Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin und hat Bücher zum Beispiel über die schöne (weibliche) Leiche, die Kulturgeschichte der Nacht oder die Figur der Diva geschrieben. Ein ganz besonderes Buch, in dem ich (wie im Kochbuch von Marcella Hazan) oft lese, sind ihre „Kochmemoiren“ mit dem aufflammenden Titel: Besessen.
Das strahlende Wort gibt die Richtung vor, denn Elisabeth Bronfen kocht (wenn möglich) täglich – und das stets neu, mit experimentellem Spürsinn, die Märkte in der Nachbarschaft mit den Lagerstatten ihrer Küche und deren Einrichtung verbindend.
Die Pfanne/Vorrätig/Der Topf/ Der Ofen oder Für sich kochen – das sind folglich unkonventionelle Überschriften der Kapitel, deren Rezepte alles andere als phlegmatische Aneinanderreihungen von Zutaten und Mengenangaben sind. Elisabeth Bronfen erzählt nämlich die Gerichte so, dass auch Ausflüge in Beobachtungen zu Küchen- und Kochtraditionen der unterschiedlichsten Kulturen an den Wegrändern erscheinen.
So durchwandert man an der Seite dieser besessenen Köchin nicht nur die Stationen ihres Kochens, sondern auch die ihrer sonstigen Themen. Dann heißt es: „Bœuf Stroganoff gehörte zu den Lieblingsgerichten von Marlene Dietrich, und weil meine Mutter eine grosse Verehrerin der Filmdiva war, liebte auch sie diese Speise…“ Oder – mein absoluter Lieblingssatz: „Am liebsten würde ich alles, was sich hacken, reiben, raspeln oder pürieren lässt, zu einem runden oder flachen Burger formen und anschliessend in der Pfanne braten…“
Ja, rufe ich, ja, unbedingt, ausprobieren – den japanisch inspirierten Burger oder die italienische Variante oder den orientalischen … – damit könnte man schon einmal einen Anfang machen.
Ach, fast jede Seite von Elisabeth Bronfens Buch könnte ich zitieren, jede ist frisch, lebendig, originell und steckt voller Überraschungen, als Leser gerät man in ein immerwährendes Träumen, in dessen Kabinetten sich Elisabeth Bronfen als Zaubermeisterin bewegt. Man möchte ihr zur Seite stehen und zur Hand gehen, man möchte einige Gläser mit ihr trinken, während die Speisen sich auf dem Herd hin und her bewegen und ihre Leidenschaft für das Kochen kein Ende nehmen will.
Die Verbindung zu Marcella Hazans Buch ist übrigens auch gegenwärtig, auf Seite 121, wo es heißt: „Marcella Hazan, mein Vorbild für die klassische italienische Küche, gibt in ihren Büchern immer wieder Anweisungen dafür, wie Spinat, Mangold oder auch Karotten zuerst blanchiert und anschliessend in der Pfanne glasiert werden…“
Blanchieren, glasieren, temperieren, mumifizieren, inhalieren – die Küche Elisabeth Bronfens erscheint wie eine fabelhafte Ideenwerkstatt, in der das Kochen die amalgamierende Tätigkeit für das vitale Leben ist. Kein bloßes „Kochbuch“, nein, ein Buch des Lebens ist „Besessen“.
Elisabeth Bronfen: Besessen. Meine Kochmemoiren. Echtzeit Verlag Basel