Ich bin Martin Walser nie begegnet, und ich kann mich auch nicht an eine einzige Lesung erinnern, die ich als Zuhörer erlebt hätte. Seltsam. Seine Bücher habe ich, wie soll ich sagen, „zur Kenntnis genommen“, aber meist nicht gelesen.
Wenn ich jetzt, nach seinem Tod, darüber nachdenke, glaube ich, dass er mir als Schriftsteller mit seinen Figuren, Themen und Debattenbeiträgen sehr fremd war. Ich witterte auch ein stark schwäbisch und alemannisch gefärbtes Temperament, was, seit ich in Stuttgart wohnte, nicht eben hilfreich hinzukam.
Am nächsten war er mir in einem Film von Frank Hertweck und Denis Scheck aus Anlass seines neunzigsten Geburtstags (Mein Diesseits – Unterwegs mit Martin Walser – siehe Blogeintrag vom 19. März 2017).
Mit verhaltener Begeisterung habe ich vor allem seine drei Meßmer-Bücher (Meßmers Gedanken/1985, Meßmers Reisen/2003, Meßmers Momente/2013) gelesen, in denen er dem Zwang zur großen Erzählform entkommen war und sich in kurzen Aufzeichnungen porträtiert und aus der Nähe gemustert hatte.
Diese unverkennbar autobiografischen Skizzen habe ich auch jetzt wieder gelesen – und mich laufend gefragt, ob ich ihm nicht doch gerne einmal begegnet wäre, in seinem Haus am Bodensee zum Beispiel, von dem jetzt viele Bekannte erzählen, nicht ohne den Streuselkuchen Käthe Walsers zu erwähnen, den es bei diesen Anlässen für die Gäste meist gab.
Solche Erzählungen haben mich wachgerüttelt, und ich würde mir wünschen, dass Walser über diese Treffen und Begegnungen geschrieben hätte – und zwar genau in jenem freundlichen Ton und mit jenem Temperament („mittelmeerisch“ hat Edgar Selge es genannt!), den die Bekannten an ihm beobachtet haben.
Hätte ich diesen „Mittelmeerischen“ also gerne getroffen? Ja, wir hätten es zumindest einmal versuchen können, um zu orten, was wir uns zu erzählen gehabt hätten. Hätten wir? Wären wir? Ach, schon meldet sich, versteckt und heimlich, der Walsersche Duktus des Zweifelns und Fragens und jener kleinen Drehmühlen aus Paradoxien, die er so liebte…