Filmfestspiele Venedig 2023 – Vor Ort 2

Ist eine Filmcrew im Hotel Excelsior auf dem Lido Venedigs eingetroffen, stehen ihr die Zeremonien der Präsentation ihres Films bevor. Von den Schauspielerinnen und Schauspielern bis zum Regisseur werden sich alle umkleiden und die Kleidung aufeinander abstimmen.

Dann werden sie sich hinüber zum Palazzo del Cinema begeben, wo die Filmenthusiasten vor der Aufführung des Films Fotos schießen und Autogramme erhalten. Dort wartet der rote Teppich. Die Crew wird sich zeigen, lächeln, winken, auf und ab gehen, bis sie vom Festivalleiter gebeten wird, den Palazzo über die Haupttreppe zu betreten. Im Innern wird sie reservierte Sitze im ersten Rang des großen Vorführungssaals einnehmen. Die Enthusiasten werden sie nun dort erwarten und frenetisch bejubeln.  Sie werden namentlich vorgestellt und nehmen Platz. Dann wird es langsam dunkel.

Nach der Vorstellung gibt es den mehr oder minder verdienten Applaus, dessen exakte Länge (wie viele Minuten?) von den Beobachtern und Kritikern genau konstatiert und später in den Presseberichten gemeldet wird. Kehrt endlich Ruhe ein, bewegen sich die Massen wieder nach draußen, wo sich viele in die zentrale Bar begeben und kalte Getränke, Snacks und allerhand Pipapo auf sie warten.

Hinter dem Bargelände jedoch wartet das Meer, unaufdringlich, glitzernd in metallischem Blau mit hellen Wellenspitzen.

Wer das Gelände gut kennt, wird Wege finden, sich von dem Präsentationszirkus zu befreien und eines der kleinen Camerini aufzusuchen, wo man sich für das Bad im Meer umkleiden, die Stille genießen und die Filmbilder im Innern Revue passieren lassen kann.

Filmfestspiele Venedig 2023 – Vor Ort 1

Die Filmfestspiele in Venedig finden auf dem Lido statt. Um 1900 ist er noch ein fast unbewohnter, karg besiedelter Landstreifen, auf dem in dieser Zeit die ersten großen Hotels entstehen – denn es lockt eine neue, elementare Erfahrung: Das Baden im Meer!

Sie zieht nicht nur die Einheimischen, sondern auch viele Fremde und Gäste an. Unter ihnen befindet sich der Schriftsteller Thomas Mann, den es nicht in die alte Stadt und zu ihren Sehenswürdigkeiten, sondern ans Meer und damit auf den Lido zieht. Schon 1911/1912 veröffentlicht er den späteren Klassiker dieser Erfahrung, die Erzählung Tod in Venedig, die der italienische Filmregisseur Luchino Visconti später verfilmen wird.

Eines der ersten großen Hotels auf dem Lido ist das Excelsior, in dem heute viele Schauspielerinnen und Schauspieler übernachten. Meine Fotografie zeigt den gewaltigen Bau im Hintergrund wie eine märchenhafte Fabelkulisse mit Kuppeldach vor der an Viscontis Filmszenen erinnernden Strandkulisse mit den typischen Camerini, in denen man sich als Badender „einrichten“ kann.

Die Gäste erreichen das Excelsior mit einem Wassertaxi, das den Lido von Venedig aus direkt anfährt und zum Hotel durch einen schmalen Kanal gelangt, der eine Wasserschneise in den Lido zieht.

Am Ende befindet sich, direkt vor dem Hotel, ein kleiner Bootshafen, in dem die Taxis stranden und von Horden von Fotografen empfangen werden. Bis weithin sind dann ihre Rufe zu hören: „Die Sonnenbrille abnehmen!“, „Bitte winken!“, „Drehen Sie sich nach rechts!“, „Schauen Sie her, nicht zur Seite!“

Filme Filme Filme – in Venedig

Meine venezianischen Freundinnen und Freunde lassen nicht locker und haben mir den Official Trailer der Filmfestspiele Venedig 2023 geschickt – mit kurzen Ausschnitten aus jenen Filmen, die im offiziellen Wettbewerb um den Goldenen Löwen laufen, zum Teil unterlegt mit  klassischer Wochenendmusik!

Ich habe mich überreden lassen und breche nun auf nach Venedig, von wo ich mich (hoffentlich) in der kommenden Woche mit aktuellen Blogeinträgen melde.

Allen Leserinnen und Leser dieses Blogs wünsche ich ein sonniges, entspanntes Wochenende!

Le Moissonnier ist wieder da!

Le Moissonnier, mein französisches Lieblingsrestaurant in Köln (Krefelder Straße 25), ist wieder da – und zwar so, wie ich es mir gewünscht und erhofft hatte!!

