Mary Ruefle

Mary Ruefle soll in den USA, wie ich erst seit kurzem weiß, eine sehr bekannte Lyrikerin und Essayistin sein. Bei uns gab es lange Zeit keine Texte von ihr in deutscher Übersetzung zu lesen, jetzt aber hat der Suhrkamp-Verlag einen vorsichtigen Anfang (mit einer Übersetzung von Esther Kinsky) gemacht.

Mein Privatbesitz ist eine Sammlung von über vierzig kurzen Prosa-Inseln, deren Titel ganz wörtlich zu verstehen ist. Denn es geht wirklich um Dinge oder Gefühlszustände in einer sehr privaten und intimen Form des Besitzens und Aufbewahrens.

Sie gehören zu der einen Person, die von ihnen erzählt, und man gerät, wenn man diese hoch suggestiven Texte liest, in ein unaufhörliches Träumen und Schlingern, als wollten sie einen in eine andere Welt hinüberlocken: Dorthin, wo einen die eigenen Schlüssel merkwürdig anstarren oder wo es viele Nuancen von Traurigkeit gibt, eine blaue, rote, grüne und naturgemäß solche, die man selbst frei hinzuerfinden kann.

Man liest sich trunken an diesen Texten und verwandelt sich dabei in eine Figur, die ferne Sätze verknüpft, als webte sie an einem Teppich, auf dem sie endlich davonfliegt.

Mary Ruefle: Mein Privatbesitz. Aus dem Englischen von Esther Kinsky. Suhrkamp Verlag 2022