Gestern, an Wieverfastelovend, war der große Tag des Straßen- und Kneipenkarnevals. Die Jecken ziehen den ganzen Tag bis in die Nacht durch die Veedel einer Stadt.
Die folgenden Tage könnten der Teilnahme an den Sitzungen der Karnevalsvereine gewidmet sein, die jetzt von vielen dritten regionalen TV-Sendern übertragen werden.
Wie der Name schon sagt, erlebt man sie durch ein oft mehrstündiges Sitzen. Ab und zu wird man zum Tanzen, Singen, Mitmachen aufgefordert.
Im Mittelpunkt der Sitzungen stehen aber die Darbietungen in der Bütt. Als Genre werden sie oft belächelt und wenig ernst genommen. Das ist schade, weil einem dadurch die sprachlichen und bildlichen Besonderheiten solcher Auftritte entgehen. Wer sich für Texte, Sprache und öffentliche Rede auch nur ein wenig interessiert, sollte sie mit Freude und Aufmerksamkeit studieren.
Historisch gehen Büttenreden auf Schimpf-, Beschwerde- oder Strafreden einfacher Bürgerinnen und Bürger zurück, die sich gegen Zumutungen von Herrschaftsformen und gegen deren Protagonisten zur Wehr setzen.
Treten Büttenrednerinnen oder Büttenredner auf, werden sie von der Saalkapelle begrüßt. Oft verkörpern sie mit Hilfe eines Kostüms gestisch und mimisch eine bestimmte Figur, übernehmen deren Sprache und Aussehen und spielen dadurch eine dem Schauspiel abgeschaute Rolle.
Wie aber setzen sie diese Rolle sprachlich in Szene? Durch einen gereimten Vortrag (wie gereimt?)? Durch einen Dialog mit zweiten oder dritten Personen (Sketch?). Durch den Einsatz des Dialekts? Und weiter: Wie stilistisch? Durch welchen Ton, welche Anspielungen auf sprachliche Vorgaben? Wie also hört sich der Vortrag an (Klangformen, Pausen, Wiederholungen, Refrains)?
Das Studium solcher Momente der Büttenrede könnte erweitert werden durch ein Studium ihrer jeweiligen Wirkung. Wie geht das Publikum mit? Welche Reaktionen sind zu erkennen? Nähern sich Rednerin/Redner und Publikum einander an? Welche Stimmungen durchläuft das Publikum während einer Sitzung? Ergibt die Reihenfolge der Auftritte eine abwechslungsreiche, überlegte Komposition?
Diese Fragen deuten darauf hin, dass es während Karnevalssitzungen vieles zu entdecken gibt. Das passive Sitzen und Zuhören könnte also verwandelt werden in ein aktives Schauen und Sehen, auf der Spur der überraschenden Einfälle, die gute Büttenreden anbieten.
Viel Freude daran, ich bin auch hier wieder dabei!
(Das Foto zeigt eine im Rheinland beliebte schlichte „Karnevalsspeise“, deren Verzehr häufig von mehreren Kölsch oder Alt-Bieren begleitet wird)