In der Süddeutschen Zeitung von heute (02.08.2019) ist eine Rezension meines Romans Wie ich Klavierspielen lernte von Jörg Magenau erschienen. Sehr, sehr lesenswert!!
Ortheils SommerReiseBücher

Hier folgt eine Auswahl meiner Bücher, die einen während des Sommers,
in den Ferien, im sog. Urlaub, an ausgewählten Orten und Städten,
begleiten könnten …
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Hanns-Josef Ortheil: Mein Sommer. Lesebuch. DuMont 2012
Hanns-Josef Ortheil: Die weißen Inseln der Zeit. Essays. btb 2015
Hanns-Josef Ortheil: Was ich liebe – und was nicht. btb 2019
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Hanns-Josef Ortheil: Die Berlinreise. btb 2015
Hanns-Josef Ortheil: Die Insel der Dolci. In den süßen Paradiesen Siziliens. btb 2015
Hanns-Josef Ortheil: Die Mittelmeerreise. Luchterhand 2018
Hanns-Josef Ortheil: Die Moselreise. btb 2012
Hanns-Josef Ortheil: Paris, links der Seine. Insel 2017
Hanns-Josef Ortheil: Die Pariser Abende des Roland Barthes. DVB 2017
Hanns-Josef Ortheil: Rom. Eine Ekstase. Insel 2011
Hanns-Josef Ortheil: Rom, Villa Massimo. btb 2017
Hanns-Josef Ortheil: Venedig. Eine Verführung. Insel 2016
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Henry James: In Venedig. Begleitet von Hanns-Josef Ortheil. DVB 2016
Alessandra de Respinis: Cicchettario. Die legendären Rezepte des Al Bottegon in Venedig. Mit einem Nachwort von Hanns-Josef Ortheil. DVB

Der von den Löwen träumte
Gestern (Sonntag, den 28. Juli 2019) habe ich um 16.27 Uhr die Arbeit an meinem Roman Der von den Löwen träumte beendet. Er spielt in den Jahren von 1948 bis 1952 und erzählt von Ernest Hemingways Aufenthalten in Venedig und der venezianischen Lagune, wo er nach zehnjähriger Schreibblockade wieder zum Romanschreiben zurückzufinden hoffte.
Die Bildcollage zeigt 1) die Anlegestelle des Fährboots (Traghetto), das Hemingway fast täglich benutzte, wenn er sich von seinen Spaziergängen zurück zum Hotel Gritti fahren ließ. Daneben (2 und 3) ist die Locanda Cipriani auf der Laguneninsel Torcello von außen und innen zu sehen. Hemingway wohnte dort längere Zeit allein und konzentrierte sich auf das Schreiben eines Venedigromans.
Die Premierenlesung von Der von den Löwen träumte findet im Rahmen der lit.Cologne Spezial 2019 am 17. Oktober 2019 um 18 Uhr im WDR Funkhaus, Klaus-von-Bismarck-Saal, Wallrafplatz, in Köln statt. Der Vorverkauf für diese Veranstaltung startet am 3. September 2019.

Sommerlektüren 2019
Welche neuen Bücher ich in diesem Sommer (u.a.) lese
Amslinger, Tobias: Verlagsautorschaft. Enzensberger und Suhrkamp. Wallstein 2019
Brandt, Jan: Ein Haus auf dem Land/ Eine Wohnung in der Stadt. DuMont 2019
Eco, Umberto: Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis. Übersetzt von Burkhart Kroeber, Martina Kempter und Barbara Kleiner. Hanser 2019
Ellis, Bret Easton: Weiß. Essays. Übersetzt von Ingo Herzke. Kiepenheuer & Witsch 2019
Englert, Klaus: Wie wir wohnen werden. Die Entwicklung der Wohnung und die Architektur von morgen. Reclam 2019
Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Vierter Band: Die Geständnisse des Fleisches. Übersetzt von Andrea Hemminger. Suhrkamp 2019
Franzen, Jonathan: Das Ende vom Ende der Welt. Essays. Übersetzt von Bettina Abarbanell und Wieland Freund. Rowohlt 2019
Gauß, Karl-Markus: Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer. Zsolnay 2019
Gerhardt, Volker: Humanität. Über den Geist der Menschheit. Verlag C.H. Beck 2019
Hagner, Michael: Die Lust am Buch. Insel 2019
Hustvedt, Siri: Damals. Roman. Übersetzt von Uli Aumüller und Grete Osterwald. Rowohlt 2019
Kogel, Jörg-Dieter: Im Land der Träume. Mit Sigmund Freud in Italien. Aufbau Verlag 2019
Meuser, Paul: Architekturführer Mond. DOM publishers 2019
Mrozek, Bodo: Jugend – Pop – Kultur. Suhrkamp 2019
Oskamp, Katja: Marzahn, mon amour. Geschichten einer Fußpflegerin. Hanser Berlin 2019
Rooney, Sally: Gespräche mit Freunden. Roman. Übersetzt von Zoë Beck. Luchterhand 2019
Scharnowski, Susanne: Heimat. Geschichte eines Missverständnisses. WBG 2019
Schuldt: Hamburgische Schule des Lebens und der Arbeit. Berenberg 2019
Slimani, Leïla: All das zu verlieren. Roman. Luchterhand 2019
Smith, Patti: Hingabe. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Kiepenheuer & Witsch 2019
Smith, Zadie: Freiheiten. Essays. Übersetzt von Tanja Handels. Kiepenheuer & Witsch 2019
Solnit, Rebecca: Wanderlust. Eine Geschichte des Gehens. Übersetzt von Daniel Fastner. Matthes & Seitz 2019
Stiegler, Bernd: Nadar. Bilder der Moderne. Koenig Books 2019
Yos, Roman: Der junge Habermas. Suhrkamp 2019

