Erwin Wortelkamp wird Ehrenbürger

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs,

Heute, am 01. Oktober 2022, wird mein langjähriger Freund Erwin Wortelkamp (geb. 1938 in Hamm/Sieg), dessen künstlerische Arbeiten ich jahrzehntelang mit meinen Texten begleitet habe, Ehrenbürger des Städtchens Acquaviva/Picena in den italienischen Marken, südlich von Ancona.

Während der festlichen Zeremonie wird auch mein Städteporträt von Acquaviva zu Wort kommen, das die Interessierten in den Italienischen Momenten (S.294300) finden. (Auf versteckte Weise spielt der Ort auch in meinem Roman Die große Liebe eine bedeutende Rolle.)

Hier der Anfang des Porträts:

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Vom nahen Meer aus sieht man die Häuserlinien des Ortes hoch oben, verteilt auf zwei Hügel­kuppen, eine geduckt liegende Katze, die hinauf­geflohen ist in die Berge, wo sie sich jetzt streckt in der Sonne.

Man erkennt das Kastell, das mächtige Rund des Hauptturms, der aber vom Meer aus nichts anderes ist als der Katzenkopf, schwer auf den Boden gesunken. Vom Kastell aus dehnt sich die Rückenlinie des Tieres in braunen Erdtönen über die beiden Hügel, haltend und ruhend. Meerabgewandt, fern erscheint der Ort, eine hohe, stille Schwebe, ein Vorposten der nahen Bergwelt, ein ganz in sich kauerndes Wesen.    

2

Fährt man vom Meer aus den langen Serpen­tinenweg hinauf, hält sich der Ort noch lange ver­steckt. Obwohl man kaum mehr als eine Viertel­stunde unterwegs ist, zeigt er sich erst ganz zum Schluß des Panoramawegs, um einen dann zu umschließen und einzufangen.

Jetzt, am Ende des Wegs, hat man das Meer verloren, der lange schillernde Anblick des weiten Blaus mit seiner weißen Strandlinie ist Teil einer anderen Geschichte, der Geschichte der Ebene, während hier oben, in Acquaviva, kaum acht Kilometer vom Meer entfernt, eine Geschichte der Höhe geschrieben wird, eine Geschichte aus Stein und Erde.

So hat man innerhalb kürzester Zeit zwei extrem verschiedene Welten erfahren; eben noch gab es nur die unendliche Dehnung des Meeresblaus, die Phalanx der ausfahrenden Schiffe, nichts als Spieltänze auf Horizontalen, während der Ort oben erstarrt scheint in vertikaler Behauptung, die Häuser sich an die Hügel klammern und das Kastell sich mit seinen vier Türmen vierfingrig hält.

Man steigt aus, und plötzlich ist die eigentümli­che Stille der Höhe da, kein Rufen, kaum Bewe­gungen, alles schaut, ist zur Ruhe gekommen. Doch, man sieht das Meer noch, wie ein nicht mehr erreichbares Traumterrain, das Gelände der freien Tage, unernst, heiter. Aber hier oben wird das alles nur noch erinnert; der Blick wendet sich anderen Verhältnissen zu, denen der umgeben­den Hügel und denen der Berge, die Schluß machen mit den leichteren Bildern der Ebenen.

3

Die Landschaft, die man von der Höhe aus gewahr wird, eine beinahe klassische Landschaft der Marken, beschäftigt das Auge mit unend­licher Abwechslung auf engstem Raum. Der ungenaue Blick nimmt nichts anderes wahr als Felder und Weinberge, Olivenbäume, längst verlassene alte Bauernhäuser, schmale, kurven­reiche Wege und Pfade.

Schaut man sich aber in diese Landschaft hinein, so wird man die Abweichungen bemerken, die kleinen Unregelmäßigkeiten, Brüche, Verwerfun­gen, Schluchten, verstreut versetzte Bäume, eine absonderliche Geometrie der Flächen, die sich nirgendwo beruhigen und die seltsamsten Muster bilden.

Vertieft werden diese Muster durch die chan­gierenden Farben: ein immer wieder ins Dunkle übergehendes Ackerbraun, ein fahler, ausge­waschener Ockerton, ein undeutlich bleibendes Grün…, all das aber nur wie der Untergrund zu den erhabeneren Flächen des Himmels, der sich von den Bergen her auf die Landschaft zurollt. Es ist der Himmel, der diesen Ort berührt, oben vielleicht, an den Turmspitzen des Kastells. Und so gelten die Blicke der Bewohner dem Himmel und seiner beunruhigenden Weite, in steter Erwartung, was kommen wird, aus dem Jenseits der Berge…

Ich gratuliere Erwin und Ulla Wortelkamp, seiner Frau, ganz herzlich und wünsche Ihnen, den Leserinnen und Lesern dieses Blogs, ein entspanntes, verlängertes Wochenende!