Wim Wenders sieht Edward Hopper

Die Bilder von Edward Hopper (1882-1967) haben den Regisseur Wim Wenders nicht nur zu vielen Fotografien, sondern auch zu einem eigenen Film inspiriert, der sich an Bildmodellen Hoppers orientiert und ihren Strukturen nachspürt.

In der Berliner Galerie Bastian sind die Ergebnisse dieser Annäherungen in einer Ausstellung zu studieren: https://www.bastian-gallery.com/ausstellungen/two-or-three-things-i-know-about-edward-hopper/

Ich kann die Nähe, die Wenders zu den Arbeiten von Hopper empfindet, gut nachvollziehen. Mir geht es ähnlich, weshalb ich auch angeregt habe, für den Umschlag meines Buches Charaktere in meiner Nähe auf ein Bild von Hopper zurückzugreifen.

Hoppers Bilder haben nämlich eine starke poetische Valenz, indem sie Szenen und Atmosphären anhand von wenigen Figuren in prägnanten Umgebungen inszenieren. Beim Betrachter lösen sie den Einstieg in Erzählungen oder Geschichten aus, die den Bildkonstellationen folgen.

Daher sind diese Bilder auch ideale Vorlagen für Experimente des eigenen Erzählens. In meinen Hildesheimer Seminaren des „Kreativen Schreibens“ habe ich das ausprobiert: Die Studierenden schrieben Erzählungen mit dem Blick auf ein Hopper-Bild.

Die Ergebnisse waren in den meisten Fällen überraschend und beeindruckend. Warum? Weil die Bilder von der Fantasie verlangen, sich keine bekannten und vertrauten Situationen, sondern Ereignisse mit Ausnahmecharakter auszudenken.

Etwas Unvorhersehbares, Bedrohliches oder Lähmendes ist geschehen, und die Figuren stehen vor der Aufgabe, darauf angemessen zu reagieren. Diese Stimmungen verleihen den Erzählungen einen hintergründigen Charakter und sorgen für Brechungen. Sie provozieren Verweise auf etwas Ungesagtes, Geheimnisvolles, die bei der Lektüre Fragen aufwerfen: Was ist? Wer hat? Warum sagt X?