Urlaub in Italien
(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)
Diesmal sehen unsere italienischen Ferien anders aus als früher. Seit wir tausend Euro zahlen müssen, wenn wir unsere Campingkocher auf der Rialto-Brücke in Venedig aufbauen, sind wir auf der Hut. Als Römer verkleidet dürfen wir auch nicht mehr durch die Ewige Stadt laufen, geschweige denn, dass es erlaubt wäre, unser abendliches Bad im Trevi-Brunnen zu nehmen.
Überall lauern plötzlich Verbote und Gesetze, und die Auftritte der deutschen Kapitänin im Süden des Landes haben alles nur noch verschärft. Wir sprechen unser geliebtes Deutsch viel leiser als früher und geben unsere Bestellungen anhand eines Pocket Translators auf, der immer eine astrein richtige Aussprache hat. Bei offiziellen Führungen in Museen und Galerien mischen wir uns unauffällig unter die niederländischen oder britischen Touristen, deren Landesfarben wir auf unseren T-Shirts tragen.
Shorts in so heiligen Hallen wie denen von Harry’s Bar in Venedig sind verboten, wir wissen es jetzt, auch wenn Stammgast Hemingway dort in Shorts und Sandalen erschien. Hemingway durfte alles, denn er bestellte zu jeder Tageszeit die richtigen Drinks, während wir lange nicht gerafft hatten, dass man in Italien keinen Cappuccino nach einer Mahlzeit trinkt. Cappuccino! Nach dem Dessert! Würden wir das heutzutage bestellen, würden wir aus dem Ristorante verwiesen, oder man würde uns die milchige Brühe wie aus Versehen über unsere käseweißen Zehen kippen.
Bestellen wir einen Aperol Spritz (grundsätzlich übrigens eine einfallslose Idee), sollten wir wissen, welche Bestandteile wir wünschen: Prosecco? Wein? Wie viele Anteile Mineralwasser? Geschüttelt oder gerührt? Auf solche Nachfragen müssen wir gefasst sein und einkalkulieren, dass ein „Ich verstehe kein Wort“ („Non capito, ähm, niente…“) uns aus dem Kreis der zivilisierten Menschheit ausschließt.
Unauffällig zu sein, ist die neue Devise. Und so gewöhnen wir uns allerhand ab, wie zum Beispiel allzu langes Schwimmen im Meer. Der Italiener schwimmt nämlich dort nicht, sondern nimmt nur ein Bad, und ein solches reicht höchstens hinauf bis zu den Knien. Mobil telefonieren sollten wir auch nur im Notfall, jedes etwas lautere Wort verrät uns und lässt uns die abweisenden Blicke der Einheimischen spüren. „Tourist go home!“ steht derzeit an fast jeder venezianischen Mauer. Wir haben verstanden und lassen unsere Strohhüte zu Hause, und wenn wir vor dem Markusdom ein Selfie schießen, knien wir vor den Tauben nieder und flüstern: „Un piccolo momento, ähm, per favore …“

Aktives Venedig

Heute erzählen unsere Venedig – Korrespondenten vom großen Redentore-Stadtfest, bei dem die Bewohner der Stadt des Endes der Pest im Jahre 1577 gedenken. Für zwei Tage führt eine Brücke von den Zattere hinüber zur Insel Giudecca und zur Kirche Il Redentore, einem Bau, der damals unter der Leitung des Architekten Andrea Palladio entstand.
Aktiv unterwegs sind auch die Venetisti, die eine Botschaft ihres gewählten Dogen an die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an viele Häuserwände geklebt haben. Darin gratulieren sie ihr zu der Wahl, beklagen die nun seit 222 Jahren andauernde Besetzung Venedigs durch Franzosen, Habsburger, diverse germanische und italienische Stämme und fordern ein freies, unabhängiges, großes Europa, an dem sich die alte Republik Venedig wieder mit Freude beteiligen würde.

