Meine Sala Ortheilin der Mittelstraße 16 von 57537 Wissen/Sieg gibt es seit über fünf Jahren. In dieser Zeit hat sie sich als ein „Studio für Literatur und Musik“ etablíert. Damit sind Geschichten und Projekte verbunden, die auf der neuen Website angesprochen werden.
Die nächste Veranstaltung findet dort am 10. Mai 2025 um 18 Uhr statt. Die Autorin MariaBidian liest aus ihrem Debütroman Das Pfauengemälde – und ich habe die Ehre und Freude, diese Lesung zu moderieren. Dabei wird die leitende Frage sein, wie es zu einem „Debütroman“ kommt, wie er entsteht und was mit seiner Publikation so alles verbunden ist.
Da die Zahl der möglichen Besucherinnen und Besucher begrenzt ist, sollten sie sich beim Wissener Buchladen (Tel.02742-1874) anmelden (auch unter buchladenwissen@web.de). Vielen Dank!
Jörg Adolphhat schon viele interessante Dokumentarfilme gedreht. Darunter einen Film über den Schriftsteller John von Düffel und darüber, wie sein Roman Houwelandt entstanden ist – ein Lehrstück in Literarischem Schreiben.
Oder, zusammen mit dem Filmemacher Gereon Wetzel, einen Film über den Verleger Gerhard Steidl und darüber wie Steidl Bücher plant und macht.
Einer seiner neusten Filme heisst Vogelperspektiven. 3sat hat ihn jetzt gezeigt, passend zu den Vogelbeobachtungen, die wir mit der Lektüre von Tönende Tiere bereits begonnen haben.
Am 26. März 2025 wäre einer der bedeutendsten Komponisten und Dirigenten unserer Zeit einhundert Jahre alt geworden: Pierre Boulez.
ARTE hat ihm eine Doku gewidmet, die sein Leben nachvollzieht, Freunde und Bekannte zu Wort kommen lässt und Ausschnitte aus seinen Kompositionen präsentiert.
Heute ging die Sonne in Stuttgart kurz nach 6 Uhr auf. Beim ersten Gang ins Freie hörte ich schon die überwältigende Vielfalt der Vogelstimmen. Kein „Orchester“, sondern lauter kleine Gruppen und Grüppchen, mitteilungsbereit, „im Eifer des Gefechts“ um die schönste Intonation.
In diesen Märztagen ist das ein großes, starkes Erlebnis, das besonders dann Freude macht, wenn man einige dieser Stimmen identifizieren kann. Um sich diesem Erkennen zu nähern, könnte man Dominik Eulbergs Buch „Tönende Tiere. Die Musik heimischer Stimmwunder“ bemühen.
Eulberg stellt fünfzig Vögel ausführlich vor, und man kann ihre Stimme über einen QR-Code abrufen, mit Hilfe eines Smartphones, ganz mühelos.
Eulberg schreibt in seinem Vorwort: „Ein großes Dilemma der heutigen Zeit ist: Wir hören nicht mehr richtig zu, uns selbst nicht, unseren Mitmenschen nicht, unserer Heimat Natur nicht. In einem hypervisuellen Zeitalter vergessen wir, dass das Gehör unser am besten ausgebildetes Sinnesorgan ist: das erste, welches im Mutterleib gleich nach dem Tastsinn angelegt wird, und das letzte, das erlischt, wenn wir sterben…“
Hey! Hallo! Was mache ich eigentlich in diesem Blog alle paar Tage anderes, als zum Hören, Sehen und Schmecken anzustiften – was mache ich eigentlich anderes?? Also: Früh aufstehen, den Vögeln zuhören – das wäre meine heutige Empfehlung!
Carmela Thiele hat in der taz auf eine Ausstellung der brasilianischen Künstlerin Lenora de Barros im Badischen Kunstverein Karlsruhe aufmerksam gemacht, die mich sehr interessiert, da sie die multisensorische Umsetzung von Schrift ins Visuelle und Auditive thematisiert – eines der schönsten Themen des Literarischen Schreibens, dem ich in meinem Buch Nach allen Regeln der Kunst gerade anhand von vielen Beispielen nachgegangen bin.
Also: Auf nach Karlsruhe!! – angestifetet durch den Artikel in der taz!
In meinem Blogeintrag vom 18.3.2025 habe ich an den Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel erinnert, der am 15.3.2025 im Alter von 89 Jahren gestorben ist.
