Twitterpoesie

Gerade jetzt, zu Beginn eines Neuen Jahres, könnte ich die Leserinnen und Leser dieses Blogs an meinen seit ewigen Zeiten verlaufenden Experimenten, die vergehende Zeit festzuhalten, teilhaben lassen. Wie mache ich das? In welchen Formaten? Mit welchem Hintersinn? Ja, das werde ich bald tun.

Zuvor möchte ich jedoch mit einem Lektüreeindruck beginnen, der zur Entspanntheit des Schreibens beitragen könnte. Ich lese nämlich gerade ein Buch von Clemens J. Setz. Es heißt Das All im eignen Fell. Eine kurze Geschichte der Twitterpoesie und ist im Suhrkamp Verlag erschienen. Ich muss vorausschicken, dass ich nie getwittert habe und dass mich die jahrelang anhaltende, dann aber rasch abkühlende Begeisterung für diese Kurzbotschaften von 140 und später 280 Zeichen nie erreicht hat.

Im Fall von Clemens J. Setz war das jedoch anders. Er hat auf Twitter Getextetes mit großer Neugierde wahrgenommen, manche Texte gespeichert und ihre poetischen Valenzen nachempfunden. Sein Buch ist über lange Strecken eine Anthologie seiner eigenen Twittergedichte und im zweiten Teil ein Überblick über Getwittertes anderer Autorinnen und Autoren (und daher eine „Geschichte der Twitterpoesie“ im Kleinen).

Lese ich das nun in Folge und lasse mich in diese im coolen Sinn „lyrischen Momente“ hineinziehen, entsteht eine anhaltend entspannte Laune und eine Freude daran, sprachliche Details auszukosten. So etwa die des Winters, den Clemens J. Setz so einfängt: „Manchmal hebt sich ein Gedanke/wie so eine Parkplatzschranke/und so können Maus und Lurch/wieder ungehindert durch“.

Je länger ich las, umso mehr spürte ich die ansteckende Wirkung dieser Minimalpoesie. Es ist ein Vergnügen, sich auf diesen Wellenlängen zu bewegen, vor allem jetzt, in den dunkleren Jahreszeiten. Das Buch stellt viele Genres und einfache Techniken des Poesiemachens vor, dadurch erinnert es an die Experimente der Dadaisten und Surrealisten, die oft auch im kleinen Kreis dichteten und den Zufällen von Klang und zweiter Bedeutung großen Raum ließen. Eine Lektüre also fürs Mitmachen und Mittexten!