SPIEGEL-Gespräch

In der heutigen, neuen Nummer des SPIEGEL (Nr. 30/20.07.2019) findet man ein SPIEGEL-Gespräch des SPIEGEL-Redakteurs Martin Doerry mit dem Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil über sein Buch Wie ich Klavierspielen lernte (Insel-Verlag) und dessen Hintergründe …
Lesen im Freien
(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)
„Aura“ ist ein sehr schönes Wort. Es kommt, wie der „Duden“ meldet, aus dem Griechischen und dem Lateinischen und meint einen Lufthauch, ein Wehen, einen Schimmer oder auch einen Duft oder Dunst. Spüren wir eine solche Aura, fühlen wir uns von etwas angeweht, erhellt oder sogar ergriffen, ohne dass wir es zunächst klar benennen oder fixieren könnten.
Vor kurzem schenkte mir ein Freund die Neuauflage eines Bandes mit Schwarz-weiß-Fotografien des berühmten ungarischen Fotografen André Kertész (1894-1985). Es waren Fotografien lesender Menschen, weswegen Kertész den Band On reading genannt hatte. Die Fotos zeigten nämlich keine Porträts, sondern umkreisten, wie der Titel exakt ankündigte, vor allem den Vorgang des Lesens.
Die meisten Lesenden befanden sich dabei im Freien, sie hatten sich einen bestimmten Ort (oder ein „Plätzchen“) gesucht und es meist auch rasch gefunden. Ein Stuhl mitten auf einem Bürgersteig, eine Liegewiese, eine Kaimauer an einem Fluss, stark belaubten Erdboden mitten in einem Wald, eine Treppe, eine Parkbank – das waren typische Räume für das Verweilen und die angeregte Lektüre.
All diese Menschen, fiel mir auf, schienen eine bestimmte Aura des Lesens zu spüren. Sie waren in einen Text vertieft und erlebten seine auratische Wirkung. Dadurch strahlte er etwas aus, erhellte die Umgebung und ging mit ihr eine atmosphärisch dichte Verbindung ein. Gelang das, hatte die Lektüre in der Erinnerung später etwas von einem Traum und spielte auf zwei Ebenen: denen des Textes und denen des Raums, in dem das Lesen stattfand.
Jetzt, im Sommer, ist die große Zeit des Lesens im Freien, und wer in unseren Städten unterwegs ist, sieht sie zum Glück überall: Die Auratiker, meist allein, mit einem Buch unterwegs, dem sie „alle Zeit der Welt“ schenken, um irgendwann wieder aus ihm emporzutauchen und aufzuwachen. Ein Duft, ein Dunst? Ja, da war doch etwas und ist geblieben, bis man wieder und wieder danach verlangt und eine bestimmte Aura spürt und gar nicht genug davon bekommen kann.

Sommerpause
So, nun geht auch dieser Blog für einige Zeit in die verdiente Sommerpause, weil ich in der nächsten Zeit nicht immer einen Internetzugang habe. Dann und wann werde ich mich melden, allerdings nicht mehr so regelmäßig wie gewohnt. Nach den Ferien aber wird es so weitergehen wie bisher, versprochen!
Ich sage den Leserinnen und Lesern „Adieu“, indem ich sie bitte, zusammen mit mir jenes sommerlich-passende Lied zu hören (und vielleicht auch zu summen), das den gerade verstorbenen brasilianischen Musiker João Gilberto weltberühmt gemacht hat. Zusammen mit dem Saxofonisten Stan Getz und der Sängerin Astrud Gilberto hat er es in den sechziger Jahren eingespielt.
Es heißt Garota de Ipanema (The Girl from Ipanema) und besteht aus dem wehmütigen Singsang eines Mannes, der einem Mädchen hinterherschaut, das gerade die Straße zum Strand von Ipanema überquert. Dieses regungslose Schauen vertonen der Gesang und seine Begleitung, die das Geschehen im Rhythmus des Bossa nova auf unnachahmliche Art inszenieren: Ein leises Seufzen und Flüstern, ein Sich-Wegducken, hypnotisiert von der Bewegung der Schönen und von dem sich weit auftuenden Bild des Meeres …
Olha que coisa mais linda
Mais cheia de graça
É ela menina
Que vem e que passa
No doce balanço, a caminho do mar …
Landregen
Endlich wieder Landregen! Schon das Wort beruhigt und lässt einen durchatmen. Keine Helligkeit, kein Windesweben – sondern ein Regen, der sich der Erde so verhalten und tonlos annimmt, als wollte er ihr hingestrecktes Grün nur leicht befeuchten. Man sieht ihn gar nicht, so dezent bringt er sich ein, keine schweren Tropfen, sondern ein dauerhaft zwischen dem eintönig hellgrauen Himmel und der dürstenden Erde vermittelnder Schleier. Geht man nach draußen, ist er die pure Erfrischung. Einen Regenschirm zu benutzen, würde ihn kränken, er bestäubt den Kopf, mischt sich ins Haar und verdunstet sofort auf der Kopfhaut wie feines, geruchloses Wolkenparfüm. Auf den Blättern der Hortensien hinterlässt er ein Netz von kleinen Tropfen, die sich halten und klammern. Tagelang könnte es so weitergehen – und alle, die er berührt und beschwichtigt, wären für eine Weile einmal wieder zufrieden.