Als französisches Bistro, mittwochs bis samstags (12-17 Uhr), mit kleinen Speisen und 50 offenen Weinen! Mit Austern und Meeresfrüchten!

Aber auch: Als Außer-Haus-Service in ganz Deutschland, so dass auch all die seine Speisen genießen können, die nicht in der vitalsten und kreativsten Stadt Deutschlands wohnen!

Alles Weitere in diesem Video, heute ins Netz gestellt:

https://www.lemoissonnier.de/Le-Moissonnier/Videos/

Was für ein Glücksmoment! 

https://www.rundschau-online.de/koeln/koeln-aus-dem-le-moissonnier-wird-ein-gemuetliches-bistro-1-637376

Deutscher Buchpreis 2023 – Die Leseproben der Nominierten

In unseren Buchhandlungen liegt jetzt ein schmales, graues Büchlein mit Leseproben der für den Deutschen Buchpreis 2023 nominierten Longlist-Texte von zwanzig Autorinnen und Autoren. Es kostet nichts, man bekommt es sofort und ohne Kniefall.

Vor etwa einer Woche ist die Longlist veröffentlicht worden, und ich erspare mir jetzt mal den Blick auf die Kommentare in den Medien: So viele Debuts! Und wo sind die bekannteren Namen?!

Stattdessen empfehle ich, das schmale, graue Büchlein in die Hand zu nehmen und die Texte zu lesen. Nicht unbedingt nacheinander (warum sollte man das tun?), nicht unbedingt jeden in voller Länge (warum das?…), sondern so, wie es einem Lust und Laune nahelegen.

Vor jedem Text finden Sie ein Foto der jeweiligen Autorin oder des jeweiligen Autors sowie Angaben zu ihren Biografien, den Werken oder den Ideen, die sie mehr oder minder ungefragt dazu formuliert haben.

Vielleicht bleiben Sie hier und da hängen und sagen sich: Tolles Foto! Toller Typ! Interessante Frisur! – dann könnte es passieren, dass Sie sich die Lektüre des Textes sparen, um nicht enttäuscht zu werden.

Oder Sie nehmen einen gespitzten Bleistift in die Hand und sagen sich: Wollen wir doch mal sehen, wo es Fehler oder Nachlässigkeiten gibt!

Oder Sie überlegen kurz, was Sie während Ihrer Lektürestunde zu sich nehmen: Ein Glas Aroniasaft? Einen badischen Winzersekt? Einen finnischen Whisky?

Irgendwann hat Sie das schmale, graue Büchlein im Griff. Sie sind jetzt die zukünftige Jurorin oder der zukünftige Juror, die aus zwanzig Longlist-Nominierten sechs Shortlist-Nominierte machen sollen! Ein leichtes Überheblichkeitsgefühl überfällt Sie, denn Sie sollen über Leben und Sterben im Literaturzirkus entscheiden.

Bis es soweit ist(19.9.2023), haben Sie noch etwas Zeit! Mailen Sie mir vorher bitte Ihren ganz persönlichen Umgang mit dem Schmalen, Grauen. Sie haben es schon kompostiert?! Ich bitte Sie, keine abwegigen Scherze! Ich freue mich auf Ihre Berichte und Annäherungen: ortheil.hannsjosef@gmail.com

Die Filmfestspiele in Venedig 2023

Heute Abend beginnen in Venedig die 80. Filmfestspiele:

https://www.labiennale.org/en/cinema/2023

Der einzige deutsche Film im Hauptwettbewerb um den Goldenen Löwen ist von dem Regisseur Timm Kröger: Die Theorie von Allem –

hier der Trailer (es ist ein Schwarz-Weiß-Film):

Und weiter? Meine venezianischen Freundinnen und Freunde winken mir zu: Komm, schauen wir uns einige Filme an, lass uns auf den Lido gehen und die Festspiele zusammen erleben!

Und schon sehe ich die ersten verlockenden Bilder: 

Gespräche mit Hanna 1 – Ein Nachdenken über Pilze

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, ich möchte Ihnen meine Mitarbeiterin Hanna vorstellen. Sie organisiert Lesungen, ordnet die eingehende Post, bestellt Bücher, die ich im Blog vorstellen möchte, schlägt welche vor und unterhält sich mit mir über „Themen der Zeit“.

Zuletzt hat ihr das ausführliche Gespräch, das ich mit meinem Lektor Klaus Siblewski über meine Bücher und mein Schreiben geführt habe (in: Ein Kosmos der Schrift) sehr gefallen. „Ich dachte, ich wüsste bereits vieles über Dich und Dein Schreiben“, sagte sie, „doch das war nicht so. Dieses Gespräch hat alles, was ich vorher wusste, noch einmal stark erweitert und verändert.“

Hanna wurde in Köln geboren und hat einen Teil ihrer Kindheit dort verbracht, einige ihrer nächsten Verwandten leben noch immer in der Domstadt. Irgendwann aber ist sie nach Stuttgart gezogen und hat an der HDM, der Hochschule der Medien, studiert.

