Die Zeit zwischen den Jahren ist eine der anregendsten überhaupt: nicht die üblichen täglichen Pflichten, sondern die Freiheit, einige Tage nach Lust und Laune zu verbringen, bis Silvester vorbei ist. Eine Zeit für Museen, Kino und Theater!
Ich habe sie genutzt, um den Film „Lagunaria“ von Giovanni Pellegrini zu sehen, der gerade in unseren Kinos angelaufen ist.
Pellegrinis Film ist ein poetischer Essay über Venedig, mit seltenen, verblüffenden Bildern, denen eine textuelle, geflüsterte Aria im Tonfall einer nicht enden wollenden Elegie unterlegt ist: Wie und wo ist dieses Venedig entstanden? Wie erzählte und erzählt man von dieser numinosen Stadt? Ist sie dabei, endgültig zu verschwinden? Und wenn ja, wer tut was dagegen?
Solche bohrend wiederkehrenden Fragen und Themen werden aber nicht im Stil einer Dokumentation verhandelt, die dann Menschen der Stadt zu Wort kommen ließe. Der Furor des Films ist kein politisch-sozialer, sondern ein mythischer. Es geht daher nicht um die bekannten, öffentlichen Proteste und Klagen, sondern um private, fast stumme: Ein Fischer auf Fischfang, rudernde Frauen und Männer, ein Paar, das die toten Inseln in der Lagune erkundet, auf der Suche nach alten Räumen und Zonen, Restauratoren bei der Arbeit.
Eingefangen wird der weite Lagunenraum von oben, damit beginnt der Film und damit endet er. Häuser und Menschen mitten im Meer, in waghalsig errichteten Bauten, die fast ausschließlich nach ästhetischen Vorgaben errichtet wurden. Das Meer als das Gegenüber der Stadt, mit ihm soll sie „kommunizieren“ und eine Art von Symbiose erfinden.
Pellegrini zeigt das Misslingen in drastischen Bildern der großen Überschwemmungen des Jahres 2019, und er zeigt die menschenleeren Plätze und Kanäle während der Pandemie als Kontrast – Fischschwärme zirkulieren wieder in den heller werdenden Kanälen, und es werden Lieder gesungen, die aus den Motiven der Stadt gefiltert wurden.
Wer an Venedig denkt, erlebt vieles als einen unverhofften Schock – und häufig auch als Überwältigung. Lagunaria ist kein Stadtporträt und keine bedeutend tuende Botschaft, die mit Fakten aufwartet. Es ist vielmehr der leidenschaftliche Film eines Venezianers, der mit dieser Stadt so eng verbunden ist, dass er sie als eine Zeichensprache „des Lebens schlechthin“ begreift.