In diesem kühlen Sommer denke ich viel an die Tage am Meer. Ich laufe durch Wälder, steige durch Schluchten, bin auf Feldern und Wiesen unterwegs, schaue hinüber zu den Hochsitzen – und sehe, wenn ich hinauf geklettert bin, die klare Linie der südlichen Küste, die austaumelnden Wellen, die kleinen Menschengruppen, die sich im Wasser verlieren, versetzt, wie im Traum.
Oft ist Cesare Pavese mit mir unterwegs, ich habe sein Tagebuch Das Handwerk des Lebens dabei, in dem ich schon als Schüler in den sechziger Jahren gelesen habe. Was für ein strenges Selbstbefragungsbuch! Kurze Notate, die alle um das zentrale Thema Wie leben? kreisen. Sich selbst, die Freundinnen und Freunde, aber auch die Literaturen (vor allem die Amerikas) hat er daraufhin untersucht und mit dieser Frage konfrontiert.
Schon früher dachte ich bei der Lektüre, dass ich nicht zuviel davon lesen dürfe, sondern jeweils nur ein paar Seiten, sehr langsam, mehrmals. Ich stelle mir Pavese als einen allein lebenden Menschen vor, der große Gesellschaften nicht ertrug, sondern lieber mit wenigen Freunden am Meer entlang ging.
Viele seiner Romane spielen genau dort, Pavese wurde im Norden Italiens geboren (1908 in dem kleinen piemontesischen Ort Santo Stefano Belbo), er liebte die hügeligen Landschaften in Meeresnähe, über deren Farben und Atmosphären er auch seine ersten Gedichte schrieb.
Mein Freund Helmut Moysich hat einen Meeresroman Paveses (La spiaggia – Der Strand, der frühere Titel war Am Strand) neu übersetzt, bald wird diese Übersetzung erscheinen – so lese ich Pavese von neuem, wie einen Zeitgenossen, den die Übersetzung in die Gegenwart zurückgeholt hat.
Schon seit längerem war es mit meinem Freund Doro ausgemacht, dass ich als sein Gast zu ihm kommen würde… – so beginnt Der Strand – und ich denke: Ja, ich komme Pavese besuchen, ich bin sein Gast dieses Sommers.