In meinen Gärten und Wäldern – Fortsetzung

In meinen Wäldern laufen Baumfällarbeiten. Die schweren Forsttraktoren furchen mit ihren massiven Reifen ornamentale Spuren in die weichen Erdfluchten.

Baumstücke, Äste und Zweige werden zu diffus wirkenden Lagern gestapelt, die längeren Stämme an den Wegrändern geparkt.

Während der Waldgänge kreischen die Sägen auf, schneiden ins Baumfleisch, setzen erneut an, pausieren für Sekunden und liefern kurze, aufstöhnende Klangreprisen direkt nach dem donnernden Fall.

Ein Krachen, ein Beben – und die unheimliche Stille danach. Als wäre jemandem Schlimmes angetan worden und keine Hilfe mehr möglich.

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In meinen Gärten melden sich einige Frühblüher mit vorsichtigen Zeichen, als blieben sie noch auf den nächsten Winter- und Kälteeinbruch gefasst.

Die Winterlinge werden von ersten Bienenschwärmen umworben und strecken die Blütenblätter.

Die suchenden Blicke überfliegen das Gras und den schütteren Rasen, kaum noch Winter, aber der Vorfrühling hat seinen Auftritt verschoben und hält sich noch zurück.

Atmosphären des Karnevals – die  Februar-Buntheit wirkt künstlich und als steckte unter den Masken die Sprödheit der kalten Launen.

Von nahen Dingen und Menschen – Das neue Buch

Gestern lag das Vorabexemplar meines neuen Buches Von nahen Dingen und Menschen (Dumont Verlag, Köln) in meinem Briefkasten! Große Freude und Begeisterung – dazu einige Gläser  Winzersekt in der Runde der Freundinnen und Freunde!

Erste Informationen zum Buch findet man hier auf der Vorschauseite des Verlages:

Von nahen Dingen Vorschauseite

Am 13.2.2024 erscheint das Buch im Handel, hier schon einmal ein Vorausblick auf die ersten drei Lesungen:

  1. Am 18.2.2024, 11 Uhr, auf Schloss Merode bei Düren: Lesung Schloss Merode bei Düren 2024
  2. Am 20.2.2024, 19 Uhr, im Studio Dumont in Köln, Breite Straße 72, https://www.studio-dumont.de/tickets
  3. Am 27.02.2024, 19.30 Uhr, im Literaturhaus Stuttgart: https://literaturhaus-stuttgart.reservix.de/tickets-von-nahen-dingen-und-menschen-hanns-josef-ortheil-in-stuttgart-literaturhaus-stuttgart-am-27-2-2024/e2206549

Ich empfehle, die Karten möglichst bald zu reservieren, da die Veranstaltungen erfahrungsgemäß sehr gut besucht sind. Auf das Kommen vieler Leserinnen und Leser dieses Blogs freue mich!!

Linsen mit Saiten

 

Das frei arrangierte, anonyme Kunstwerk aus den frühen zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts (wohl aus dem schwäbischen Raum) lebt von der Einkesselung und Umarmung der in schönen braun- und orange-Tönen von drei Saiten umflochtenen, gehaltvoll und nahrhaft erscheinenden Linsenlandschaften. Der Kontrast von Hülsenfrüchten und Würsten zitiert den vegetarischen Eintopf als eine der bevorzugten germanischen Speisen und stellt ihm die fleischliche Ernährung als geheimes Sehnsuchtsambiente entgegen. Die locker und dekorativ hingestreute Kresse wirkt vermittelnd und setzt dem kleinen Kunstwerk eine ironisch zu verstehende Krone auf.

Karneval und Fastelovend in Köln

Es ist wieder soweit, in wenigen Tagen beginnt die heiße Phase des Kölner Karnevals, eine der schönsten Zeiten des Jahres! Hier ein Überblick über die nächsten Termine:

https://www.koeln.de/aktuelles/karneval-koeln-2024-das-sind-die-naechsten-termine-25273/

Ich empfehle besonders: Den Straßen- und Kneipenkarneval an Weiberfastnacht/die wunderbaren Schull- und Veedelszöch (am Sonntag)/ und die Umzüge in den Veddeln, so etwa den der Appelsinefunke in Nippes (am Dienstag) –

https://www.koeln.de/karneval/umzuege/karnevalszug-nippes/

Ohne Kölsche Lieder geht natürlich gar nichts – deshalb hier eine wichtige Empfehlung:

Sabrina Janesch kommt nach Wissen/Sieg

Sabrina Janesch ist eine der bedeutendsten jungen, in Deutschland lebenden Schriftstellerinnen. Sie hat 2004 im niedersächsischen Gifhorn Abitur gemacht und danach an der nahe gelegenen Universität Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus studiert.