Vor kurzem haben wir beschlossen, einige unserer Gespräche nicht für uns zu behalten, sondern in diesen Blog zu stellen. Los geht´s!

HB: Die Nachsaison hat begonnen. Was hast Du in der Nachsaison vor? 

HJO: Ich würde gern Pilze essen. Wenn ich irgendwo Pilze sehe, schaue ich hin, als hätte ich noch nie welche gesehen. Sie überraschen mich durch ihr Dasein und Aussehen. Sehe ich sie in den Wäldern, bleibe ich stehen und denke darüber nach, ob mir ihr Name einfällt. Das klappt aber meist nicht, ich kenne sie nicht gut genug, deshalb denke ich mir schließlich einen Namen aus und ziehe weiter.

HB: Beruhigen Dich diese erdachten Namen?

HJO: Leider nein. Weil sie so vage sind, tausche ich sie aus und erfinde neue. Daraus besteht dann der Rückweg: einen neuen Namen zu erfinden.

HB: Geht Dir das oft so? Dass Du ersatzweise Namen erfindest?

HJO: Nein, eigentlich nicht. Pilze ziehen diesen Namentausch an, das kommt vielleicht daher, dass selbst vermeintliche Kenner unsicher sind, um welche es sich handelt. Wenn man sich irrt, könnte es gefährlich werden. Viele Pilze sind schließlich giftig, da sollte man sicher sein, wenn man welche verzehrt. Ich habe das früher erlebt, dann hieß es: ‚Es könnte ein Hallimasch sein, vielleicht ist es aber auch ein Pfifferling.‘ Besonders häufig tauchte die Bezeichnung ‚Bovist‘ auf, ‚das ist mit großer Sicherheit ein Bovist.‘ Überall gab es angeblich Boviste, kleine, große, dicke, runde, alle bekamen den Namen ab, sie konnten einem fast leidtun. Boviste galten als nicht essbar. Hatte man sie so benannt, bedeutete das: Weitergehen, sich nicht drum kümmern, sie sollten uns nicht weiter beschäftigen.

HB: Sie taten Dir anscheinend wirklich leid.

HJO: Ich fand sie sehr ausdrucksstark. Runde, dicht auf dem Boden lagernde Kugeln mit einer feinen Außenhaut. Wie Sonden oder geschlossene Planetarien, die sich in Mondnächten einen winzigen Spalt öffnen, etwas Mondlicht hereinlassen und die Hülle sofort wieder schließen.

HB: Das hört sich an wie eine mysteriöse Geschichte. Geheimnisvoll, dunkel, etwas für Naturforscher.

HJO: Vielleicht eher etwas für Pilzgläubige, für Menschen, die Pilze für etwas sehr Fremdes, Eigenes halten und ihnen viel zutrauen, ohne genauer zu wissen, was. Pilze können mit Gift drohen, manche sind Mordaspiranten. Sie sind lange Zeit nicht zu sehen, bleiben verborgen, scheinen für immer verschwunden. Doch jetzt, in der Nachsaison, begegnen sie einem wie seltene Wunder.

HB:  Wunder sollte man nicht benennen und sich nicht einbilden, sie erforschen zu können.

HJO: Nein, man sollte sie lange anschauen und ihnen dadurch ihr einzigartiges Doppelleben erhalten.  

HB: Ein anwesend-abwesendes Leben.

HJO: Du hast Philosophie studiert, jetzt scheint es durch. 

HB: Wunder bringen etwas zum Vorschein, dafür sind sie da.

HJO: Gut, ich werde nicht aufhören, über Pilze nachzudenken.

HB: Und ich werde eine Steinpilzsuppe kochen.

HJO: Mit Steinpilzen kennst Du Dich aus?

HB: Auf alle Fälle! Lassen wir es uns schmecken.

Mozart kehrt heim

Für dieses Wochenende habe ich ein besonderes Konzert ausgewählt – das Konzert für zwei Klaviere KV 365 in Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart.

Schrieb Mozart die meisten Kompositionen für bestimmte Mäzene und „Abnehmer“, so entstand dieses Konzert aus privaten und persönlichen Gründen. 1779 war er von einer langen Tournee, während der seine Reisebegleiterin, die Mutter, in Paris gestorben war, nach Salzburg zurückgekehrt.

Dort reihte er sich wieder in den Familienkreis mit Vater und Schwester Nannerl ein. Für sie schrieb er dieses Konzert – in Form eines Dialogs, in dem die Erlebnisse der vergangenen Jahre anklingen.

