Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs
wünsche ich, verbunden mit dem Magnificat von
Claudio Monteverdi (1567-1643),
einen schönen dritten Advent!
Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs
wünsche ich, verbunden mit dem Magnificat von
Claudio Monteverdi (1567-1643),
einen schönen dritten Advent!
Wie in den vergangenen Jahren empfehle ich auch diesmal Bücher zu Weihnachten. Ich beginne mit eigenen Titeln – und zwar mit meinen Momente-Büchern, in denen ich themenzentriert Ausschnitte aus meinem Gesamtwerk ausführlich eingeleitet und kommentiert zu einer Art Reigen zusammengestellt habe.
Eine solche Kompositionsform verleiht diesen Titeln etwas von Brevieren, was meint: Es sind Lesebücher, die bestimmte Aspekte eines Themas isolieren und zu Meditation und Reflexion anleiten.
Ihre Lektüre eignet sich auch gut dafür, mit den Werken eines Autors vertraut zu werden und etwas darüber zu erfahren, wie er denkt, schreibt und arbeitet.
Um einen ersten Überblick über das Gesamtwerk zu erhalten, empfehle ich: Ein Kosmos der Schrift. Hanns-Josef Ortheil zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Imma Klemm. btb 2021
Und damit könnte es dann weitergehen:
Hanns-Josef Ortheil: Glücksmomente. btb
Hanns-Josef Ortheil: Musikmomente. btb
Hanns-Josef Ortheil: Glaubensmomente. btb
Hanns-Josef Ortheil: Italienische Momente. btb
Hanns-Josef Ortheil: In meinen Gärten und Wäldern. DVB
Im Advent suche ich (auch) nach adventlicher Musik. Im gegenwärtig noch frühen Stadium sollten die weihnachtlichen Themen höchstens anklingen, aber noch nicht dominieren.
Sehr passend erscheint mir daher die neue CD der Blockflötistin Dorothee Oberlinger und des Gitarristen Edin Karamazov: Dialoge.
Zwei zurückhaltende Instrumente treten zum einen deutlich solistisch auf und finden andererseits zu einem präzisen dialogischen Miteinander.
Gespielt werden ausschließlich Stücke von Johann Sebastin Bach – den Anfang macht eine Bearbeitung des Chorals „Nun komm, der Heiden Heiland“ (BWV 659).
Hektor Haarkötters große Studie über den Notizzettel als literarisches Lebewesen erzählt von einer Form des Schreibens, die im digitalen Zeitalter keineswegs ausgestorben ist, sondern sich ganz im Gegenteil vehementer und aktiver behauptet als jemals zuvor.
Mit der Hand notieren wir auf kleinen Blättern oder Zetteln Texte, die wir vor allem an uns selbst schreiben. Sie bewahren eine Idee oder einen Gedanken auf und sind dadurch nicht zuletzt Entwürfe für ein größeres und längeres Nachdenken und Schreiben.
Viele Autorinnen und Autoren sind mit den Chancen und Praktiken dieses Notierens in den letzten Jahrhunderten auf virtuose Weise umgegangen und haben dadurch neuartige Wege des kreativen Entwerfens und Planens skizziert.
Haarkötter präsentiert sie als anregende Enthusiasten der explosiven oder meditativen Kunst, das Fragment in der Sprache so zu platzieren, dass es weitere Fragmente anzieht und sich bis ins erhoffte Unendliche vermehrt.
So erlebt man den Notizzettel als Organ des Denkens und als eine der bedeutendsten Techniken, sich über die eigenen Wege des Schreibens mit sich selbst zu verständigen.
Ein Buch für alle, die lesen, schreiben – selbständig und mit dem Anspruch, die Methoden des Denkens im Blick zu behalten und zu dokumentieren.
Vor genau einem Monat, am 5. November 2021, habe ich im Kulturwerk von Wissen/Sieg meinen 70. Geburtstag gefeiert.
Der festliche Abend wirkt noch heute nach – und viele Leserinnen und Leser dieses Blogs, die sich damals die Aufzeichnung nicht anschauen konnten, haben danach gefragt und den Wunsch geäußert, den Festverlauf im Nachhinein noch einmal verfolgen zu können. Das ist heute hier möglich, diesmal sogar kostenlos und ohne jeden Aufwand.