Aus diesen Jahren kenne ich sie, und seither habe ich ihre gewichtigen literarischen Arbeiten verfolgt. Seit 2010 hat sie fünf Romane veröffentlicht und ist dafür mit vielen Preisen ausgezeichnet worden – u.a. mit dem Mara Cassens-Preis für das beste deutschsprachige Debüt, dem Anna-Seghers-Preis und dem Annette-von Droste-Hülshoff-Preis.

Mehrere ihrer Bücher umkreisen die Lebenslinien ihrer Familie, die eng mit der Nachkriegsgeschichte der früheren Sowjetunion, Polens und Deutschlands verbunden sind.

In ihrem neusten Roman Sibir konfrontiert sie die jugendlichen Erfahrungen der in Niedersachsen aufgewachsenen Erzählerin mit den Jugendbildern ihres nach dem Zweiten Weltkrieg ins ferne Kasachstan verschleppten Vaters.

Am 16.2.2024 werde ich mich mit Sabrina Janesch um 16 Uhr in der SALA ORTHEIL (Mittelstraße 16, 57537 Wissen/Sieg) über ihr Schreiben unterhalten: „Wie und was ich so schreibe“. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei – eine Anmeldung unter ortheil.hannsjosef@gmail.com ist jedoch wegen der begrenzten Plätze unbedingt erforderlich.

Danach, um 18 Uhr, liest Sabrina Janesch, von mir moderiert, im Walzwerk von Wissen/Sieg (Walzwerkstraße 24a) aus „Sibir“, Karten kann man hier bestellen:

https://www.ak-kurier.de/akkurier/www/artikel/138641–wissen-liest—mit-sabrina-janesch-im-walzwerk-wissen

Ich freue mich auf Ihren Besuch und die Teilnahme an der Reihe „Wissen liest!“

Schweben

Was für ein Wochenende! Sternklare Nächte, wolkenlose, sonnige Vormittage, Vogelstimmen wie seit langem nicht mehr, Temperaturen bis fünfzehn Gradi– und die Endspiele der Damen und Herren in Melbourne!

Das hat etwas von Vorfrühling oder zumindest etwas von der Illusion!

Tage zum Schweben – und so lade ich Sie, liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, zu einer Fahrt mit der Wuppertaler Schwebebahn ein, die ich vor wenigen Tagen selbst erlebt habe.

Theodor Fontane erfindet die Short Story

In einem bewusst knapp gehaltenen Text hat Theodor Fontane (1819-1898) allen Schreibwilligen die „Kunst des Erzählens“ auf erfrischend-direkte Weise zu erläutern versucht: „Es wird so viel nach Gesetzen, nach einem Normal-Rezept gesucht, und doch ist die Sache grundeinfach. Im Wesentlichen läuft es auf dasselbe hinaus wie beim Drama, und wer Menschen zu schaffen und diese geschaffenen Menschen in natürliche Beziehungen zu einander zu bringen weiß, der schreibe, der versteht sein Metier. Ganz wie beim Drama: Charaktere und Situationen.“

Durch einen von Iwan Michelangelo d´Aprile jetzt im Aufbau-Verlag herausgegebenen Band (Theodor Fontane. Auf der Suche. Short Stories) kann man nun erfahren und lesen, wie Fontane diese Kunst in kurzen Formen erprobte. Nicht bekannt war aber bisher, dass er als einer der ersten Autoren überhaupt für solche Erzählungen und Geschichten den Begriff der „short story“ benutzte. In einem Brief vom November 1896 an einen jungen Redakteur einer Literaturzeitschrift verwendet er ihn und fügt hinzu, dass solchen „kleinen Geschichten“ die Zukunft gehöre: „Es liegt in der Luft. Das Bedürfnis ist da.“

In der Luft lagen „short stories“ vor allem deshalb, weil sie den Bedürfnissen der Leserinnen und Leser im Eisenbahnzeitalter entgegenkamen. Während einer Zugfahrt konnte eine „kurze Geschichte“ zwischen den Stationen gelesen werden. Sie sollte unterhalten und Figuren in Situationen vorführen, die einen Anlass zum Gespräch boten.

