Vom 27.-30. April 2023 findet die Leipziger Buchmesse statt. Das Gastland ist diesmal Österreich, weswegen der Standard die Gewinnerin des Österreichischen Buchpreises 2022, die Schriftstellerin Verena Roßbacher, gebeten hat, über Schreiben, Sprechen und Stil nachzudenken:
Ihr Essay beginnt mit einer Empfehlung von Gotthold Ephraim Lessing: „Schreibe, wie Du redest, so schreibst Du schön!“ Es ist, wie Verena Roßbacher betont, ein Satz, den viele angehende Autorinnen und Autoren zu hören bekommen. Ich kann mich gut erinnern, ihn auch in meinen Schreibseminaren an der Universität Hildesheim oft erwähnt zu haben.
Zunächst einmal ist er eine Empfehlung, vor der Handhabung der Schriftsprache nicht zu erstarren oder zu verkrampfen. Auf den zweiten Blick ist er eine Empfehlung, den eigenen Sätzen einen unverwechselbaren Rhythmus, Atem, Klang zu verleihen, den man aus den Tempi und Rhythmen des eigenen Sprechens bezieht. Gelingt das, wirken die geschriebenen Sätze gelöst, schwebend, frei von doktrinären Ansprüchen des Systems Sprache.
Fragt sich nur, wie man die Rhythmen des Sprechens erkennt. Am besten dadurch, dass man sie aufzeichnet und lernt, auf sich selbst zu hören. Man könnte vor sich hinsprechen und/oder einer angedachten, zweiten Person etwas berichten oder erzählen. Ohne Komma und Punkt, ohne allzu viele Unterbrechungen.
Das Sprechen sollte sich in freiem Fluss entwickeln, Umwege, Rückblenden oder Verdrehungen sind willkommen. Es kommt auf das Klangliche an, nicht auf Stimmigkeit oder Ordnung.
Verena Roßbacher hat das in Ihrem letzten Roman Mon chéri und unsere demolierten Seelen (Kiepenheuer & Witsch) gleich zu Beginn vorgeführt. Ich empfehle die genaue Lektüre der ersten Seiten, und man erkennt sofort, was mit der Einbeziehung des Sprechens in das Geschriebene gemeint ist.
Die österreichische Literatur ist reich an solchen Turbulenzen und Rückbezügen aufs Sprechen, auch die bekannten Bücher von Thomas Bernhard sind voll davon und haben Generationen von jungen Schriftstellerinnen und Schriftstellern geprägt.