3sat hat gestern einen Dokumentarfilm gezeigt, in dem man Bichsel in Paris erlebt, aber eben nicht durch Paris begleitet. Diese Verweigerung hat Methode, aber sehen Sie selbst – es lohnt sich sehr!
(Am 25.3.2025 auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S. 4)
Whatever it takes – das ist der Leitsatz, der das finanzpolitische Gebaren der neuen Regierung stimulieren und Licht in den Nebel bringen soll. Friedrich Merz wiederholt ihn ernst wie ein Glaubensbekenntnis, erinnert er sich doch gut daran, woher der Satz stammt. Mario Draghi erfand ihn 2012 in freier Rede als Präsident der Europäischen Zentralbank und bewirkte damit schwuppdiwupp den sogenannten Draghi-Effekt.
Die EZB sei bereit, alles Notwendige zu tun, um der Krise des Euro entgegen zu wirken – das hatte Draghi gesagt. Den eigentlich wirksamen Effekt lieferte aber ein kleiner Nachsatz: „Glauben Sie mir, es wird genug sein.“ Alle, die das hörten, mussten erschauern: Daran glauben! Es wird genug sein! Kein weiteres Wort war notwendig, der Glaube zu Draghi hinterließ gewaltige Wirkungen, und die Finanzmärte beruhigten sich stante pede.
Heutzutage hat die Wendung etwas Großspuriges, sie will die Probleme lässig und souverän angehen, lässt aber die eigentlichen Hürden im Dunkeln. Gewaltige Summen sollen Eindruck machen und beruhigen: Wenn so viel Geld ausgegeben wird, muss es ja klappen, von ganz allein! Die Skeptiker unter meinen Freunden haben da starke Zweifel, andere schlagen die Einwände in den Wind und reden die großen Summen erstmal klein. Wie wäre es etwa mit Social-Leasing-Programmen auch für mittlere und niedrige Einkommen bei E-Autos? Das hört sich übersichtlicher und griffiger an. Hauptsache, es wird wieder Geld ausgegeben, egal wo und wie! Und bitte gezielt und nicht nach dem Gießkannenprinzip!
Es gibt gute und schlechte Schulden, sagen die finanztechnisch Eingeweihten, behalten aber die Untiefen solcher Überlegungen für sich. Die Gefahr droht durch das sogenannte „herausgeschmissene Geld“. Besonders der Verteidigungsetat soll solche Ausgaben geradezu anziehen. Rasch sind dort mal einige Milliarden für Geräte im Showdesign investiert, die keiner gut genug kennt und die nicht ausreichend getestet wurden, weil dafür die Zeit fehlt. Vielmehr sollen die großen Summen sofort und ohne lange Grübeleien ausgegeben werden, um Deutschland „wehrtauglich“ dastehen zu lassen.
Auch hier überlagern die markigen Worte und die Appelle an das notwendige Selbstvertrauen die Realitäten. Dabei weiß jeder einfache Finanzier, dass rasche und vorschnelle Ausgaben sich rächen, wenn sie nicht auf langfristige Nutzungsmöglichkeiten angelegt sind. Whatever it takes ist in dieser Hinsicht ein Aufguss eines alten Erfolgsrezeptes unter gänzlich anderen Bedingungen, die keiner so richtig durchschaut.
Entsprechend spürt man die Unsicherheiten, die alle befallen hat. Sie sollen durch weitschweifiges, letztlich aber unsolides Reden und Sprechen wettgemacht werden. Notfalls muss das Stichwort „Europa“ dran glauben, um so etwas wie Zusammenhalt und Sicherheit zu suggerieren. Dann weicht man wieder einmal von den eigenen Bedenken und Zweifeln ins nur scheinbar Größere, Ältere und Gefestigtere aus. Erneut nur ein Schein-, aber kein Draghi-Effekt!
Vor kurzem hat der Philosoph Peter Sloterdijk über dieses unsichere, leb- und farblose Europa noch ein Buch veröffentlicht, in dem er nach den Kernständen seiner lahmen Gegenwart fragt. „Der Kontinent ohne Eigenschaften“ werde durch Palliativformulierungen nur künstlich am Leben erhalten, gerne durch die Ersatzformulierung vom „Westen“ oder den „westlichen Werten“. Europa versuche aber lediglich, sich aufzurappeln, durch Bekenntnisse zur EU oder zur Nato und dadurch, dass auch seine Kommissionen große Geldsummen auf die Tagesordnungen setzen, als lieferte der Wind vor Mikrofonen in Brüssel schon Lösungen.
