Der Fluss und das Meer von Natascha Wodin

Fünf Erzählungen hat die Schriftstellerin Natascha Wodin, deren Schreiben ich seit ihren ersten Veröffentlichungen verfolge, in ihr neustes Buch aufgenommen. Für einen ihrer letzten Romane (Sie kam aus Mariupol) erhielt sie nicht nur den Preis der Leipziger Buchmesse, sondern zwei weitere bedeutende Preise, 2022 folgte eine Auszeichnung für ihr Gesamtwerk durch den hoch dotierten Joseph-Breitbach-Preis.

Die Erzählungen in Der Fluss und das Meer fangen erkennbar autobiografische Lebensszenen ein, deren weibliches Ich in jeder einzelnen an eine andere widerständige Welt gerät. Kinderjahre in Franken, das Zusammenleben mit Nachbarinnen vor einem halben Jahrhundert in einem Münchener Villenvorort, eine Reise in die tropische Entlegenheit Sri Lankas mit einem Freund und seiner Schwester, eine Fernbegegnung mit einem psychisch kranken Mann, mit dem sie eine besondere Liebe zu Musikstücken teilt, – und, in der letzten, unheimlichsten Erzählung, die Ankunft in einem pfälzischen Winzerdorf auf einem alten Gehöft, wo sie einige der heftigsten Angstträume der Vergangenheit noch einmal durchlebt.

Ich lese diese Geschichten mit angehaltenem, oft stockendem Atem und wünsche mir manchmal, mit der Erzählerin herausspringen zu können in ein sich gesichert wähnendes Leben. In jeder Erzählung wird ihr aber der Boden gerade dann unter den Füßen weggezogen, wenn dieser Sprung für einen Moment möglich erscheint.

Große Literatur! – sage und schreibe ich und empfehle dieses Buch allen Ruhelosen.

(Die Schauspielerin Martina Gedeck liest daraus momentan auf NDR Kultur, hier findet man den Zugang zu den Lesungen, die ich ebenfalls sehr empfehle!)

https://www.ndr.de/kultur/buch/Martina-Gedeck-liest-Der-Fluss-und-Meer-von-Natascha-Wodin,wodin120.html