Rosenmontag 1951 – und Heute in Köln

1951 kam ich in Köln am Rhein zur Welt. Wie feierte man damals in meiner Geburtsstadt Rosenmontag?

Heute, ab 9.30 Uhr, live, im WDR Fernsehen:

„Mit dem Sessionsmotto FasteLOVEnd – Wenn Dräum widder blöhe stehen diesmal zwei große Themen im Mittelpunkt des Rosenmontagszuges: LIEBE und TRÄUME!“

Allen Leserinnen und Leser dieses Blogs wünsche ich einen beschwingten, sonnigen Tag!

Rachmaninoff hören

Sergei Rachmaninoff sprichtist der Titel eines von Geoffrey Norris zusammengestellten und herausgegebenen Buches, das im wolke verlag erschienen ist. Als ich davon erfuhr, freute ich mich, denn es gibt kaum Bücher über den großen russischen Pianisten und Komponisten, der 1873 in Russland geboren wurde und 1943 in den USA starb.

Eine umfangreiche Biografie über Rachmaninoffs Leben mochte ich nicht lesen (Biografien lese ich grundsätzlich nicht gern), lieber waren mir Texte, in denen er selbst zu Wort kommt und über seine Musik und die damit verbundenen Ideen spricht.

In Sergei Rachmaninoff spricht tut er das unablässig, denn das Buch ist eine reich kommentierte Zusammenstellung der vielen Interviews, die er in seinem Leben gegeben hat. Das Gute: Rachmaninoff wirkt fast immer hoch konzentriert, und spricht nicht über Themen am Rande, sondern über solche, die seine Musik und die seiner Zeitgenossen wirklich betreffen.

Daher geht es immer wieder um Fragen der Komposition (etwa um „Die Melodie an oberster Stelle“, S. 77ff.) und immer wieder um das Klavierspielen – die Techniken, das Publikum oder den „vitalen Funken“, der nur „für einen Moment existiert und nicht erklärt werden kann“, S. 49).

Ich erinnere mich gut an die Konzerte, in denen ich Rachmaninoffs Werke (an vorderster Stelle das zweite und dritte Klavierkonzert) gehört habe. Ich war fünfzehn Jahre alt, als ich sie das erste Mal hörte, und ich war ihnen (man kann es nicht anders sagen) „ausgeliefert“. Sie reichten tief hinab in die pubertären Instinkte und bewegten vieles, was sich damals im Leben so tat.

Das zweite Klavierkonzert beginnt unerwartet mit einem Solo des Klaviers, es stürzt sich in die Akrobatik eines dunklen C-Moll, das aus dem Dunkel wächst, ein Orchester inspiriert und eine weite Reise beginnt…

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein starkes Rachmaninoff-Wochenende!

Fragen und Gespräche im Anschluss an meine Lesungen

Also, ich möchte einmal etwas darüber schreiben, wie ich gegenwärtig meine Lesungen aus „Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren“ erlebe. Vorgestern waren im LCB in Berlin über zweihundert Personen in einem brechend vollen Raum anwesend, und hinterher standen viele für eine Signatur an, wobei es manchmal auch zu kurzen Gesprächen kam.

Die Kürze dieser Begegnungen macht mich nachdenklich, denn oft ist es schade, die Gespräche aus Zeitgründen (und weil die Signierschlange lang ist) gleich wieder zu beenden. Gar nicht selten ist nämlich zu spüren oder sogar zu erfahren, dass ich Leserinnen und Lesern begegne, die nicht nur eins meiner Bücher, sondern mehrere oder viele gelesen haben. Manche lesen auch diesen Blog regelmäßig. Dadurch habe ich das Gefühl, keinen Fremden, sondern Menschen zu begegnen, die mit dem, was ich denke und tue, „vertraut“ sind.

Vertrautheit also. Seltsamer Zustand. Ich spüre sie, aber sie verrauscht gleich wieder. Eine Signatur, ein Gruss – und ich sitze wieder allein im Universum.

Was war da gerade los? Was hat XY zu mir gesagt? Meinte sie/er das ernst? Und wie würde ich darauf reagieren, wenn ich Zeit zum Nachdenken hätte?

