Doppelleben von Alain Claude Sulzer

Der Schweizer Schriftsteller Alain Claude Sulzer erzählt in seinem Roman Doppelleben von den Brüdern Goncourt. Edmond (1822-1896) und Jules (1830-1870) hatten ein großes Vermögen geerbt und lebten zusammen in einem Haus, von dem aus sie das Pariser Künstler- und Literatenleben verfolgten und exponiert an ihm teilnahmen.

Ihre Eindrücke hielten sie in einem gemeinsam geschriebenen, zunächst geheim gebliebenen Tagebuch fest, das erst vor wenigen Jahren komplett auf Deutsch in elf Bänden erschienen ist. Nicht nur an diesem einzigartigen Dokument, sondern auch an ihren Romanen, Essays und Sachbüchern schrieben sie zu zweit und waren das prominente Beispiel einer nicht nachlassenden Bruderliebe.

Alain Claude Sulzer porträtiert ihr Doppelleben in wunderbar einfühlsam geschriebenen Szenen, die selbst etwas vom ästhetischen Impressionismus der Goncourts haben. So erlebt man die Pariser Welten des späten neunzehnten Jahrhunderts präzise und en détail, von den Gerüchen über die Klänge und Laute bis hin zu den oft skurrilen Dialogen und Beobachtungen der Protagonisten.

Der Roman komponiert kurze Szenen zu einer Folge, in deren Verlauf man immer näher an die Ideen, Vorlieben und Eigenheiten des Brüderpaares herangeführt wird. Man hört, liebt, isst und trinkt mit ihnen, und man erlebt, wie aus den Begebenheiten des Alltags literarische Texte entstehen.

Ganz nebenbei kommt man einem Rätsel auf die Spur, dessen psychologische Hintergründe bisher noch niemand so virtuos dargestellt hat.

Ich empfehle diesen Roman sehr, er gehört zu meinen Favoriten in diesem Herbst und hat meinen ganz persönlichen Deutschen Buchpreis verdient!

  • Alain Claude Sulzer: Doppelleben. Roman. Galiani Berlin 2022