Hanna: Nun haben wir die Bombe platzen lassen und verraten, dass Dein lange geplantes Buch über das Literarische und Kreative Schreiben im November erscheint! Du hast in kleinen Kreisen oft davon gesprochen, es hat Dich sehr beschäftigt. In die Details sollten wir aber erst gehen, wenn das Buch im Handel ist. Momentan ist es in der Herstellung, richtig?
HJO: Ja, das Manuskript wird gerade gesetzt, ich erhalte in den nächsten Tagen die Druckfahnen. Der Verlag wird sie dann an mögliche Veranstalter von Lesungen verschicken, es gibt bereits recht viele Anfragen. Die Veranstaltungen sollen in diesem Fall moderiert werden, das heißt, ich möchte mich mit klugen Experten, die vom Thema etwas verstehen, über das Buch und seine innovativen Akzente unterhalten. Die Druckfahnen gehen außerdem auch an mögliche Rezensentinnen und Rezensenten.
Hanna: Das sind Aspekte und Themen, von denen die Leserinnen und Leser leider nur wenig mitbekommen. Wie entsteht ein Buch? Wer trägt alles etwas dazu bei? In welchen Schritten kommt es an die Öffentlichkeit? Kaum jemand spricht davon oder hat ein Interesse, die geheimen Mechanismen hinter dem Erscheinen eines Buches zu beleuchten. Dabei sind doch viele Menschen genau damit beschäftigt, in den Verlagen, in der Presse, in den Buchhandlungen. Darüber etwas zu erfahren und davon zu wissen, fand ich immer sehr interessant.
HJO: Dann lass uns doch weiter skizzieren, was gerade alles passiert. Im Verlag ist die Herstellungsabteilung jetzt mit dem Hildesheim-Buch beschäftigt, außerdem natürlich die Marketing-Abteilung und die Abteilung, die Veranstaltungen plant und organisiert. Für jede Veranstaltung wird ein Vertrag geschlossen. Die Buchhandlungen haben Vorschauen für die neuen Herbsttitel erhalten und können überlegen, welche Titel sie bestellen und welche sie in Lesungen präsentieren.
Hanna: Können wir den Leserinnen und Lesern Deines Blogs Bücher empfehlen, die von all diesen Prozessen berichten oder erzählen?
HJO: Ich empfehle Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen (Rowohlt Verlag), das allerdings schon etwas älter und 2005 erschienen ist. In 120 Artikeln berichten viele Expertinnen und Experten über die Details, von A (Absatz/AIDA-Formel) über L (Lektorat/Lesen) bis Z (Zielgruppe/Zwischenbuchhandel). Das sind 400 mit Informationen vollgepackte Seiten!
Hanna: Und vielleicht noch einen neueren Titel?
HJO: Gerade ist Das Buch zum Buch. Ein Blick hinter die Kulissen von Rainer Moritz erschienen. Moritz ist ein absoluter Solitär und einer der originellsten Experten, der fast alle Bereiche des literarischen Lebens aus eigener Anschauung kennt. Heute ist er Leiter des Literaturhauses in Hamburg, früher war er Cheflektor und Programmgeschäftsführer, er ist aber auch Literaturkritiker, Übersetzer (aus dem Französischen), Kolumnist und Schriftsteller, der vielgelesene Sachbücher über Fußball, Paris und Schlager, aber auch Romane geschrieben hat.
Die Artikel seines Buches sind ebenfalls alphabetisch geordnet, es beginnt mit Adventure Writing und führt über Leseglück bis zum Zwiebelfisch. Hier geht es nicht primär um Informationen, sondern um das Leben als Mitspieler in einem Betrieb, von dem Moritz mit viel Ironie und einer ungehemmten Passion Teilhabe elegant erzählt. Dadurch entsteht in der Tat ein Blick hinter die Kulissen, und man merkt dem Autor in jeder Zeile an, dass er lange in Paris gelebt hat. Daher erfährt man auch pikante Details, an die man selbst nie gedacht hätte.
Hanna: Zum Beispiel?
HJO: Unter dem Schlagwort Essen & Trinken liest man zum Beispiel etwas über die vielleicht kalorien- und alkoholreichsten Werke der Gegenwartsliteratur (S. 84). Es geht dort unter anderem um einen auch von mir geschätzten Roman, in dem sich ein Münchener Journalist in eine italienische Kunsthistorikerin (sic!) verliebt. Hier irrt allerdings der beredte Autor Moritz, es handelt sich nicht um eine Kunsthistorikerin, sondern um eine Meeresbiologin und Leiterin eines meereskundlichen Museums. Der Irrtum sei ihm jedoch verziehen, zumal er die leuchtenden Szenen des Romans leidenschaftlich beschwört: „Da breiten sich glänzende Feigen in Obstschalen aus, da werden Austern geschlürft, begleitet von Unmengen Weißwein, da ordern die hochgradig Verliebten hochkonzentrierte Fischsuppen …“
Hanna: Ich habe den Roman auch mehrmals gelesen, diese wunderbaren und hochsinnlichen Szenen bekommt man nicht mehr aus dem Kopf. Die Austern erscheinen wie Lebewesen und sind die nahrhaften Quellen des Erotismus. Das sind wahrhaftig französisch inspirierte Exerzitien. Leider mag ich Austern nicht besonders.
HJO: Man sollte sie zu zweit essen, zum Beispiel im Fischrestaurant der Stuttgarter Markthalle, das Du kennst. Zu zweit, und dazu sollte man ein Glas gut gekühlten Chablis trinken. Es ist eine Tiefenreise ans Meer.
Hanna: Ich glaube Dir, Du hast oft genug davon geschwärmt. Und ich kann behaupten, dass ich immerhin auf dem Weg zur Austernkosterin bin. Ich habe nämlich in einem Buch über das Leben und Sterben der Austern gelesen, dass die Auster „eine poetische und zugleich existentialistische Speise“ und dass ihr Verzehr aus guten Gründen ein heiliger Moment sei.
HJO: Wer hat das geschrieben?
Hanna: Andreas Ammer in seinem Buch „Austern“, das in der „Naturkunden“-Reihe von Matthes & Seitz erschienen ist. Da Du es mir sowieso bald aus den Händen reißen wirst, schenke ich es Dir und freue mich auf die nächsten Schritte hin zur Austernesserin.
HJO: Danke! Das sind doch wunderbare Vorsätze! Lass uns den Rundflug zum „Stand der Dinge“ hier beenden und in die verdiente Sommerpause gehen! Der nächste Blogeintrag wird nach dieser Pause am 6. August 2024 erscheinen. So haben die Leserinnen und Leser ebenfalls etwas Zeit, kurz oder lang auf unser Gespräch zu reagieren.
Hanna: Stimmt, wir geben die Hoffnung nicht auf! Eine entspannte Zeit wünsche ich Dir!