Schreiben lernen in Hildesheim 3

Am 11. August 2022 und am 1. September 2022 habe ich unter den Überschriften Schreiben lernen in Hildesheim 1 und 2 bereits zwei Bücher vorgestellt, die für Studierende des Literarischen und Kreativen Schreibens besonders geeignet sind (siehe die entsprechenden Einträge und Hinweise).

Heute setze ich meine Empfehlungen (auch für Interessenten an der Schreibakademie im kommenden Jahr 2023) mit einer weiteren Buchempfehlung fort – George Saunders: Bei Regen in einem Teich schwimmen. Von den russischen Meistern lesen, schreiben und leben lernen. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Luchterhand Verlag 2022.

George Saunders (geb. 1958) ist ein vielfach ausgezeichneter amerikanischer Schriftsteller, der mehr als zwanzig Jahre auch als Dozent für Creative Writing an der Syracuse University unterrichtete. In seinen Seminaren hat er in diesen Jahren bedeutende Erzählungen der Weltliteratur als Dramaturgien des Erzählens gelesen.

Saunders hat den Akzent auf die große russische Erzählliteratur (Tschechow, Turgenjew, Tolstoi, Gogol) gelegt. In seinem Buch sind sieben Erzählungen dieser Autoren abgedruckt, gefolgt von den „Gedanken“, die sich Saunders zu diesen Erzählungen gemacht hat.

Solche „Gedanken“ sind keine typischen (inhaltlichen) Interpretationen, sondern Überlegungen dazu, wie die großen russischen Autoren ihre Erzählungen gebaut und komponiert haben: Welche erzählerischen Mittel setzen sie ein, um Leserinnen und Leser für die Lektüre einer Erzählung zu gewinnen? Wie eröffnen sie eine Erzählung, wie entwickeln sie Figuren, Szenen und Handlungsstränge, wie verfolgen sie bestimmte Motive, die in Erinnerung bleiben und die roten Fäden markieren, die sich durch ihre Erzählungen schlängeln?

Genau das meint: Erzählungen auf ihre Dramaturgien hin zu überprüfen. Und wozu? Um die eigene handwerkliche Vorstellungskraft für den Umgang mit literarischen Fantasien zu schärfen! „Von den russischen Meistern lesen, schreiben und leben lernen“ ist daher ein sehr treffender Untertitel dieses raren Vorhabens.

Saunders schreibt: „Das Ganze hat natürlich einen Hintergedanken: Präzises Arbeiten mit diesen Erzählungen wird sie für uns verfügbarer machen, wenn wir an unseren eigenen Texten arbeiten; und diese intensive, gewissermaßen erzwungene Bekanntschaft wird unsere Schlenker und instinktiven Manöver prägen, die so unabdingbar zum eigentlichen Schreiben gehören, in jedem einzelnen Moment. Dies ist also ein Buch für alle, die schreiben, aber hoffentlich auch für alle, die lesen.“

Präzises Lesen, um die Grundlagen für ein gutes Schreiben zu schaffen! Das ist einer der Wege, die wir Lehrenden während des Unterrichts an der Universität Hildesheim immer wieder eingeschlagen haben.

Die Beispiele von George Saunders vor Augen könnte man sich selbst (angeleitet und geführt) an das Studium einer Short story oder einer Erzählung machen. Versuchen Sie es!