Ich lese gerade das Buch des norwegischen Autors und Journalisten Andreas Viestad, der auf dem Land in der Nähe von Oslo, aber auch in Rom lebt. Er hat große gastronomische Erfahrung, betreibt wohl auch eigene Restaurants und widmet sich in Fernsehserien Themen der Ernährung.
Aus all diesen Bezügen ist ein Buch mit dem unscheinbaren Titel Ein Abendessen in Rom (Transit Verlag – aus dem Norwegischen von Ulrich Sonneberg) hervorgegangen, das wie eine kulinarische Rakete Stufe für Stufe das Begreifen und Erkennen gastrosophischer Details in seltene Höhen treibt.
Es beginnt damit, dass Viestad das Restaurant La Carbonara in Rom aufsucht. Es liegt am bekannten Campo de` Fiori, also mitten im Zentrum der Ewigen Stadt. Viestad erzählt wie nebenbei von dem, was er auf dem Marktplatz des Campo beobachtet, dann kommt er Schritt für Schritt zu den Sachen und Menschen. Und wie?
Indem er den angebotenen Speisen auf den Speisenkarten folgt – und das in sehr wörtlichem Sinn. Wie in Italien üblich beginnt die Mahlzeit mit etwas Brot, das in einem Körbchen auf den Tisch gestellt wird. Etwas Öl und Salz sind oft die Begleiter, manchmal auch erste Elemente der Antipasti.
Weiter geht es mit einer Sorte Pasta, deren Präsenz meist durch das Drehen einer Pfeffermühle unterstrichen wird. Wein darf nicht fehlen, auch Wasser nicht.Dann nahen die schweren Entscheidungen: Fleisch?! Fisch?! Aber bitte welches/welcher?!
Viestad führt uns in die Geheimnisse der Sakramentenlehre und der Rituale der italienischen Mahlzeiten ein, ausgehend von einem konkreten Ort und einer konkreten Umgebung, zu einer bestimmten, konkreten Zeit (abends). Er tut das, indem er die Speisen befragt, den Radius stark erweitert, die Herkunft und die Geschichte der Speisen raumgreifend erläutert und uns Fremden auf diese Weise zeigt, mit welchen historischen und geographischen Kapiteln der Nahrungsaufnahme wir jeweils gerade verbunden sind.
Wir genießen gleichsam die große Geschichte der Cucina italiana, zubereitet in vielen Mikro-Erzählungen, die aus dem Dampf der Töpfe und Pfannen emporsteigen und dazu beitragen, uns noch glücklicher zu machen.
Was könnten wir danach noch mehr tun, um das Gelesene zu steigern? Jetzt, im Sommer, nach Rom aufbrechen und oben, im ersten Stock (!) des La Carbonara einen Tisch mit Blick auf den Campo (!!) bestellen und dort hören, schauen, riechen, kosten, essen, trinken und Viestads Erzählungen mit unseren eigenen vor Ort verbinden!