Vor einiger Zeit haben die Herausgeber Christoph Markschies und Ernst Osterkamp über vierzig Autorinnen und Autoren eingeladen, von ihren Inspirationsmitteln beim Schreiben zu erzählen.
Herausgekommen ist dabei eine interessante Rundreise in Buchform (Vademekum der Inspirationsmittel – Wallstein Verlag). Schaut man sich die kurzen, meist nur wenige Seiten langen Texte genauer an, kann man ihre Perspektiven nach den Ausgangssituationen unterscheiden.
Einige beginnen beim Nullzustand, dann helfen Inspirationsmittel, schlicht gesagt, „in Gang zu kommen“. Die typischen Hilfsmittel (Kaffee, Tee etc.) werden getrunken, stärkere Drogen (Alkohol, Amphetamine, LSD etc.) aber weitgehend ausgeblendet.
Andere Inspirationsmittel kommen zum Einsatz, wenn eine Phase erster, starker Konzentration gelöst oder gelockert werden soll. Dann bleiben die vorhandenen Gedanken und Ideen im Kopf, werden aber „ausgeführt“ und im Kontakt mit Umgebungen „erleichtert und neu aufgeladen“ (z.B. durch Gehen, Duschen, Kochen, Schneeschaufeln, Waldlauf, Zug fahren).
Wiederum andere Mittel sind geeignet, lange Phasen des geduldigen Arbeitens zu begleiten und „in Gang zu halten“ (Bleistiftspitzen, Mandelhörnchen, Standuhr).
Julian Nida-Rümelin verwendet ein altes, noch analoges Diktiergerät als Inspirationsmittel. Für ihn ist es das richtige „Gegenüber“, dem er die ersten Varianten seines Nachdenkens erzählt. Sie bleiben gespeichert und bereiten, vom Schreibtisch entfernt, in freier Wildbahn benutzt, die weitere Verarbeitung vor.
Besonders gefallen hat mir der Beitrag von Siegfried Zielinski, der von „japanischer Brühe“ berichtet: Jede japanische Brühe in der leichten Variante (Ichi-ban-Dashi) spielt einen seltsamen und Fremden kaum verständlichen Schwebezustand durch: In einer nahezu klaren, sehr leichten Flüssigkeit, die in Geschmack und Duft mit Meeressubstanzen wie zum Beispiel Norin oder Kombu (Variationen von Algenblättern) angereichert ist, schwimmen majestätisch wenige dünne Streifen einer Frühlingszwiebel, ein Sträußchen Kresse, einige feine Streifen frischen Ingwers, zwei dünne, zu Blüten geformte Scheiben eines weißen Rettichs, ein Garnelenschwanz vielleicht noch. Alles ist zuvor mit äußerster Behutsamkeit behandelt, in den Farben sorgfältig ausgewählt: hellgrün, dunkelgrün, weiß, rosa – im Volumen nicht mehr als das Angedeutete, eher weniger…Eine vollendete Ästhetik der Balance im Alltäglichen.“ (S. 68/69)
Genau an solche Orgien im Kleinen, Alltäglichen erinnere ich mich gut. Sie vertrugen sich auf ideale Weise mit vorausgegangenen körperlichen Anstrengungen (Laufen, Schwimmen, Fahrrad fahren) und brachten die dort aufgewendeten Energien „zum Schweben“, durch allmähliche, langsame Rückkehr zu den einfachsten Dingen.
Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, auch mit bestimmten Inspirationsmitteln vertraut sein, würde ich mich über einen kurzen Text freuen. Bitte an: ortheil.hannsjosef@gmail.com