Starke olympische Momente setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Sie entstehen zunächst durch die hohe Konzentration einer Sportlerin oder eines Sportlers auf den Ablauf ihrer Bewegungen. Diese Anspannung lässt sie eine andere Zeit erleben, die sich von der sonstigen, alltäglichen fundamental unterscheidet.
Es ist eine komprimierte Erlebniszeit, die durch die zurückliegenden Trainingszeiten gehalten und von ihnen getragen wird. Die vergangenen Zeiten verdichten sich dann zur Vorführung einer besonderen, einzigartigen sportlichen Darbietung.
Wird diese Darbietung als ein geschlossener Handlungsablauf empfunden (hat sie gleichsam auch einen filmischen Gestus), überträgt sie sich als Spannung, die auch die Zuschauer berührt, in den Bann schlägt und an der Vorführung des Athletischen teilnehmen lässt. Sie ergreift, packt und hinterlässt eindrückliche Empfindungen, die im Idealfall zu erinnerten Bildern werden.
Ist sie vorüber, ist das Bewusstsein von dem, was gerade erlebt wurde, oft weder bei den Sportlerinnen/Sportlern noch beim Publikum vorhanden. Was war da los? Was ist nacheinander passiert? Was habe ich erlebt/gesehen? Als erwachte man aus einem Traum, wird nach den Spuren des Erlebten gesucht. Sie werden erst nach einigen Tagen, Wochen oder sogar Monaten deutlicher wahrgenommen und formen sich dann zu einer erzählbaren Geschichte.
Um so erstaunlicher ist es, wenn ein Athlet unmittelbar nach dem Wettkampf bereits zu Formulierungen findet, die das hellwache Erstaunen über das Geleistete mit dem Rückblick auf die Trainingszeiten und die Menschen, die an ihnen teilnahmen, verbindet. Was sich dann einstellt, ist das überwältigende Glück des Gelingens: sich als einen anderen Menschen in einem für unmöglich gehaltenen Zeitverlauf entdeckt zu haben.
Genau dieses Glück ist heute Morgen dem Geher Jonathan Hilbert zuteil geworden, der nicht fassen konnte, dass er die Silbermedaille gewonnen hatte: