Sommerklausur

Mein Patenkind (in gymnasialem Unterricht, Mittelstufe) fragt: Sag mal, wie sieht Deine Sommerklausur eigentlich aus? – Ganz einfach, antworte ich, ich zähle mal auf, was in meinem Fall alles dazu gehört. – Leg los, sagt mein Patenkind…

  • Frühes Aufstehen, gegen sechs Uhr (Puh…, sagt mein Patenkind)
  • Als erstes ein starker Cappuccino, mit einem doppelten Espresso und guter, aufgeschäumter Milch. (Man sagt nicht „gut“, sondern „fair“, sagt mein Patenkind…)
  • Lautenmusik im Arbeitszimmer, nicht zu laut, eher ein Flüstern. Musik von Robert de Visée (Wer ist das? – Robert de Visée war der Hofgitarrist Ludwig XIV., er hat ihm jeden Abend etwas vorgespielt. – Ist das nicht ziemlich öde? – Nein, es ist genau die richtige emotionale Mischung, fad und belebend zugleich.)
  • Sich Warmschreiben: Chronik oder Tagebuch oder eine Kolumne oder einen Artikel, höchstens zwei Seiten (Wann schreibst Du was? – Kann ich Dir jetzt nicht erklären, ist zu kompliziert. – Dann aber mal später…)
  • Lektüre der am Vortag geschriebenen Seiten des neuen Romans, an dem ich arbeite. (Wozu denn das? – Um wieder in den Text hinein zu finden und einige Stellen zu korrigieren. – Korrigierst Du viel? – Während jeder Lektüre, jedes Mal…)
  • Sich in den neuen Text stürzen, für mehrere Stunden…(Ununterbrochen? – Ja, möglichst ohne jede Ablenkung.)
  • Keine Begleitmusik, keine Begleittexte, gar nichts, nur die Konzentration auf den eigenen, neuen Text (Ich würde nebenbei etwas Musik hören. – Nein, auf keinen Fall. – Hast Du nicht mal gesagt, dass Du viel Scarlatti hörst? – Ja, stimmt. Aber erst, wenn ich mit dem Schreiben aufhöre.)
  • Aufstehen und den Raum mit Scarlatti beschallen. (Nicht zu laut, eher ein Flüstern, stimmt’s?, sagt mein Patenkind. – Mach keine Witze!)
  • Etwas essen. Keine lange Mittagsmahlzeit, sondern: Salat, Obst, Nüsse, Joghurt. (Ich mag Bircher Müsli, sagt mein Patenkind. Allerdings nicht mittags, sondern am Morgen. – In meinem Fall ist am Mittag noch Morgen.)
  • Viel Mineralwasser mit einem Schuss Sirup. (Was für ein Sirup? – Zitrone oder Schwarze Johannisbeere. – Das trinke ich auch gern, aber schon am Morgen, nicht erst am Mittag. – Der Mittag beendet den Morgen… – Ist ja gut. Gehst Du auch mal raus?)
  • Das Haus verlassen, ein Spaziergang. Zwei, drei Wege stehen zur Auswahl, ich gehe immer dieselben. Ich beobachte wenig, ich gehe vor mich hin. (Gehst Du immer allein? – Ja, am Mittag immer allein. – Wie langweilig! – Stimmt, sehr langweilig. Ich führe das gerade Geschriebene mit mir herum, ich koche es ein und überlege, wie es weitergehen könnte… – Du denkst ja immer dasselbe. – Ja, immer dasselbe, jedenfalls bis zum späten Mittag.)
  • Zurück ins Haus. Etwa dreißig Minuten Rückenlage auf einer bequemen Liege. (Liest Du die Zeitung oder ein Buch? – Nein, ich liege still auf dem Rücken und schließe die Augen. – Schläfst Du ein? – Nein, ich träume ein wenig, schlafe aber nicht ein. – Redest Du auch mal mit einem anderen Menschen? – Noch nicht. Später am Tag… – Ich hielte das nicht aus. – Ich habe es jahrzehntelang trainiert. – Und wie weiter? – Am Nachmittag kommen die Freuden. – Endlich wird es mal spannend. Erzähl. – Später. – Du tust so geheimnisvoll. – Ich tue nicht so. – Aha. Richtige Dichter haben übrigens Musen, habe ich neulich gelesen. – Stimmt. Manchmal liegt meine Muse frühmorgens direkt vor der Tür, kaum fünf Meter entfernt. Sie blickt mich an und regt sich nicht, wir schauen uns in die Augen… – und dann fange ich an. – Hast Du ein Foto? – Ja, habe ich, schau…)

Le Moissonnier öffnet wieder

Einhundertsiebzig Tage lang war das Restaurant Le Moissonnier (Krefelder Straße 25, 50670 Köln) geschlossen. Zum Glück aber nicht ganz. Denn Vincent Moissonnier und seine Helferinnen und Helfer erfanden einen Lieferservice, der in Deutschland wohl einmalig war.

