Nach der Preisverleihung am Samstagabend war ich überrascht, dass ich mit meinen Vorhersagen über preisverdächtige Filme gar nicht schlecht gelegen hatte. Poor Things erhielt den Goldenen Löwen und Io Capitano den Silbernen.
Vor allem aber freute es mich, dass der junge Hauptdarsteller dieses Films (Seydou Sarr, der einen Senegalesen auf seiner langen Flucht durch den Norden Afrikas nach Libyen und Sizilien spielt) den Preis für den besten jugendlichen Darsteller erhielt. Diesen Film sollte man sich anschauen, wenn er bald in die deutschen Kinos kommt.
Am besten gefallen hat mir jedoch der Film Evil Does Not Exist des japanischen Regisseurs Ryūsuke Hamaguchi (der mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde). Er erzählt von einer noch unberührten Landschaft Japans, in der eine aus Tokio angereiste Gesellschaft ein Glamping-Zentrum plant, ohne sich um das Naturverständnis und die Einwände der Einheimischen zu kümmern. Auch diesen Film sollte man sich unbedingt anschauen.
Das Erlebnis eines Filmfestivals ist ein sehr besonderes, denn viele Filme nacheinander zu sehen, ist etwas ganz anderes als zu Hause mal eben ins Kino zu gehen und sich nur einen einzigen Film anzuschauen. Während eines Festivals sieht man einen Film dagegen immer auch als Wettbewerbsbeitrag und vergleicht ihn unaufhörlich mit den anderen Filmen.
Die Vergleichspunkte sind: Bildersprache, Kameraführung, Dramaturgie, Darstellerinnen und Darsteller, Musik – und (emotionaler) Gesamteindruck.
Ich kann mir vorstellen, dass ich die Filme, die ich in Venedig gesehen habe, ganz anders erlebe, wenn ich sie, isoliert von den anderen, zu Hause noch einmal im Kino sehe. Genau das werde ich tun. Ich bin (schon wieder…) gespannt.
(Über Venedig als Stadt der Filmfestspiele habe ich einen längeren Artikel geschrieben, der heute im „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit dem Titel „Den Bildern verfallen“ auf Seite 20 erschienen ist.)