Schlägt man den Aufbau-Band auf, könnte man mit der Erzählung Im Coupé beginnen. Da begegnen sich eine Frau und ein Mann auf der Eisenbahnfahrt nach Köln und…, aber nein, ich überlasse den Leserinnen und Lesern dieses Blogs die Lektüre, ohne mehr zu verraten. Viel Vergnügen!

Wie und was ich so lese

Heute, am 24.01.2024, spreche ich um 19 Uhr in der Buchhandlung Buch im Süden (Böblinger Straße 151, 70199 Stuttgart) über das Thema Wie und was ich so lese.

Es geht um Typologien des Lesens, historisch und privat – und damit darum, welche Bücher ich überhaupt lese, welche dezidiert nicht, mit welchen Absichten ich sie lese, wie ich mit Lektüren umgehe, ob und wie sie in die schriftstellerische Arbeit eingehen.

Mit anderen Worten: Es geht um jenen Binnenkreis der animierenden Themen, der durch Bücher am Leben und aktiv erhalten wird.

Hintergrund und Basis ist eine frühere Veröffentlichung – das Buch Lesehunger. Ein Büchermenü in 12 Gängen (Luchterhand-Verlag), in dem ich im Verlauf von zwölf Spaziergängen und im Gespräch mit einer Lesefreundin Buch-Empfehlungen der verschiedensten Art gebe.

Heute aktualisiere ich sie durch Empfehlungen von Gegenwartsliteratur der letzten Jahre.

Leider ist die Veranstaltung seit langem ausverkauft, ich werde jedoch versuchen, sie in diesem Jahr anderswo zu wiederholen.

„Farbe bekennen“ von Kia Vahland

In Ihrem Buch Farbe bekennen. Alte Bilder, neue Zeiten (Insel Bücherei Nr. 1528) bringt die Kunsthistorikerin Kia Vahland ältere und meist recht bekannte Bilder mit Themen und Atmosphären unserer Gegenwart in Verbindung.

In ihrem Vorwort beschreibt sie ihr Vorgehen, das in einer Suche nach Bildgeschichten besteht: „Begreifen kann man Gemälde am besten, wenn man ihre Geschichten kennt, um die Umstände ihrer Entstehung weiß und die Absichten der Malerinnen und Maler.“ (S.10)

Aus solchen Bilderzählungen besteht das eine Moment ihres Buches, der andere besteht aus Assoziationen zu gesellschaftlichen Entwicklungen, wie sie seit Anfang der 2020er Jahre zu erkennen sind: „So handelt dieser Band auch von den Geschichten unserer Zeit: von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, den sozialen Folgen der Corona-Krise, von aktuellen Emanzipationskämpfen, dem Medienwandel, den rasanten Veränderungen der frühen 2020er Jahre.“ (S.11)

Jeder Text eröffnet zunächst ein gegenwärtiges Tableau – und hält ihm dann das ältere Gemälde entgegen, dessen Motive plötzlich zweifach leuchten: Bezogen auf eine Bildtradition, bezogen aber auch auf unser jetziges Sprechen und Denken.

Jan Vermeers „Straße in Delft“, Tizians Porträt der Isabella d´Este, Giorgiones „Junger Mann“ oder Lotte Lasersteins „Abend über Potsdam“ – all diese Gemälde werden tief in den Sud unserer Debatten eingetaucht, wodurch das Buch sich zu einem interessanten und anregenden Versuch entwickelt, das Flanieren durch Museen und Gemäldegalerien anders zu erleben und zu gestalten.

Am (vorerst) letzten Schneetag des Winters

Am vorerst letzten Schneetag des Winters noch einmal hinaus auf die in weiße Lagen eingebetteten Felder.

Die Schlingerspuren der Trampelpfade ertasten die Linien des Feldwegs, der nicht mehr erkennbar ist.

Seitlich die Hundespuren, die den kleinen winterlichen Parcours umspielen.

In den Wäldern werden die Pfade zu feineren Linien zwischen den Slalomstangen der Baumkulturen.

Der Wald steht schwarz und schweiget…

Ganz aus der Ferne, von den Bergen des Horizonts her, nähern sich die wärmeren Winde und Böen, um den weißen Zauber von der Erde zu tilgen.

Drei Musikanten spielen Mozart, ein Trio in G-Dur, die Wintermusik des Glücks der beschwingt ausholenden Schritte.