Erstsemester des Literarischen Schreibens an der Universität Hildesheim sind und waren meist zwischen 18 und 25 Jahre alt. Sie kommen/kamen vom Gymnasium oder anderen Schulen und hatten noch wenig Erfahrung mit dem Schreiben und erstaunlich spärliche Kenntnisse der Gegenwartsliteratur.
In einem ersten Schritt habe ich als Lehrender meist empfohlen, mit schlichtem Notieren zu beginnen. Damit meinte ich ein tägliches, regelmäßiges Aufschreiben von allem und jedem. Nicht themenzentriert, ohne Kunstanspruch, kein Tagebuch, sondern eine Streuobstwiese der an jedem Tag anfallenden Dinge, Ereignisse, Empfindungen, Gedanken.
Dieses einfache, bewusst nicht avancierte Format dient der schriftlichen Verankerung in Lebensprozessen und damit der Texterdung. Auf die Dauer entstehen Textfluchten, die durch eine Relecture (ein aufmerksames Wiederlesen) Selbstbeobachtungen darüber ermöglichen, was einen laufend beschäftigt und welche Motive, Themen und Lebensdetails einen Eigensinn entwickeln.
Diesen Eigensinn eines jeden Lebens gilt es zu finden, nicht in rasantem Tempo, sondern in geduldiger Textarbeit. Er bildet die Grundlage und eine Art erster Weltfolie.
Für die Arbeit mit Textformaten habe ich meist einen Bezugstext vorgeschlagen, der einem vormachen und einen dahingehend inspirieren könnte, wie man sich eine Ausarbeitung des jeweiligen Formats vorzustellen hat.
Der Schriftsteller Wolfram Lotz (geb. 1981 in Hamburg) hat gerade im S.Fischer-Verlag ein solches Buch des Notierens (eine Mitschrift) vorgelegt, das in idealer Weise das Rumoren der Welt im Kopf eines aufnahmebereiten Notierers dokumentiert: Heilige Schrift I.
„und also ging ich umher“ ist das vielsagende Motto des Buches, die Notizen setzen am 8.8.2017 ein und durchlaufen ein Jahr.
Es ist bewusst gemachtes Gerümpel des Innenlebens, nicht mehr, monologisch, ungeformt, ausgespuckt – und gerade deshalb eine raue Folie des Erlebten, die eine Grundierung abgibt für alles, was daraus später an literarischen Formaten entstehen könnte.
„Und ja, so wäre vielleicht an alles ranzugehen“ (S.536)