Jahresende – ein Innerer Dialog

Morgen ist Silvester. – Ja, ich weiß, ich spür’s schon. – Was spürst Du? – Wenn es auf Silvester zugeht, werde ich oft hemmungslos sentimental. – Wieso denn das? – Ich schaue zurück, ich gehe das vergangene Jahr durch, ich erinnere mich an starke Szenen, das macht sentimental. – Gibt es dagegen kein Rezept? – Nee, warum sollte es? Mal richtig sentimental werden, ist doch schön. Hat was. Ein Extra an Gefühlen. – Tu nicht so. Du wirst sonst oft ironisch, wenn’s sentimental wird. – Ja, aber nicht am Jahresende. Ich höre jetzt auch ganz andere Musik als sonst. – Keine Klassik? Keinen Jazz? – Nee, ich höre, was die Sentimentalität verlangt. – Pfui deibel! – Gar nicht. Lass mich ruhig mal ein paar Stunden und Tage sentimental sein. – Okay. Womit fangen wir an? – Mit, Du wirst es nicht glauben, mit: Ina Müllers neuem Album 55! – Ist das Dein Ernst? – Nee, ist kein Ernst. Ist ein Spaß: Ina Müller – als Vorspiel zu Silvester: Wohnung gucken…

Pfade und Wege

Die Coronazeiten haben unser Verständnis von kleinen und großen Wegen entwickelt. Wir sind mehr in unseren unmittelbaren Nachbarschaften unterwegs, wir streifen umher, lassen uns treiben und nehmen Notiz von Umgebungen, die uns früher nicht weiter beschäftigten. Das alles führt zu neuen Orientierungen und Fragen.

Robert Moors Buch über Spuren, Pfade und Wege ist in diesem Zusammenhang ein erstaunliches Buch. Zum einen ist es das eines Wanderers, der viel allein unterwegs war, um beobachtend und forschend zu begreifen, wie überhaupt die geraden oder die gewundenen oder die sich laufend verändernden Linien von Wegen entstehen.

Zum anderen aber hat sich Robert Moor anderen Forschern angeschlossen, um auch die Bewegungen von Tieren zu verstehen. Wie entstehen Insektenpfade? Wie der Wildwechsel? Und warum sind gerade Elefanten so genial im Auffinden von eleganten Wegen?

Moor scheint darüber hinaus nicht nur fast alles über „Trails“ zu wissen, nein, er kennt auch die Texte der philosophierenden Geher und Ethnographen. Hier und da streut er daraus erhellende Passagen in seine nachdenklichen Erkundungen.

So ist ein Buch entstanden, das die Augen öffnet für die kleinsten Richtungswechsel und die unserer bisher kaum bemerkten, sich auf eher geheimen Pfaden bewegenden tierischen Nachbarn.

Robert Moor: Wo wir gehen. Unsere Wege durch die Welt. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Sievers. Insel Verlag

Vor einhundertfünfundzwanzig Jahren

Heute vor genau 125 Jahren zeigten die Brüder Lumière in Paris zum ersten Mal ihre Filme. Noch immer sehe ich diese Bilder fasziniert und mit einigem Staunen: Die Scharen der Arbeiterinnen und Arbeiter, die eine Fabrik nach getaner Arbeit verlassen…, drei alte Herren spielen Karten…, und (besonders schön): Ein Zug (mit Dampflok) fährt in einen ländlichen Bahnhof und die hübsch gekleideten Reisenden steigen aus und ein, als wären sie Teil einer Modesession…

Die Magie dieser Szenen wirkt auf mich unverbraucht stark. Auch deshalb, weil sie mir Zeit zum Beobachten lässt. Die Kamera ist (meist) fest montiert, bewegt sich nicht und lässt ein konzentriertes Schauen auf die Details zu. So, denke ich, würde ich selbst einen Film drehen, wenn ich ein heutiger Filmregisseur wäre…- als wäre ich noch immer ein halber Lumière.

Und wieso? Wie erklärst Du Dir das? Ich brauche viel Zeit zum Sehen und möchte nicht der betriebsamen Regie von fremden Blickwinkeln ausgesetzt sein. Ich brauche keine Schwenks, keine schnellen Schnitte, keine Perspektivwechsel, sondern nur das Bild – wie ein bewegtes Gemälde. (Als ich einem Freund das einmal gestand, sagte er nur: Du hast wohl einen kleinen Dachschaden! – Ja, habe ich, er hatte recht…)

 

In großer Stille 1

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich

frohe, gesegnete Weihnachten!

Adeste fideles laeti triumphantes
Venite, venite in Bethlehem
Natum videte regem angelorum

Venite, adoremus,
Venite, adoremus,
Venite, adoremus, dominum!

Deum de Deo, lumen de lumine,
Gestant puellae viscera
Deum verum, genitum non factum.

Venite, adoremus,
Venite, adoremus,
Venite, adoremus, dominum!

Gloria in excelsis Deo!

