Auf dem zentralen Platz des Messegeländes der diesjährigen Frankfurter Buchmesse stellt das Gastgeberland Spanien Ausschnitte aus bekannten Gemälden aus, die im Prado in Madrid hängen.
Diese Präsentation hat mir sehr gefallen. Leider eilen fast alle Messebesucher an den Bildern vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ich selbst aber habe einige Zeit damit verbracht und ihre Details studiert. Was für ein schöner Einfall, die Bücherwelten mit erzählenden Bildern zu konfrontieren!
Eines dieser Bilder hat Diego Velázquez um 1628 gemalt, betitelt ist es Der Triumph des Bacchus. Natürlich, es geht um den Triumph des Weingottes, der einige Freunde seiner bacchantischen Orgien um sich schart und einen von ihnen auszeichnet.
Man könnte sie „Trinkkumpane“ nennen, und genau das habe ich im Stillen getan und mich an meinen Text über den „Trinkkumpan“ erinnert, der jetzt in meinem neuen Buch Charaktere in meiner Nähe (Reclam-Verlag) zu finden ist. Hier ist er:
Der Trinkkumpan
Der Trinkkumpan trinkt am liebsten zu zweit, und er hat viele Freunde, die seine Gesellschaft beim Trinken zu schätzen wissen.
Manchmal ruft er einen an und lädt ihn zum Trinken ein. Dann folgen die beiden strengen Ritualen, die sich jeweils danach richten, was und wo man etwas trinken will.
Er streift aber auch gerne durch die belebte Stadt und schaut nach, wo ein anderer Trinkfreudiger darauf warten könnte, beim Trinken Gesellschaft zu haben.
Trinkgelage mit ihm dauern mehrere Stunden. Sie zielen nicht darauf, betrunken zu werden, sondern darauf, die mögliche Trunkenheit durch hellwache, interessante Gespräche zu unterlaufen. Dann ergibt sich ein leichtes Schweben oder eine gewisse Trance, als hüllte die Welt einen in eine dünne, luftige Decke.
Hat er lange gesprochen und getrunken, vergisst er fast alles, was er gesagt und gedacht hat. „Das habe ich wirklich gesagt?“ fragt er lächelnd, wenn man ihn einige Tage später darauf anspricht.
Das Gesagte und Vergessene geht aber nicht verloren. Es gärt weiter in seinem Kopf und erlebt seine unerwartete Auferstehung beim nächsten Trinkgelage.
Mit einer Freundin fällt ihm das gemeinsame Trinken schwer. „Frauen hören anders zu und trinken ganz anders“, sagt er, „mein Trinken wird ihnen möglicherweise lästig, und lästig möchte ich niemandem fallen. Deshalb lasse ich es lieber gleich und trinke mit Freundinnen guten, starken Kaffee.“
Mahlzeiten während des Trinkens sind verpönt, sie würden das Trinken an den Rand drängen. Möglich sind aber Häppchen oder kleine, unauffällig wirkende Imbissspeisen, die rasch wieder vom Tisch verschwinden. In Köln zum Beispiel begleiten Röggelchen mit Mett und Zwiebeln das Trinken von unzähligen Kölsch.
Er liebt Fußballspiele und geht gern ins Stadion. Während der Spiele trinkt er nur wenig und hat auch danach keine Lust, sich als Trinkkumpan zur Verfügung zu stellen: „Vor manchen schönen Dingen muss man Respekt haben und darf sie nicht mit allem und jedem vermischen…“
Er mag es nicht, wenn Männer beim Trinken singen: „Es gibt kaum etwas Schlimmeres.“