„Salve, mein Sohn“, begrüßte mich Rainald van Dassel in Hildesheim, „wohin führen Dich Deine Wege?“ Ich dachte kurz nach und antwortete: „Ins Roemer- und Pelizaeus-Museum, und dort in die altägyptische Sammlung – zu einem guten Bekannten.“
Es ist der Schreiber Heti, den ich in meinem Buch Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und Schreiben lehren als eine „Ikone des Schreibens“ vorgestellt habe (S. 86ff.)
Die Figur des sitzenden Schreibers stammt aus der Zeit um 2300 v.Chr. und zeigt ein Mitglied der Oberschicht in einer charakteristischen Sitzpose mit untergeschlagenen Beinen. Heti hält eine Papyrusrolle in den Händen und ist dabei, sie zu beschriften. Der Schreibpinsel in der rechten Hand ist verloren gegangen, mit diesem Binsenstengel würde er das nach dem Eintauchen des Pinselns in schwarze oder rote Tinte tun.
Die Statue hat mich immer stark fasziniert, in Hildesheim habe ich die jeweiligen Erstsemester der Schreibstudiengänge zu ihr geführt und darum gebeten, anhand dieser Figur über das Schreiben als Tätigkeit und Geste nachzudenken.
Was man sofort erkennt: Der starke Grad von Konzentration. Die Strenge des Ausdrucks, die vom Körper stillhalten und Ruhe verlangt. Die meditative Versenkung in den Schreibakt – es gibt nichts darüber hinaus, das Schreiben beansprucht alle Kräfte, die inneren wie die äußeren.
So gesehen, ist Heti eine Ikone, die durch die Jahrtausende zentrale Momente des Schreibens als Ausdruck bündelt und festhält.