Ich lese gerade das ungewöhnliche Buch der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer, in dem sie 365 Geschichten für jeden Tag gesammelt hat: Wie die Welt weiterging (Hanser Verlag).
„Du magst doch kalendarische Bücher“, sagte ein Freund zu mir und schenkte mir diese über 750 Seiten, die aber nicht schwergewichtig und abschreckend wirken, sondern eher leicht und locker wie eine Sammlung vieler kleiner Dunkelpralinen.
Jede dieser literarischen Kostbarkeiten ist nicht länger als zwei Seiten, und jede erzählt eine Geschichte, von denen viele (ich wette) Monika Helfer nachts begegnet sind. Einige Konstellationen ihres Lebens bleiben erahnbar oder sind zu erkennen. Es gibt einen Mann, es gibt Kinder, einen Garten und Menschen, die ins Haus schneien und ein Sammelsurium von Erlebtem abladen.
Das versucht eine gute Zuhörerin in Bahnen zu lenken, macht das aber nicht mit dreister Genregewalt, sondern mit Beschwören, Murmeln und Mitträumen. So bleiben die kurzen Erzählungen in schöner Schwebe, wollen nirgendwohin, sondern setzen sich in unseren Leser-Träumen fest.
Wie liest man ein solches Buch? Natürlich nicht Seite für Seite, sondern sprunghaft, manchmal mit starkem Geschichtenappetit oder auch mit diätetischer Spannung. Frei gestellt fühlen wir uns, können uns Zeit lassen, aber auch wild beschleunigen.
Die Schreibwilligen wiederum werden erkennen, wie man ein Buch macht, indem man jeden Tag eine Geschichte schreibt. Nachschreiben! – heißt die Verlockung!