Einen frohen zweiten Advent wünsche ich!
Seit über einem Monat lese ich immer wieder mit großem, unvermindertem Erstaunen in einem Buch des Kafka-Forsches Hartmut Binder: Gestern abend im Café. Kafkas versunkene Welt der Prager Kaffeehäuser und Nachtlokale. Vitalis Verlag 2021.
Auf fast 700 eng bedruckten, reich und sorgfältig illustrierten Seiten lädt Binder den Leser in das alte Prag ein. Man wird in Hotels, Restaurants, Bier- und Weinstuben, Cafés und Varietés geführt – und das so detailliert, dass man glaubt, an den Tischen dieser Etablissements zu sitzen, die Details der Einrichtungen und Speisekarten zu studieren, die Stimmen der vielen Gäste zu hören und hier und da Franz Kafka zu begegnen, für den diese Welten die Hintergrundfolie für sein Leben und Schreiben waren.
Hartmut Binders kommentierende Texte instrumentieren die über tausend Abbildungen aus seinem immensen Archiv: Postkarten, Programmhefte, Szenen der Innenrichtungen und der bekanntesten Darstellerinnen und Darsteller. So entsteht ein visuell-textuelles Stadtporträt, wie man es sich nicht schöner vorstellen kann.
Es führt in einem großen Reigen durch Geschichten des kulturellen Prager Lebens, die skizziert und aufgeblendet werden: Stoff für ein intimes Erzählen, in das man anhand dieser einzigartigen Quellen einsteigen könnte.
So erinnerte ich mich auch bald an eigene Plätze eines früheren geselligen Daseins: Wo hast Du in den Jugendjahren gegessen, getrunken und Dich mit Freundinnen und Freunden getroffen? Worüber habt ihr gesprochen, was habt Ihr erlebt, welche Musik habt ihr gehört?? – …und schon entstand, angeregt durch das Lesevergnügen von Hartmut Binders Pragreigen, ein neuer, weiter Erzählraum.
Der adventliche Dezember intensiviert im besten Fall die geduldige Hinführung auf das Weihnachtsfest. Dazu gehört, dass man jetzt häufiger mit Menschen zusammenkommt, die einem besonders nahe sind. Der Hintergrund ist ein allmählich wachsendes Nähebedürfnis – familiär, mit Freundinnen und Freunden.
Die Pianistin Olga Scheps hat in den Monaten einer Pandemie-Auszeit, in der sie keine Konzerte geben und sich daher umso besser ihrer Familie widmen konnte, ein Album aufgenommen, das mir besonders wegen dieser fast adventlichen Atmosphären gefällt. Es heißt Family – und lässt damit bereits im Titel eine thematisch-musikalische Sondierung anklingen.
Olga Scheps spielt nämlich Klaviermusik, mit der sie ihren kleinen, erst vor kurzem geborenen Sohn an Musik heranführt. Es sind einprägsame, melodiöse Stücke, gut zu verfolgen. Dazu gehören Klassiker von Mozart, Haydn und Beethoven (Die Wut über den verlorenen Groschen), aber auch Bearbeitungen von Filmmusik, ja sogar Chilly Gonzales ist als Referenz vertreten.
Entstanden ist so ein helles, funkelndes Album der verschiedensten musikalischen Charaktere und Genres – eine behutsame und intelligente Hinführung von Kindern und hörfähigen Erwachsenen an das große Reich der Klänge.
Die Corona-Pandemie hat viele früher eher vernachlässigte Themen des individuellen Erlebens in den Vordergrund gerückt. So sind in den letzten beiden Jahren zahlreiche Bücher zum Alleinsein, zu Isolation und Einsamkeit und damit auch zu den Praktiken einer auf sich selbst gestellten Lebenskunst erschienen.
Johann Hinrich Claussen und Ulrich Lilie vertiefen diese Themen durch szenisch erzählte Blicke auf die unterschiedlichsten Medien: Wie entwerfen sie Darstellungen und Erlebnisformen der isolierten Welten in der Musik, in Literatur, Philosophie oder bildender Kunst? Sie summieren sich zu einer Art „Atlas der Einsamkeiten“, wie der Untertitel es andeutet.