Es kommt mir so vor, als seien „wir“ verabredet gewesen und hätten uns getroffen. Zu was? Schön wäre es, von meinem Gegenüber ein kurzes Zeichen zu erhalten. Wie wäre es mit einer Visitenkarte? Mit Name, Anschrift, Mailadresse? Oder (da Visitenkarten ein aussterbendes Genre sind) einem Zettel, einer Karte etc. mit solchen Angaben?

Würde mich freuen. Dass ich darauf antworte, kann ich nicht versprechen. Versprechen kann ich aber, dass mir anhand solcher Mitteilungen Gespräche in Erinnerung bleiben. Wenn ich Schriftliches sehe, ist das so. Seit einem gewissen Alter bin ich „schriftfixiert“, die Schrift dringt in mich ein, ich gehe „mit ihr um“. Sie macht sogar Musik, auf hintergründige Weise.

Einige Leserinnen und Leser trauen sich, mir eine Mail zu schreiben, das kann man natürlich: ortheil.hannsjosef@gmail.com – auch auf solche Mails kann ich nicht immer antworten, manchmal fehlt dafür einfach die Kraft oder die Zeit, dafür bitte ich um Verständnis.

Das wars zu diesem Thema. Vorerst. Ich verabschiede mich davon mit einem Lied von Sophie Hunger, das mein Thema anspielungsreich umspielt. Auf den ersten Blick „handelt es“ von etwas ganz Anderem…, man sollte es also „übersetzen“.

Das Ende der Wintereinsamkeit

Die eine Fliege,

sie umkreist mich immerzu –

Wintereinsamkeiten

So dichtete der japanische Haiku-Dichter Katō Kyōtai (1732-1792) über die lange Zeit des Schreibens im Winter.

Der Vorfrühling treibt uns jetzt endlich nach draußen, in die Gärten und Wälder.

 

Geisterstimmen in der Wahlkabine – mit Sommernachtstraum

(Am 21.2.2025 auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S. 4)

Lange Zeit hat eine Bundestagswahl meine Freunde nicht mehr so intensiv beschäftigt wie die anstehende. Viele schlafen schlechter, weil sie den Druck der Verantwortung spüren. Im Ernst? frage ich, und sie bestätigen: Ja, wir spüren den Druck, es liegt an den allgegenwärtigen Krisen. Wohin man schaut, es fällt schwer, an eine gute Zukunft zu glauben. Es muss sich etwas ändern, und wir Wähler haben das in der Hand. Das sagt auch Friedrich Merz, antworte ich, und meine Freunde entgegnen, dass seine Stimme eben eine der vielen ist, die sie in der Wahlkabine wie flüsternde Geisterstimmen zu hören glauben.

Das Betreten der Kabine markiert den Ernstfall. In ihr ist man mit sich allein, es darf und kann keine Beobachter geben. Was im Freundeskreis besprochen wurde, verhallt in einer momentanen, erschreckenden Stille, der Moment des Rückzugs auf sich selbst ist ungewohnt und erinnert einige an das Beichten in Kindertagen. So gesehen, hat die Kabine etwas von einem Beichtstuhl, man soll sich zu etwas bekennen, zu einer Partei, zu Kandidatinnen oder Kandidaten.

Nach Paragraph 33 der Rechtsgrundlagen für die Bundestagswahl muss in jeder Kabine ein Schreibstift bereitliegen. Indem man den Stift in die Hand nimmt, spitzt sich die Lage zu, und man wird mit den möglichen Verhaltensvarianten konfrontiert. Von den vielen untereinander gereihten, leeren Kreisen auf dem Stimmzettel stellt jeder einzelne Kreis eine Frage: Kreuzt Du mich an, und bist Du Dir bewusst, was Du da tust?

Man soll eine Erst- und eine Zweitstimme vergeben. Mit der Erststimme in der linken Spalte wählt man eine Person in den Bundestag und traut ihr zu, dort tätig zu werden. Weiß man von ihr genug, um schwerwiegende Entscheidungen über die Zukunft des Landes auf ihre Schultern zu laden? In den meisten Fällen kennt man nur ihre politischen Verlautbarungen, weiß sonst aber kaum etwas über sie. Reichen die Parolen sowie ihr Porträt auf der Wahlwerbung? Unter ihren Namen sollten auf dem Stimmzettel auch ihr Beruf sowie ihr Wohnort angegeben sein, diese Lektüren könnten nachdenklich stimmen.