Die erstaunlichen Daten all ihrer genialen Ideen hat er in dem letzten der vielen Videos zusammengestellt, die Stefan Vobis gedreht hat. Es waren Perlen der kulinarischen Animation, locker, entspannt, und so machten sie nichts anderes als Freude und Vorfreude auf jenen Tag, da die Türen des Restaurants sich wieder öffnen.

Am 1. September ist es soweit. Wir sind unterwegs!!

Woche 24 – Vincent Moissonnier

Gott und Corona

(Vor kurzem auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“)

Mein guter Freund Friedrich ist Arzt und in diesen Coronazeiten überbeansprucht. Wenn er überhaupt noch Zeit zum Lesen findet, interessieren ihn historische Darstellungen von Pandemien. Was haben die Menschen früher in ihrer noch viel größeren Hilflosigkeit dagegen getan? Und wie haben sie das Erlebte gedeutet und kommentiert?

Eher durch Zufall ist er auf Texte des barocken Predigers Abraham a Santa Clara gestoßen, der sich anlässlich der großen Pest in Wien 1679 selbst monatelang in Quarantäne begab und in der Isolation an seinem wortgewaltigen Werk Merck‘s Wienn! arbeitete. Darin las er den Menschen seiner Zeit die Leviten und stimmte mit wahren Donnerworten ein großes Memento mori an, das keine der damaligen Stände verschonte.

Warum sind die Prediger unserer heutigen christlichen Kirchen dagegen kaum vernehmbar? Warum zum Beispiel veröffentlicht Kardinal Woelki nicht einen großen Text, in dem er sich selbst und uns allen die weltweiten Katastrophen von Corona aus theologischer Perspektive zu deuten versucht? Das alles fragt sich mein Freund, der manchmal so verzweifelt ist, dass er seinen alten, durch die Jahrzehnte mühsam geretteten Kinderglauben nicht mehr mobilisieren kann.

Die Pandemie unserer Tage trifft auf Menschen, die kaum noch glaubensstark, sondern eher glaubensschwach sind. Anders als in früheren Notzeiten strömen sie nicht mehr in die Kirchen, um dort Trost und Hoffnung zu finden. Ganz im Gegenteil – sie entfernen sich angesichts der Pandemie sogar noch mehr als zuvor, da der alte Glaube nun ganz zu versagen scheint. Diejenigen aber, die überhaupt noch glauben, bedürfen einer Deutung des Geschehens, die gerade die grundsätzlichen Glaubensfragen nicht mit den bekannten Formeln zuredet.

Zentral wäre die Frage, wie und in welcher Form Gott an dem beteiligt ist, was wir momentan erleben. Ist die Pandemie etwa ein einziges, großes Strafgericht? Was wäre das dann aber für ein grausamer, schrecklicher Gott, wenn er so mit den Menschen verführe? Oder ist sie eine Prüfung, um unsere Lebensentwürfe dramatisch zu korrigieren? Oder ist Gott nur ein Zuschauer, der das Geschehen teilnahmslos aus der Ferne wahrnimmt, weil er sich seit den Tagen Jesu alle direkten Einwirkungen auf das irdische Leben versagt?

Wenn dem aber so wäre, warum beten wir dann? Nur, um uns selbst zu beruhigen? Jedes Gebet richtet sich an das große, unbekannte Gegenüber, in der Hoffnung, von ihm gehört zu werden. Reicht dieses Gehörtwerdenwollen, wenn der erhoffte Zuhörer gar keinen Einfluss auf unser Leben nimmt? Und was würde Jesus, der doch die menschlichen Leiden und ihre Überwindung in den Mittelpunkt seiner Lehren gestellt hat, uns raten?

Viele solcher Fragen beunruhigen meinen Freund, und er wird noch unruhiger, wenn die meisten anderen Freunde abwinken. Gott, Jesus und ihr mögliches Wirken in dieser Welt beschäftigen sie nicht. Sie vertrauen den Stimmen der Virologen, und sie verfolgen genau, wie deren Prophetien sich in Politik verwandeln. Am Ende und unter dem Strich müssen Ergebnisse stehen. Wieviel kostet uns das? Und welcher Kanzlerkandidat kümmert sich am besten um unsere Zukunft? Ans große Sterben und ein Memento mori wird erst gar nicht gedacht. Die Gegenvision von gelingendem Leben besteht aus Ideen vom heiteren Urlaub. Angeblich haben ihn viele einmal für die schönste Zeit des Jahres gehalten. Na denn.