Das meint: Den Autoren geht es darum, Konstellationen abzustecken und ein weites Feld nicht zu gliedern, sondern erst einmal zu eröffnen. Meister Eckhart, Isaac Newton, Petrarca, Caspar David Friedrich, Emily Dickinson, aber auch Greta Garbo und Marlene Dietrich – das sind einige der Personen, die einem begegnen und einen Abdruck des „Für sich“ hinterlassen.
In kurzen, prägnanten Kapiteln entdecken die beiden Autoren genuine Techniken des Umgangs mit Empfindungen, die einen überfordern, aber auch Planungen neuer Lebensentwürfe herausfordern.
Ein Buch, dessen durch viele Literaturhinweise erweiterte Wege man wie ein kleines Vademecum und damit als einen Begleiter zum pandemischen Leben lesen kann.
Heute hat die Süddeutsche Zeitung das Fotoalbum Ortheil veröffentlicht – Lebensszenen aus meinen Alben, verbunden mit kurzen Textsequenzen eines sehr eigenen literarischen Genres: Mündlich erscheinendes Sprechen und Resümieren, aufmerksam ein Detail nach dem andern fixierend und das Bild langsam mit Text überziehend…
Mit diesen Bildern und Texten verbunden, wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen ruhigen Einstieg in einen heller werdenden Advent!
Das muss ich jetzt einfach mal sagen und aufschreiben: Das Hotel Wedina in Hamburg ist eines meiner Lieblingshotels. Es erfüllt alle Wünsche, die ich mit einem sehr guten Hotel verbinde.
So liegt es in einer schmalen, ruhigen Straße, die aber gleichzeitig zwei sehr lebendige städtische Terrains verkoppelt: Das Alsterufer und die Straße Lange Reihe im Viertel St. Georg.
Hinzu kommt, dass ich von diesem Hotel aus in wenigen Minuten einige Orte und Räume erreiche, die ich gern aufsuche: Die Kunsthalle, das Schauspielhaus, die vielen kleinen Läden, Geschäfte, Cafés und Restaurants des Georgsviertel.
Kurios ist, dass es sich um ein Häuserensemble handelt: Es gibt ein rotes, blaues, gelbes und grünes Haus, alle architektonisch sehr eigen geplant und gebaut und daher mit besonderem Charakter. In jedem der Häuser erwartet einen – je nach Aufenthaltszeit, Komfort und Laune – ein Angebot verschiedenster Zimmertypen, zwischen denen man sich entscheiden kann.
Im Haupthaus befindet sich eine große Bibliothek mit Gegenwartsliteratur, die aus lauter Erstausgaben von Büchern jener Autorinnen und Autoren besteht, die im Wedina einmal übernachtet haben. (In einem Nebenraum zu frühstücken, mit dem Blick auf hohe, bunte Bücherwände, ist am Morgen ein stimulierender Genuss, der mich oft vergessen lässt, dass ich mich in einem Hotel befinde…)
Die Einrichtung der Zimmer selbst ist von wohltuender Zurückhaltung. Niemand drängt einem seinen persönlichen Geschmack auf, stattdessen wirkt das Wohnambiente angenehm neutral, betont lässig und markant zugleich.
Das Wedina ist ein Hotel für das lustvolle, entspannte Wohnen – und nicht für das bloße Schlafen und Übernachten. Je älter ich werde, umso wichtiger werden mir solche Hotels. In ihnen werde ich für kurze Zeit zum Mitbewohner eines Viertels, treffe lauter Bekannte und bekomme ganz aus der Nähe mit, was die Menschen in der Umgebung beschäftigt und bewegt.
So etwas fördert ein Reisen, das nicht aufs Besichtigen und Ablaufen von „Sehenswürdigkeiten“ aus ist, sondern das Zusammenwachsen städtischer Milieus zur „Sehenswürdigkeit“ erhebt. (Über das sich, ganz nebenbei gesagt, wunderbar genau und emphatisch schreiben lässt…)