Wie moderierte Lesungen gelingen

Seit langem habe ich keine moderierte Lesung mehr erlebt, die mir so gelungen und vital erschien wie die in Reutlingen am letzten Freitag. Normalerweise sitze ich am liebsten allein auf einer Bühne, weil ich mit Moderationen oft keine guten Erfahrungen gemacht habe. Moderationen können Lesungen durchkreuzen, zerfasern oder sogar lahmlegen, wenn sie sich an Daten und blass bleibenden Informationen entlanghangeln, kein Konzept haben oder den Lesenden lediglich abfragen.

Entstanden und zeitgemäß geworden sind sie dadurch, dass viele Vorlesenden auf einer Bühne, gelinde gesagt, „keine gute Figur gemacht haben“. Sie haben oft schlecht gelesen und konnten ihre Arbeiten nur unzureichend oder langweilig und nichtssagend präsentieren.

Deshalb setzen fast alle Veranstalter von Lesungen heutzutage Moderatorinnen oder Moderatoren ein. Deren Einsatz ist sinnvoll, wenn sie sehr gut vorbereitet sind und im idealen Fall ein eigenes Manuskript erarbeitet haben, das dem Gespräch zugrunde liegt. (Improvisationen gehen fast immer schief, treten auf der Stelle oder führen von den wichtigen Themen weg, so meine Erfahrung…)

Wichtig ist weiterhin, dass die Gesprächsführung sich nicht von vornherein auf bestimmte Fragen und ihre Reihenfolge festlegen darf. Sie sollte also sehr flexibel sein und auf die Antworten des Lesenden elegant und weiterführend reagieren.

Im besten Fall entwickelt sich ein dichtes Gespräch zweier souveräner Partner, die sich gemeinsam in Themenkonstellationen vertiefen.

Ein solches Gespräch habe ich am Freitag, geführt von dem Moderator Wolfgang Niess, erlebt. Wir begannen mit den biografischen Hintergründen des Romans Ombra, wanderten zu den Konsequenzen eines sich daraus ergebenden, veränderten Schreibens, zeigten, wie sich dieses Schreiben als „kurzes , konzentriertes Schreiben“ in den Büchern In meinen Gärten und Wäldern und Charaktere in meiner Nähe konkretisiert – und endeten mit einem Ausblick auf die Projekte, an denen ich momentan arbeite (so an dem Buch Kunstmomente, das im Mai 2023 erscheint und an einem Buch über meine dreißig Jahre Lehre im Kreativen und Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim, das im nächsten Jahr erscheinen soll).

Das Gespräch in Reutlingen hat große Freude gemacht, und ich glaube, es hat auch die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert. Das entnahm ich jedenfalls den Unterhaltungen, die sich beim Signieren ergaben. Für die Zukunft empfehle ich, auf den Fortgang und das Konzept von Moderationen einmal besonders zu achten und sich als Zuhörerin/Zuhörer zu fragen: Wie gelungen/misslungen war dieser moderierte Abend und warum war er es?