Die Zauberworte im Ristorante Luciano in Köln

Inzwischen haben bereits viele Leserinnen und Leser dieses Blogs auf meine Empfehlung hin (alles Weitere im Blogeintrag vom 24.07.2020) das Ristorante Luciano in Köln (Marzellenstraße 68-70, Tel. 0221 – 135453) besucht und dort zu Mittag oder zu Abend gegessen. In meinem Buch Italienische Momente habe ich ihm einen Epilog gewidmet, der von den vielen Erinnerungen und guten Augenblicken erzählt, die ich in diesem Restaurant schon erlebt habe.

Da ich Luciano in den schweren Coronazeiten weiter unterstützen möchte, aktualisiere (und vereinfache) ich mein Angebot. Wer dort eine Mahlzeit zu sich nimmt und die Zauberworte Ich komme auf Empfehlung von Hanns-Josef Ortheil flüstert, kann sich ein von mir signiertes, gebundenes Geschenkbuch aussuchen. Entweder 1) Rom. Eine Ekstase oder 2) Venedig. Eine Verführung. Die Bücher liegen nun im Restaurant für Sie bereit und werden Ihnen sofort übergeben!!

Rufen Sie also bitte bei Luciano an, reservieren Sie einen Tisch draußen im Freien auf der Terrasse und freuen Sie sich auf eine wunderbare Mahlzeit und ein Geschenkbuch!

 

Musik, die ich gerade höre

Wilhelm, junger Pianist im Studium an der Musikhochschule Köln (mit dem ich bald Franz Schuberts Fantasie in f-moll zu vier Händen, D 940 einüben möchte), hat mich nach Musik-Neuerscheinungen gefragt, die ich momentan laufend und immer wieder höre. Nicht die spektakulären, bekannten Sachen, sondern eher seltener Gehörtes („am Wegrand“).

Hier einige Vorschläge…:

  • Lucas Debargue: Scarlatti: 52 Sonatas
  • Martin Stadtfeld: Händel Variations
  • Benjamin Moussay: Promontoire
  • Nicolai Lugansky: César Franck: Préludes, Fugues & Chorals
  • Dorothee Oberlinger & I Sonatori de la Gioiosa Marca: Night Music
  • Alexandre Tharaud & Jean-Guihen Queyras: Complices
  • Alexandra Matvievskaya: Fauré: Ballade, Thème et variations & 4 Nocturnes
  • Thomas Adès: Janáček: Solo Piano
  • Abdullah Ibrahim: Dream Time
  • Elisaveta Blumina: Silvestrov: Piano Musik

Ausstellungen Sommer/Herbst 2020

Carla, Promovendin an der Kunsthochschule für Medien Köln (ich kenne sie noch aus den schönen Tagen, als ich dort legendäre Vorlesungen über „Geschichte und Praxis des Literarischen Schreibens“ gehalten habe), reist in diesen Semesterferien nicht ins Ausland, sondern tourt durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sie schaut sich Ausstellungen in Museen und Galerien an und hat mich gebeten, ihr einige Tipps zu geben. Keine spektakulären Sachen, sondern eher kleinere Ausstellungen („am Wegrand“), die ich mir ansehen würde, wenn ich momentan dazu Zeit hätte.

  • Berlin: Deutsches Historisches Museum: Hannah Arendt (bis 06.01.2021)/ Gropius Bau: Down to Earth (bis 13.09.)
  • Bonn: Bundeskunsthalle: Doppelleben. Bildende Künstler*innen machen Musik (bis 18.10)
  • Braunschweig: Städtisches Museum: Im Licht der Medici. Kunst des Barocks aus Florenz (bis 27.09.)
  • Bremen: Kunsthalle: Am Anfang war die Zeichnung (bis 6.9.)
  • Davos: Kirchner Museum: Die Skizzenbücher Kirchners (bis 8.11.)
  • Düsseldorf: Kunstpalast: Verrückt nach Angelika Kauffmann (bis 20.9.)
  • Dresden: Hygiene Museum: Future Food. Essen für die Welt von morgen (bis 21.02.2021)
  • Halberstadt: Gleimhaus: Gesundheitswünsche aus dem Gleimkreis (bis 11.10.)
  • Halle (Saale): Kunstmuseum Moritzburg: Karl Lagerfeld. Fotos (bis 6.1.2021)
  • Hamburg: Bucerius Kunst Forum: David Hockney. Die Tate zu Gast (bis 13.9.)
  • Köln: Stadtmuseum: 50 Johr Bläck Föös (bis 27.9.)/Museum Schnütgen: Arnt der Bilderschneider (bis 20.9.)
  • Lübeck: Günter Grass-Haus: Günter Grass. Mein Fußballjahrhundert (bis 30.8.)
  • Mainz: Landesmuseum: Der Strich der Liebhaber (bis Ende 2020)
  • München: Pinakothek der Moderne: August Sander. Sardinien 1927 (bis 8.11.)/Alte Pinakothek: Raffael 1520-2020 (bis 8.11.)
  • Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum: Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies (bis 4.10.)
  • Ravensburg: Sophie Calle (bis 27.9.)
  • Wien: Albertina: Wilhelm Leibl (bis 1.11.)
  • Wiesbaden: Museum Wiesbaden: Bibliothek der Bäume (bis 1.11.2020)