Die Zweitstimme vergibt man durch Ankreuzen in der rechten Spalte. Dort werden die Namen der Parteien genannt, und unter jeder Nennung auch die ersten fünf Bewerberinnen oder Bewerber der zugelassenen Landeslisten. Bestätige ich diese Runde mit meinem Kreuz etwa gleich mit? Oder hat man noch Einfluss auf diese ominösen Listen, an deren Zustandekommen man sich nicht erinnert? Welcher Parteiname steht übrigens ganz oben? Und in welcher Reihenfolge werden die weiteren Namen genannt? Etwa in alphabetischer? Die Reihenfolge der Nennungen könnte provozieren, bis hin zum Durchstreichen oder Korrigieren. Es soll sogar Wählerinnen und Wähler geben, die sich durch leere Stimmzettel nicht nur zur Stimmabgabe, sondern zum Schreiben schlechthin aufgefordert fühlen. Sie kommentieren die leeren Kreise, malen sie aus oder ändern die Reihenfolge durch markante Striche.

So ist es kein Wunder, wenn sich manche Wahlentscheidung länger hinzieht. Dann verbringt man einige Minuten in der Kabine, während die Luft immer dünner wird. Das Ideal der Stimmabgabe ist ein rasches, entschlossenes Ankreuzen von zwei Kreisen, einmal links, einmal rechts. Aber wer ist angesichts all der Überlegungen, die spätestens in der Kabine auf das angespannte Wählerhirn einprasseln, zu diesem Tempo fähig?

Schließlich werden auch die Stimmen der Parteien lauter. „Alles lässt sich ändern!“ Schön und gut, aber wem kann man diese tiefe Einsicht glauben? „Die Brandmauer? Das sind wir!“ Huch, das hört sich triumphal an, aber wem traut man so etwas wie eine Brandmauer noch zu? „Auch guter Wille muss Grenzen setzen.“ Das wiederum erscheint zu dekorativ und harmlos, wahrscheinlich ein Spruch aus der Kita-Welt.

Im letzten Moment der Stimmabgabe werden die Geister lebendig, und ihre Köpfe schauen über den Vorhang der Kabine. Olaf mit seinem verschmitzten Dulderlächeln, Friedrich mit seinem siegesgewissen Wohlfühlgrinsen, Robert mit seinem ernsten Ministrantenblick. Spätestens dann geht ein starker Ruck durch die arme Kreatur, die in der Kabine wählen soll: Nichts wie raus, es ist höchste Zeit!

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich darüber hinaus ein befreites Wochenende!

https://www.arte.tv/de/videos/120077-000-A/felix-mendelssohn-sommernachtstraum-in-sanssouci/

Ein Westerwälder – Dominik Eulberg

Dominik Eulberg ist Westerwälder. Ein Beitrag auf der Landesschau Rheinland-Pfalz stellt ihn vor:

https://www.ardmediathek.de/video/landesschau-rheinland-pfalz/techno-dj-eulberg-natur-ist-die-groesste-kuenstlerin/swr-rp/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIxMTk0MjQ

Ich empfehle besonders sein gemeinsam mit dem Künstler Matthias Garff geschriebenes und entworfenes Buch „Tönende Tiere“.

Und hier der DJ auf einem Festival:

https://www.arte.tv/de/videos/119958-020-A/dominik-eulberg/

Ein Podcast mit Johannes Schröer

Mit meinem neuen Buch (Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren) bin ich anders unterwegs als mit meinen sonstigen Büchern. Fast immer unterhalte ich mich mit einer zweiten Person über die Themen des Buches, so dass die Veranstaltungen weniger Lesungen und eher erhellende und weiterführende Gespräche sind.

In Köln habe ich mich vor der abendlichen Veranstaltung im Literaturhaus noch mit Johannes Schröer, dem stellvertretenden Chefredakteur des Domradio, zu einem Podcast getroffen.

Hier kann man ihn hören und mehr über das Buch erfahren –

https://www.domradio.de/audio/mit-der-tintenfassmadonna-als-patronin