Hier und dort & dort und hier – von Ron Padgett

Von dem amerikanischen Lyriker Ron Padgett hatte ich vor einigen Jahren noch nie etwas gehört. Dann jedoch saß ich im Kino und schaute mir Jim Jarmuschs wunderbaren Film Paterson an.

Es ist die Geschichte eines Busfahrers, der spontan glasklare Gedichte über seine Fahrten in ein Notizheft schreibt. Als der Abspann lief, sah ich, dass die Gedichte eigentlich von dem Lyriker Ron Padgett stammten.

Wenig später erschien eine erste Sammlung dieser Gedichte auf Deutsch, übersetzt von Jan Röhnert. In Die schönsten Streichhölzer der Welt leuchteten nicht nur die Streichhölzer, sondern noch viele andere poetische Signale des Alltags. Danach wollte ich unbedingt mehr über Ron Padgett wissen und mehr von ihm lesen.

Jetzt sind Reisetagebücher und Gedichte über Fahrten durch westeuropäische Länder (Frankreich, Italien, Finnland, Deutschland etc.) erschienen: Hier und dort & dort und hier.

Der Untertitel A New York Poet´s Travels to Western Europe verrät bereits etwas von Padgetts Vorgeschichte. Er wurde 1942 in Tulsa/Oklahoma, geboren und kam 1960 nach New York, wo er die junge Dichterszene kennenlernte. Davon erzählt das einleitende Gedicht Einfahrt, an das sich ein hymnischer Prosatext über New York und die unvergänglichen ersten Eindrücke und Erfahrungen anschließt.

Das Neue und Interessante an diesen Texten ist, dass man einen Schriftsteller kennenlernt, der vor allem als Lyriker unterwegs ist. Er beobachtet anders als ein Prosaautor, entnimmt den Umgebungen Bilder, Klänge, Geräusche und versteckte Botschaften.

Geradezu manisch ist er auf den Fährten von Gedichten und erkundet Orte und Räume daraufhin, wo und warum sie Material für ein fremdes oder eigenes Gedicht anbieten. In Paris, London und Venedig wird er besonders fündig und lässt sich als Wortartist so enthusiastisch treiben, dass man ihn gern begleitet hätte.

Ein Text hat mich besonders berührt, er erzählt davon, wie Padgett früher einmal die Bekanntschaft des deutschen Lyrikers Rolf-Dieter Brinkmann gemacht und meine Heimatstadt Köln besucht hat.

Dieses Buch beweist auf diskrete Art, dass Lyriker eine eigene, hochgradig emotionale Community bilden. Sie haben nicht nur das eigene, mögliche Gedicht im Ohr, sondern auch die möglichen oder realen Gedichte anderer Lyrikerinnen und Lyriker. Als stünden sie gleichsam laufend in einem unbewussten Austausch und arbeiteten letztlich an einem einzigen großen Gedicht über „die Welt“.

So sind sie ewig unerreichte Vorbilder für Prosaautoren, die sich höchstens an Reisetexten in lyrischer Prosa versuchen, ohne es jemals zu einem Gedicht mit Zeilen und Strophen zu bringen. Ach…

Ron Padgett: Hier und dort & dort und hier. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jan Röhnert. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung Mainz. 208 S., 24 Euro