Danksagung und Informationen

All jenen Leserinnen und Lesern, die ihre Freude an der Lektüre meiner Blogtexte auch durch eine finanzielle Zuwendung zum Ausdruck gebracht haben, danke ich sehr! Sie haben damit aktiv die Instandhaltung und Weiterführung der SALA ORTHEIL in Wissen/Sieg, in der ich coronabedingt zur Zeit keine Besucher und Gäste empfangen kann, unterstützt.

Leider kann auch das für den 29.09.2020 (im Kulturwerk von Wissen/Sieg) geplante „Gespräch über den Norden“ zwischen der Schriftstellerin Mariana Leky und mir nicht stattfinden. Es wird auf das kommende Jahr 2021 verschoben.

Bei meiner Lesung aus dem Hemingway-Roman „Der von den Löwen träumte“ am 18. Oktober 2020, 18 Uhr, im Kulturwerk von Wissen/Sieg bleibt es jedoch. (Die für 16.30 Uhr in der SALA ORTHEIL geplante „Einführung“ in den Abend allerdings muss leider ausfallen.)

Bloggerferien 2020 Zweiter Teil

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, seit gestern bin ich aus dem ersten Teil meiner Bloggerferien zurück.

Heute beginnt der zweite Teil in Gestalt einer Sommerklausur, in deren Verlauf ich mit der Fertigstellung eines Romanmanuskripts beginnen werde, das im kommenden Jahr erscheinen soll.

Während einer so fokussierten und zeitintensiven Arbeit werde ich nicht täglich Texte und Aufzeichnungen in den Blog stellen können – wohl aber in unregelmäßiger Folge.

Vor allem werde ich aber keine der vielen Mails lesen können, die mich laufend erreichen. Die eingehenden Mails werden daher nicht gelesen und (wegen der zu erwartenden Überlastung des Mail-Accounts) bis auf Weiteres gelöscht. Ich bitte sehr um Verständnis.

Bloggerferien

Seit März 2020 habe ich täglich einen Text in den Blog gestellt – und das nicht zuletzt deshalb, um vielen Leserinnen und Lesern die nicht eben leicht zu bewältigenden Coronazeiten etwas erträglicher zu gestalten.

Jetzt sind aber auch für mich Bloggerferien angebrochen. Für einige Zeit werde ich keine neuen Texte mehr veröffentlichen und stattdessen in die Stille abtauchen.

Vielleicht wollen manche Leserinnen und Leser währenddessen die (erhebliche) Arbeit an diesem Blog auch finanziell unterstützen und damit nicht zuletzt ihre Dankbarkeit beweisen. (Schon im Blogeintrag vom 16.07.2020 hatte ich eine solche Empfehlung ausgesprochen.)

Ich erneuere sie zum Ferienbeginn und bitte um die Überweisung eines Euro-Betrags Ihrer Wahl auf mein Konto bei der Commerzbank Wissen:

IBAN DE34 4604 0033 0368 1574 00

BIC COBADEFFXXX

Geben Sie bitte als Verwendungszweck „Sala Ortheil“ an, denn mit Ihrem Geldbetrag unterstützen Sie meine Arbeit in der SALA Ortheil, die sich in meinem westerwäldischen Heimatort Wissen/Sieg befindet und der Präsentation meiner literarischen Arbeiten dient (siehe die Blogeinträge vom 18. Oktober 2019 und vom 10. November 2019).

Ich wünsche Ihnen allen eine erholsame Zeit!

Eine Mahlzeit bei Luciano in Köln im August 2020

Inzwischen haben bereits einige Leserinnen und Leser dieses Blogs auf meine Empfehlung  hin (siehe den vorgestrigen Blogeintrag vom 24.07.2020) im Ristorante Luciano in Köln zu Mittag oder zu Abend gegessen. Vielen Dank!!

Leider wusste ich nicht, dass Luciano ab heute für zwei Wochen Betriebsferien macht (bis zum 6.8.2020). Am 7.8.2020 hat das Ristorante wieder geöffnet! Meine Empfehlung (und mein Geschenkangebot) verlängere ich daher – in den August hinein!