedig-Buch vor über zwanzig Jahren in einem Antiquariat entdeckt. Vor kurzem habe ich es geschafft, einen deutschen Verlag (Die Andere Bibliothek) für eine Neuauflage zu interessieren. Jetzt ist sie erschienen, vorzüglich bebildert und gestaltet. In meinem Nachwort erzähle ich, wie es zu Monniers Buch gekommen ist.

Ich empfehle es nicht nur den Leserinnen und Lesern, die sich einmal in Venedig aufgehalten haben oder sich bald wieder dort aufhalten werden (was ab der kommenden Woche wieder gut möglich ist). Nein, ich empfehle es allen, die nicht glauben wollen, welches enorme Empfinden für Schönheit, Freude und Lebenslust es einmal in Europa gegeben hat.