Doch „die Inszenierungsmacht liegt auf der anderen Seite des Atlantiks“, schreibt Sloterdijk – und macht den Sack zu. Auch Russland habe gegenüber Europa strategische Vorteile, da das schwache Europa „keine Führung mit hegemonialem Profil erzeugen“ könne. Die Erinnerung an Mario Draghis Effekte kann uns endgültig nicht mehr nützen. In seinem Bericht zur Lage der europäischen Wirtschaft hat auch Draghi sich von großen Hoffnungen verabschiedet: „Slow Agony“ hat er den Europäern in die Wirtschaftsbücher geschrieben. Das hört sich ehrlicher an, zumal Draghi nie ein Mann für Mikrofone war. Man weiß, dass er vielmehr ein Bewunderer von Ignatius von Loyola ist. Der hat einmal geschrieben: „In einer belagerten Festung ist Uneinigkeit Verrat.“
Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein entspanntes Wochenende!
In meinem Buch Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren bin ich auch auf die Merkwürdigkeit des alkoholischen Trinkens von Autoren eingegangen. Warum also trinken Autoren während der Arbeitsprozesse an ihren Schreibprojekten häufig und viel – etwa im Gegensatz zu Musikern, Architekten, Fotografen oder Künstlern?
Ich habe dieses Trinken durch die besonderen Formate des Tagträumens erklärt, das Autoren ihre Texte fantasieren und durchspielen lässt. Das Tagträumen zu steigern und auszudehnen, könnte eine Aufgabe des beflügelnden Alkohols sein. Die aber dann versagt, wenn es um das eigentliche Schreiben geht. Niemand schreibt unter dem Einfluss von reichlich Alkohol etwas Gescheites, wohl aber sinniert man mit Hilfe des Alkohols an Bruchstücken eines in Bewegung geratenen Fantasierens.
Johanna Ott hat nun ein Buch übersetzt, in dem ein amerikanisches Autorenkollektiv (Apollo Publishers, New York) die Frage noch genauer stellt (und auf Autorinnen ausdehnt) – und zwar nicht darauf, warum jemand trinkt, sondern darauf, was getrunken wird: „Trinken wie ein Dichter. 99 Drinks mit Jane Austen, Ernest Hemingway & Co.“
Die genauere Fragestellung schließt auch die Stunden und Gelegenheiten des Trinkens sowie die Orte mit ein, an denen das besonders gut gelingt. So verfolgen wir Simone de Beauvoir in die Rue Montparnasse zum Trinken von Aprikosencocktails oder Friedrich Dürrenmatt beim exzessiven Trinken von Château Margaux.
Charles Bukowski schüttete etwas Bourbon in ein Schnapsglas und füllte ein Pint-Glas mit Light-Bier. Den Vorgang wiederholte er, sooft es eben nötig war. Bei Goethe geht es noch einfacher zu, es reicht ein Glas (oder mehr) fränkischer Wein (Würzburger Stein) oder ein Johannisberger aus dem Rheingau, den wir selbst ebenfalls gerne vor Ort genießen.
Das Buch versorgt uns auch mit der nötigen Ausstattung (Barlöffel, Stößel, Zitronenpresse u.a.) sowie den nötigen Vorräten (Aperol, Bourbon, Campari u.a.). Im Anhang befriedigt eine ausführliche Bibliographie auch unseren Wissensdurst, beginnend mit Adams, Jad.: Hideous Absinthe. A History oft heDevil in the Bottle. Na denn – zum Wohlsein!
Der große Peter Bichsel (1935-2025), der die kleinen Formen des Erzählens und Berichtens meisterhaft beherrschte und kultivierte, ist gestorben. Ich verdanke ihm die Freude an Details, Unauffälligem, Hintergründigem, abseits von großen Romanen, in der Stille einer starken Umgebung.
Ich empfehle die Lektüre seiner Frankfurter Poetik-Vorlesungen:
Am kommenden Mittwoch, 19.3.2025, lese ich im Freiburger Literaturhaus um 19.30 Uhr aus meinem Buch Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren und unterhalte mich darüber mit dem Schriftsteller Kevin Kuhn.