Bist Du ein Robot?

(Am 21.03.2023 auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)

Seit ich wie viele meiner Freunde über das momentane Modethema „Künstliche Intelligenz“ nachdenke, fragt mich mein Laptop alle paar Minuten, ob ich ein Robot bin. Anfangs fand ich es komisch, inzwischen gerate ich jedoch immer mehr ins Grübeln darüber, wie die Frage gemeint ist und wer sie mir laufend stellt. Ist die viel beredete KI etwa schon so weit, dass sie allen Gedankengängen hinterherspioniert, die sich mit ihr beschäftigen? Lauert sie meinen geheimsten Überlegungen auf oder plant eine Attacke auf meine minimale menschliche Intelligenz?

Meine Nachforschungen haben ergeben, dass der Grund für diese Aufdringlichkeit in Ansichten zu suchen sein könnte, die ich vor kurzem in einem Gespräch geäußert habe. Dort hatte ich gesagt, dass viele Autorinnen und Autoren schon seit langem „fremde Intelligenz“ in ihr Denken einbeziehen und sie an Texten mitschreiben lassen. Solche assistierenden Programme haben immer mehr Macht erhalten und recherchieren nach eigenem Gutdünken fremde Themen und Stoffe, die sie mit möglichen Erzählformen kombinieren. Manche größeren Verlage verwenden ihrerseits Programme, die eingesandte Manuskripte und Texte auf ihre kommerziellen Erfolgsaussichten prüfen und sogar Vorschläge machen, durch welche Änderungen sie massiv erhöht werden können.

Von diesen „fremden Intelligenzen“ sind wir also längst umgeben, sie kommen vor allem da zum Einsatz, wo es um gängiges Lesefutter geht, das nicht neu oder originell, sondern vor allem leicht konsumierbar sein muss. Literatur mit dem Anspruch besonderer Kreativität geht dagegen auf die personalen und psychischen Welten einer Autorin oder eines Autors zurück, die sie in unverwechselbare Stillagen überträgt. Solche Literatur ist in einem nicht erfassbaren Maß musikalisch, sie lebt von unterschiedlichen Tempi, Rhythmen und Brüchen und entwickelt im Lesefluss jenen Zauber, der uns nach der Lektüre erst langsam aus einer hochgestimmten Welt auftauchen lässt. Einen solchen Zauber vermag keine KI zu kreieren, sie wird sich vielmehr darauf beschränken müssen, einige ihrer offensichtlichen Reize und Eigenarten zu kopieren.

Ich vermute, dass eine frei herumspionierende KI mir diese Unterscheidungen nicht verziehen hat. Penetrant fragt sie weiter „Are you a robot?“ und verlangt von mir, dass ich eine stark verzerrte Zahlenfolge in ein freies Textfeld eintrage. Der Test versetzt mich regelmäßig in eine gewisse Panik, weil mir schon mehrfach Fehler passiert sind. Ich konnte die Zahlenfolge nicht einwandfrei lesen und gab vermutete Ziffern ein, worauf mir Bildtafeln gezeigt wurden, auf denen ich möglichst viele Palmen erkennen sollte. Solche gesteigerten Anforderungen führten zu noch mehr Fehlern, da auch Birken durchaus eine palmenartige Anwandlung entfalten können. Was ist wirklich Palme und was tut nur so, musste ich mich fragen und geriet in tiefergehende Existenzzweifel.

Irgendwann wurde es mir zu viel, und ich hoffte das Spiel dadurch zu verkürzen, dass ich auf die übliche Frage einfach „Yes, I am a robot“ antwortete. Meine KI zögerte keinen Moment und schickte eine weitere Frage hinterher: „Bist Du Isaac Asimov?“ Dunkel erinnerte ich mich, dass dieser Science-fiction-Autor schon vor Jahrzehnten einen weitsichtigen Roman mit dem Titel Ich, der Robot geschrieben hatte. Darüber hinaus hatte er sogar einige Robotergesetze formuliert, die Verhaltensformen von Robotern fixieren. Eines hielt fest, dass Roboter menschlichen Befehlen folgen sollten. Ich schrieb, ohne noch länger nachzudenken: „Ja, ich nenne mich Asimov und habe mich selbst erfunden!“ Von meiner KI habe ich darnach nichts mehr gehört.