Das Dona nobis pacem beschließt die h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach:
Das Dona nobis pacem beschließt die h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach:
Pauline de Bok ist eine niederländische Schriftstellerin, die in Amsterdam und in Mecklenburg auf dem Land lebt. Dort kümmert sie sich seit zwanzig Jahren um den Biotop eines früheren Kuhstalls samt seiner Umgebung.
Ihre „Kunst, die Natur zu belauschen“ ist jedoch keine passive Versenkung in ländlich-idyllische Details, sondern eine aktiv betriebene Teilnahme am Leben der Tiere in ihrer Umgebung. Alle, die sich melden und zeigen, betreut sie im Kreislauf der Jahreszeiten, ortet ihre Signale, beobachtet ihr Verhalten, feuert sie an und begleitet sie bei ihren Versuchen, die Umgebung zu nutzen und zu gestalten.
Das wird mit viel Empathie und einer zurückhaltenden Klugheit so genau erzählt, dass man die Szenen genau vor sich sieht und eine detaillierte Vorstellung davon erhält, was es bedeutet, in einem kleinen Kosmos unter anderen, fremden Lebewesen ein ganz eigenes Leben zu führen.
Pünktlich zum Frühlingsbeginn veröffentlicht der Reclam-Verlag ein bisher relativ unbekannt gebliebenes Buch eines römischen Autors aus dem 3. Jahrhundert: Gargilius: Gesundheit aus dem Garten. UB 14251. Lateinisch/Deutsch. Hrsg. und übersetzt von Kai Brodersen. Darin stellt der Autor Listen mit Heilmitteln zusammen, die aus Gemüse und Obst hergestellt werden.
Das jeweilige Anwendungsspektrum ist dabei recht breit. Rettichsamen, mit etwas Honig eingenommen, lindert nicht nur Husten, sondern stimuliert (mit etwas Salz) auch das sexuelle Verlangen. Wassermelone ist ein Allheilmittel, es lockert nicht nur den Magen, sondern beruhigt generell. Pistazien sind sehr wohltuend, wenn man sie klein schneidet und vor dem Genuss in Wein einlegt. Und wer kaum noch Appetit hat, dem kann Quittensaft helfen, zwei oder drei Stunden vor einer Mahlzeit verabreicht.
Im Anhang gleicht der Medizinhistoriker Robert Jütte die antiken, von Gargilius fixierten Erfahrungen mit Erkenntnissen der modernen Forschung ab. In vielen Fällen ist die Wirkung bestimmter Gemüse und Obstsorten längst wissenschaftlich erwiesen. Porree zum Beispiel wirkt geradezu sensationell, antibakteriell, entzündungshemmend und reinigt, mit Honig zerkleindert, sogar Geschwüre!
Das sind ermunternde Hinweise, die den Blick in den eigenen Garten noch einmal neu sensibilieren. Hey, sagt der therapeutisch geschulte Gärtner zu den ergrünenden Gestalten in seinen Beeten: Was habt Ihr so drauf? Was könnt Ihr mir bieten? Als Minimum puren Genuss, im Extremfall vielleicht sogar ein längeres Leben.

Das neue Infektionsschutzgesetz könnte zu einer Zeit neuer Begegnungen führen. Dazu passt ein Buch von Charles Pépin, das gerade erschienen ist:
Charles Pépin: Kleine Philosophie der Begegnung. Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet. Carl Hanser Verlag 2022
Pépin ist Schriftsteller, unterrichtet Philosophie und lebt in Paris – so stellt der Verlag seinen Autor vor und deutet damit bereits einiges an.
Denn Paris ist d i e Stadt der schönen Begegnungen, die im Falle von Paris keine flüchtigen sind, sondern solche, die ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Solche Pariser Begegnungen mit anderen Menschen, Geschichten oder Büchern gehen unter die Haut und haben eine Tendenz zum Romanhaften.
Charles Pépin spielt viele von ihnen durch: Wodurch entstehen sie genau – und wie kann man sie verstehen und lesen? Seine Beispiele kommen aus dem alltäglichen Leben, aber auch aus Filmen oder Romanen, und da Charles Pépin wie gesagt Philosophie unterrichtet, tut er das ganz nebenbei auch in diesem Buch.
Keine Sorge, sein Unterricht ist durch und durch passioniert, man sitzt also eher mit ihm in einem Pariser Café und tauscht sich aus und gerät in ein gewisses Swinging des Denkens, „essayistisch“, wie es die Franzosen seit Jahrhunderten mögen. Und geht danach hinaus unter Menschen – und schon ist es wieder passiert…

Die Kompositionen des ukrainischen, 1937 in Kiew geborenen Komponisten Valentin Silvestrov werden gegenwärtig in aller Welt gespielt (so etwa das Gebet für die Ukraine).
