Ich verfolge auch diesmal das Neue Jahr anhand mehrerer Kalender, die es durch eine jeweils eigene Brille betrachten. Einer heisst Immerwährender Heiligenkalender (von Albert Christian Sellner). Er erzählt die Geschichten der Tagesheiligen, heute ist der Hl. Antonius von Ägypten (251-356) dran.
Die Heiligengeschichten beschäftigen mich seit langem. Weniger als „fromme Legenden“, wie man sie Kindern präsentiert, sondern als Geschichten von meist sehr exzentrischen und dezidiert lebenden Menschen, die Entwürfe für eine unbedingte Existenz im Blick auf religiöse Erfahrungen entwickelt haben.
Der heilige Antonius zum Beispiel hat sich von seiner vertrauten Umgebung entfernt und sich in der thebaischen Wüste, im Süden Ägyptens, in einer Höhle niedergelassen. Als einer der Ersten hat er eine Konzeption des Mönchtums erfunden, die aber zunächst nicht an eine klösterliche Gemeinschaft (wie später beim heiligen Benedikt) gebunden war, sondern den mönchischen Eifer einsiedlerisch isolierte und ihn dadurch nicht zuletzt vielen Bewährungsproben aussetzte.
Erst als er diese Versuchungen abgewehrt und überstanden hatte, öffnete er seine Lebensform für viele Schüler, die ein solches Leben teilen wollten. Danach entstanden die ersten Klöster.
Ich habe den heiligen Antonius manchmal im Blick (es gibt unzählige bildliche Abbildungen bekannter Künstlerinnen und Künstler), weil ich das von ihm entwickelte asketische Lebensmodell oft in der Existenz der Schreibenden wiederfinde. Der Rückzug, das einsiedlerische Dasein, die passionierte Hingabe an das Kreisen um spirituelle Erfahrungen – da gibt es viele Parallelen. Schreiben ist dann eine Wüstenschrift, mal etwas pathetisch und übertrieben gesagt. Franz Kafka würde diese Einschätzung wohl teilen, oh ja, ich sehe ihn nicken und auf einem Blatt Papier etwas kritzeln…(Darüber bald…)
Mein Hamburger Komponistenfreund Wolfgang-Andreas Schultz hat die „Versuchungen des heiligen Antonius“ in einer Fantasie für zwei Klaviere eingefangen. Hier die Introduktion…: