Die einsame Stadt

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die britische Schriftstellerin Olivia Laing von England nach New York zog, um dort mit einem Freund zusammen zu sein. Ihr Buch über das Alleinsein beginnt jedoch nicht mit Schilderungen des gemeinsamen Lebens, sondern mit einer vielsagenden, starken Szene der Isolation: Sie steht abends allein an einem Fenster und schaut hinab auf die Straßen der Stadt.

Ist sie einsam? Weiß sie, was Einsamkeit ist? Der Blick erweckt andere Texte des seltsamen Zustandes zum Leben, und viele Szenen beginnen zu kreisen, so dass sie das Alleinsein genauer untersucht. Welche Formen gibt es? Woher kommen sie?

Dabei gerät sie auf unmerkliche Weise schon bald in die Sphären von Bildern und Kunstwerken, die den vereinzelten Menschen inszenieren. Sie geht ihnen nach und mischt sich in die New Yorker Kunstszenen.

Vor allem Andy Warhol taucht immer wieder aus der Vergangenheit auf, er ist die Leitfigur des Buches, während die Fotografin Nan Goldin mit ihren intim wirkenden Porträts naher Menschen die weibliche Gegenfigur ist.

Man liest das kluge Buch wie einen prickelnden Walk, und es macht gar nichts, wenn man sich nicht überall „auskennt“. Olivia Laing erzählt hingerissen und emphatisch von Menschen, die sie mit ansteckender, wohltuender Neugierde begleitet. Kein typisches „New York-Buch“, sondern ein raffiniertes Projekt, das die verborgenen Welten einer Stadt auf Schleichwegen erkundet und interessante Einblicke in das Künstlerleben bietet.

  • Olivia Laing: Die einsame Stadt. Vom Abenteuer des Alleinseins. Aus dem Englischen von Thomas Mohr. btb 2023