Hier seine Bagatellen für Klavier, opus 1-5, gespielt von Peter Bannister:
Nur noch heute (19.03.2022) kann man meine Moderation der Sendung Klassik Forum auf WDR3 verfolgen. Ich spreche über Musikstücke, die ich zum großen Teil selbst gespielt habe – und ich bette sie in den Erlebniskontext des Übens und Nachdenkens ein.
Die Sendung ist zum ersten Mal am 5.3.2022 gelaufen – inzwischen haben sehr viele Hörerinnen und Hörer sie mit großer Begeisterung gehört. Daher empfehle ich sie noch einmal:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/klassik-forum/audio-wdr–klassik-forum-mit-hanns-josef-ortheil-100.html
In meinem Blogeintrag vom 11.02.2022 habe ich davon berichtet, dass viele Autorinnen und Autoren in einem offenen Brief gegen die Absage der Leipziger Buchmesse 2022 protestiert und dafür die großen Verlagskonzerne verantwortlich gemacht haben.
Inzwischen hat sich zum Glück einiges getan. Über sechzig Verlage präsentieren auf der buchmesse_popup von heute, 18.3.2022, bis Sonntag, 20.3.2022, ihre Neuerscheinungen!
Welche Autorinnen und Autoren werden erwartet? Um welche Bücher geht es? Wie sieht das genaue Veranstaltungsprogramm aus? Werden bestimmte Lesungen und Gespräche auch gestreamt? Wo und wie erhält man Tickets?
Hier sind all diese notwendigen Informationen abrufbar:
www.buchmesse-popup.de
Mary Ruefle soll in den USA, wie ich erst seit kurzem weiß, eine sehr bekannte Lyrikerin und Essayistin sein. Bei uns gab es lange Zeit keine Texte von ihr in deutscher Übersetzung zu lesen, jetzt aber hat der Suhrkamp-Verlag einen vorsichtigen Anfang (mit einer Übersetzung von Esther Kinsky) gemacht.
Mein Privatbesitz ist eine Sammlung von über vierzig kurzen Prosa-Inseln, deren Titel ganz wörtlich zu verstehen ist. Denn es geht wirklich um Dinge oder Gefühlszustände in einer sehr privaten und intimen Form des Besitzens und Aufbewahrens.
Sie gehören zu der einen Person, die von ihnen erzählt, und man gerät, wenn man diese hoch suggestiven Texte liest, in ein unaufhörliches Träumen und Schlingern, als wollten sie einen in eine andere Welt hinüberlocken: Dorthin, wo einen die eigenen Schlüssel merkwürdig anstarren oder wo es viele Nuancen von Traurigkeit gibt, eine blaue, rote, grüne und naturgemäß solche, die man selbst frei hinzuerfinden kann.
Man liest sich trunken an diesen Texten und verwandelt sich dabei in eine Figur, die ferne Sätze verknüpft, als webte sie an einem Teppich, auf dem sie endlich davonfliegt.
Mary Ruefle: Mein Privatbesitz. Aus dem Englischen von Esther Kinsky. Suhrkamp Verlag 2022
Durch die gestrige Ukraine-Veranstaltung im Stuttgarter Literaturhaus bin ich wieder auf die Schriftstellerin Tanja Maljartschuk aufmerksam geworden, an deren Lesung während des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt im Jahr 2018 ich mich erinnerte.
Damals gewann sie mit der Erzählung Frösche im Meer den Hauptpreis, ein halbes Jahr später veröffentlichte sie den Roman Blauwal der Erinnerung (Kiepenheuer & Witsch), der eine historische Gestalt der ukrainischen Geschichte zum Mit-Protagonisten macht.
Die Lektüre eines solchen Romans könnte helfen, vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten tiefergehend in die Vergangenheit einzutauchen.
Während der Leipziger Buchmesse 2019 erläuterte Tanja Malhartschuk, wie es zu diesem Roman gekommen war:
https://www.youtube.com/watch?v=GnnoKdqfNoE
Stefanie Stegmann, die Leiterin des Stuttgarter Literaturhauses, hat während ihres Studiums zwei Jahre als DAAD-Stipendiatin in Czernowitz verbracht. Aus dieser Zeit kennt sie viele ukrainische Autorinnen und Autoren, auch danach hat sie sich weiter intensiv mit den Themen und Problemen des Landes beschäftigt.
Daher hat sie bei Kriegsbeginn sofort gehandelt und versucht, Gäste aus der Ukraine und aus Deutschland zu einem Abend der Gespräche und Lesungen einzuladen. Morgen, am 14. März 2022, kann man diesen Abend ab 19 Uhr live vor Ort, aber natürlich auch per Livestream verfolgen, beides kostenlos.
Hier findet man die weiteren Informationen zur Dreigliederung des Abends (Einordnen/ Schreiben/ Handeln). Ich empfehle allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs, in welcher Form auch immer daran teilzunehmen:
https://www.literaturhaus-stuttgart.de/event/ukraine-im-krieg-5215.html