Martha Argerich und Maria João Pires haben es eingespielt, es ist eine wunderbare Aufnahme, die man nicht mehr vergisst.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein schönes Wochenende!

Die Leichtathletik-WM 2023 in Budapest

Mit großem Vergnügen schaue ich mir in diesen Tagen die abendlichen TV-Übertragungen von der Leichtathletik-WM in Budapest an.

Was fasziniert mich daran? Zunächst, dass dort Menschen allein, nur auf sich gestellt, an einem Wettbewerb teilnehmen, auf den sie sich (zweitens) lange Zeit übend und trainierend intensiv vorbereiteten.

Ich habe Freude an den athletischen Sportarten, die oft auch ein gymnastisches Moment haben und denen ich nicht selten anzusehen glaube, wie das Training und die lange Vorbereitung verlaufen sind.

Gestern Abend konzentrierten sich die Blicke auf den Weitsprung der Männer. Es sind nicht nur Sprung-, sondern auch Flugaktionen, bei denen die Glieder von den ausschwingenden Beinen über die in Schwung geratenden Arme und die zur Landung ausholenden Füße einen Dreitakt der Bewegung inszenieren.

Wenn dann ein Spannungsmoment hinzukommt und zwei oder drei Sportler nahezu identische Leistungen vollbringen, wird der Blick noch genauer und erfasst die Details auf der Suche nach Unterschieden.

Bis zum letzten und sechsten Versuch lag der griechische Weitspringer Miltiadis Tentoglou auf dem zweiten Platz, übertraf dann aber die 8.50m des Jamaicaners Wayne Pinnock um zwei Zentimeter.

Heute beginnt nun der Zehnkampf der Männer. Ich werde dabei sein…

101 Fragen zur Digitalisierung

Fabian Geier und Sebastian Rosengrün haben sich 101 Fragen zur Digitalisierung gestellt (Die 101 wichtigsten Fragen. Digitalisierung. C.H.Beck, 14 Euro). Im Vorwort skizzieren sie das Projekt: „Die Digitalisierung lässt sich schwer einfangen. Sie dringt in alles ein, drängt sich uns auf oder versteckt sich vor uns. Manchmal wollen und manchmal müssen wir sie besser verstehen lernen (schon allein, damit sie uns nicht besser versteht als wir sie). Dabei soll dieses Buch helfen. Zum Verstehen braucht es zwei Dinge: Wissen und Nachdenken. Deshalb bieten wir hier nicht nur Fakten und Erklärungen, sondern auch Reflexion, d.h.: ein bisschen Philosophie.“

Das ist ein sympathisches Programm, auch für all die, die (wie ich) kaum etwas über Digitalisierung wissen, sondern sich relativ blind vor allem mit Hilfe des Smartphones durch die Welt und das Netz bewegen.

Was genau ist eigentlich Digitalisierung? Macht die Digitalisierung alles gleich? Welche technischen Entwicklungen bedeuten wirklichen Fortschritt? Welche Lebensbereiche sollten stärker digitalisiert werden? – Solche Fragen wären auch meine eigenen, und die Antworten lesen sich so, dass man (als „Blinder“) an die Hand genommen und Schritt für Schritt geführt wird.

Manche Fragen wirken aber auch so, als enthielten sie bereits ein Stirnrunzeln: Wie haben die Internetgiganten ihre Marktposition erreicht? Ist es auch eine moralische Entscheidung, welche Software wir benutzen? Was hat die Digitalisierung mit der Musikbranche gemacht? Wie sicher sind unsere Geräte?

Und schließlich gibt es Fragen, die meine ganze Unkenntnis brutal aufdecken: Könnten Sie kurz die Privacy Policy des Dienstes umreißen, den Sie am häufigsten benutzen? Wie schwer ist es, Daten zu deanonymisieren? Worum geht es im Chinese-Room-Argument?

Meine liebsten Fragen aber sind die, die mich zum Grinsen bringen: Was machen Influencer beruflich? Wie dunkel ist es im Darknet? Was bringt ein Backofen mit Internetanbindung? Mit wem treffen wir uns im Metaverse?

Oft denke ich, bevor ich ein Buch lese, darüber nach, wo und wann ich es lese. Dieses Buch werde ich nachts lesen – in tiefer Nacht werde ich mir fünf bis sechs Fragen beantworten lassen und dabei das wohltuende Gefühl haben, ein paar lebenswichtige Fragen seien vorerst beantwortet. Dann werde ich vielleicht unbeschwerter schlafen…

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, wie stehen Sie zur Digitalisierung? Wo empfinden Sie diese Entwicklung als hilfreich oder nützlich und wo nicht? 

Ich freue mich über Ihre Antworten, an: ortheil.hannsjosef@gmail.com – DANKE!