Das Sommerinterview 1 – Das Entrée

Am 28. August 2023 habe ich meine Mitarbeiterin Hanna vorgestellt, wir haben ein erstes und wenig später (am 13. September 2023) ein zweites Gespräch geführt und im Blog veröffentlicht.

Daran möchten wir anknüpfen und, der Jahreszeit folgend, ein Sommerinterview in mehreren Folgen gestalten. Darin soll es um viele Fragen gehen, die Leserinnen und Leser im Blick auf meine letzten und die geplanten nächsten Veröffentlichungen interessieren könnten. Das Ganze als eine Art Resümee, um den Stand der Dinge festzuhalten und einen Überblick zu gewinnen.

Das Sommerinterview fand und findet frühmorgens ab 9 Uhr im Garten statt, wir frühstücken zusammen und sprechen mit kleineren Pausen bis zum Mittag.

Hier das Entrée.

Hanna: Fangen wir mal nicht mit Literatur, sondern mit Sport an. Du hast Spiele der EM 2024 verfolgt, einige Wimbledon-Matches gesehen und freust Dich auf die bald beginnenden Olympischen Spiele. Was interessiert Dich am Sport?

 HJO: Die Intensität der schönen, vieles verändernden und entscheidenden Augenblicke. Das unerwartete Tor, ein Ballwechsel in einem Tennismatch, der den Spielverlauf kippt und von den Spielenden eine Neubesinnung auf ihre Taktik verlangt. Solche Augenblicke, in denen sich etwas zuspitzt und die Dinge sich drehen und wenden! Sie fordern Vermutungen darüber heraus, was in den Menschen vorgeht und an welchen Geschichten sie innerlich schreiben. Als Zuschauer bin ich wie ein Psychologe beteiligt, der Vermutungen anstellt.

Hanna: Das heißt, Du schreibst an diesen Geschichten mit? Du könntest sie aufschreiben und erzählen?

 HJO: Ich könnte versuchen, ihr Genre zu bestimmten. Das tun die jeweiligen Akteurinnen oder Akteure durch ihr Auftreten, die Gestik, den Bewegungsablauf. Im Männer-Fußball zum Beispiel gibt es die Mitläufer, die sich um jeden Preis in das Spiel der Mannschaft einreihen wollen, und es gibt die Solisten, die mehr von sich verlangen und etwas bieten wollen, und es gibt die fleißigen Arbeiter, die sehr viel laufen und die Rhythmen in Gang halten – Beschleunigung, Pause, Ausdehnung, Konzentration. Dieses Rollenspiel zu verfolgen, ist interessant.

Hanna: Es lenkt Dich ab? Du kommst auf andere Gedanken?

 HJO: Das nun gerade nicht, sondern im Gegenteil: Ich erlebe den Sport wie ein Drama oder eine Erzählung, und die stärksten Augenblicke, die ekstatischen also, sind pure Lyrik (Hymnus, Ode, Lied). Es ist übrigens gut, einiges über die Beteiligten zu wissen, Biografisches etwa – wie und wo sich diese Aktionen entwickelt haben, das gehört dazu.

Hanna: Wenn Du Sportübertragungen im Fernsehen siehst, ist das für die Mitschauenden keine reine Freude. Du haderst mit den Kommentaren, Du kommentierst selbst, Du bist nicht still, keine Minute.

 HJO: Stimmt, es ist schlimm. Ich kann die Erregung nicht drosseln oder ausbremsen. Selbst wenn das Spiel vor sich hinplätschert, rede und rede ich.

Hanna: Du machst Vorschläge, wohin der Ball gespielt werden sollte, Du berätst den Trainer, wer aus- oder eingewechselt werden sollte, Du bist selbst laufend in Aktion …

 HJO: Ja, ich rede wie der irre Autofahrer im Straßenverkehr, der ununterbrochen kommentiert, was er sieht und erlebt: Jetzt bieg endlich ab!, Warum blinkt der nicht?, Warum beschleunigt sie plötzlich so?

Hanna: Zum Glück fährst Du kaum noch Auto. Warum eigentlich nicht?

 HJO: Ich denke an zu viel anderes, ich bin im Kopf sehr beschäftigt, es ist schlicht gefährlich. Niemand fährt gern mit mir.

Hanna: Ich schon, ich sitze gern neben Dir und kommentiere die Strecke mit Hilfe des Navi: Wir überqueren gerade einen kleinen Fluss, die Drönitz, in zweihundert Metern erscheint rechts ein Gasthof, Zum dicken Bären, die bieten ein Wild-Menü mit frischen Pfifferlingen an …, so in der Art rede ich, und Du hast anscheinend eine Freude daran.

 HJO: Und wie! Ich fühle mich aufgehoben, wir gleiten durch ein Panorama der räumlichen Eindrücke – wie früher in den Übertragungen der Tour de France, als den Zuschauern die Geschichte jedes Kirchleins am Wegrand erklärt wurde. Das habe ich sehr gemocht.