Venite, adoremus,
Venite, adoremus,
Venite, adoremus, dominum!

https://cms.vivat.de/themenwelten/jahreskreis/weihnachten/adeste-fideles-weihnachtslied.html

 

Der tausendste Beitrag – ein Innerer Dialog

Heute, Mittwoch, 23. Dezember 2020, veröffentlichst Du den tausendsten Beitrag in Deinem Blog. Bist Du stolz? – Nee, stolz nicht. Stolz ist etwas für Menschen, die sportliche Bestmarken oder Höchstleistungen vollbringen. – Was denn? Bist Du gerührt? – Ja, leicht gerührt. – Wieso das? – Rührung hat mit Treue zu tun. Ich bin dem Schreiben treu geblieben, meinen Ideen, meinen Themen, jahrelang. – Empfindest Du auch so etwas wie Glück? – Ja. Weil das Schreiben mich getragen hat – wie das Meer, das ich so liebe, weil es etwas Großes, Weites, Universelles ist, das mich trägt. – Dann und wann… – Dann und wann. – Es gibt auch hohe Wellen, Stürme, Schiffbrüche… – Jetzt werden wir mal nicht pathetisch oder sentimental – und bleiben mal beim ungeschmälerten Glück, klein, aufmerksam und guter Dinge, wie eine herumeilende Maus auf ihrem Miniterrain. – Sagtest Du…wie eine Maus? – Ich bin etwas übermütig und albern. – Endlich einmal. Wie feierst Du Deine Tausend? – Am liebsten würde ich mich ans Klavier setzen und spielen. – Warum tust Du es nicht? – Die Krankheit im letzten Jahr hat mir das Klavier genommen. – Was heißt das? – Ich konnte nicht mehr beidhändig spielen, ich musste mit dem Üben ganz von vorne beginnen. – Geht es voran? – Langsam, ja, aber es geht voran. – Was würdest Du spielen, wenn Du könntest? – Was ich oft gespielt habe, wenn ich etwas feiern wollte und glücklich war. – Und das wäre? – Die Fantasie opus 17 in C-Dur von Robert Schumann. – Ah ja. – Ah ja!

Vor dem tausendsten Beitrag

(Der Journalist Justus Mohle hat mich zu meinen Blogbeiträgen befragt)

Herr Ortheil, morgen werden Sie in diesem Blog Ihren tausendsten Beitrag veröffentlichen! Ich ziehe den Hut – und frage: Wie haben Sie das gemacht?

Im Grunde habe ich genau das getan, was ich seit Kindertagen tue: Täglich und kontinuierlich aufschreiben, was mir durch den Kopf geht. Ich reagiere stark auf eher zufällige Impulse, die oft von außen kommen. Ich lese etwas in den Zeitungen, ich höre ein Gespräch, ich unterhalte mich – und schon geht die innere Selektion los. Ohne langes Nachdenken, einfach einem Impuls folgend, ihn aufgreifend und vertiefend.

Wie geht so ein „Vertiefen“?

Ich notiere den Impuls und beginne zu recherchieren. Als verfolgte ich ein musikalisches Motiv und müsste Variationen dazu schreiben. Ich leihe Bücher aus, bestelle bei Verlagen Rezensionsexemplare von Neuerscheinungen, lese viel, höre mich um. Manche Impulse versiegen, die meisten aber blühen auf und wachsen – bis sie Eingang in den Blog finden.

Der Blog als eine Art Tagebuch?

Höchstens als eine Art. Das Tagebuch wäre ein intimes, nur für den Schreibenden selbst angelegtes Notieren seiner Blicke und Gedanken, der Blog aber ist öffentlich und macht Denkprozesse des Schreibenden nach außen hin sicht- und vor allem nachvollziehbar. Die Lesenden nehmen zu einem gewissen Grad an den Suchbewegungen in meiner Werkstatt teil. Sie erleben sehr nah, womit ich mich beschäftige, ja, sie können in manchen Fällen sogar beobachten, wie ein neues Buch entsteht. In meinen Gärten und Wäldern ist gerade erschienen, und dieses mir viel bedeutende und schöne Buch besteht u.a. aus Blogbeiträgen, die während der letzten Jahre zusammengekommen sind und einen roten Faden haben: Die Aufenthalte draußen im Freien, rund um meine Gartenhäuser.

Könnte man den Blog als ein literarisches Werk mit einem eigenen Werkzusammenhang verstehen?

O ja, unbedingt – und leider nehmen zum Beispiel die Rezensenten und sonstigen Beobachter des literarischen Lebens davon nicht die geringste Notiz. Sie beugen sich noch immer über Bücher, nichts als Bücher. Die digitalen Welten kommen nicht vor, das ist fast ein Skandal. Für die meisten sind Blogs Influencer-Spielplätze, mit Tipps, hübschen Fotos und kurzen Filmchen – und damit nichts anderes als kalkulierte Botschaften oder Werbung. In meinem Fall sind die Beiträge aber Fortschreibungen meiner literarischen Texte insgesamt: Ausblicke, Anbauten, Erweiterungen, Reflexionen – und sie kreisen um den zentralen Bau des kreativen Ichs mit all seinen eigentümlichen Dispositionen, das laufend seine Antennen ausfährt. Jeder Beitrag ist mit meinem Leben sehr konkret verbunden, jedes Foto, jedes Youtube-Zitat, alles erzählt meine Geschichten weiter. Das ist ja das unbedingt Neue und Großartige!

Das kontinuierliche Bloggen macht Ihnen anscheinend noch immer Spaß.

Ich würde sofort damit aufhören, wenn es nicht so wäre. Das Bloggen ist ein ganz besonderes Vergnügen, als besäße ich ein eigenes Medium, ähnlich einer Zeitung oder einem Sender, mit dessen Hilfe ich in direkten Kontakt zu den Welten um mich herum trete. Und diese Welten sind weit: Sie reichen, man stelle sich das vor, bis in die USA und Südamerika, bis nach Australien und zu den Philippinen. Von überall erhalte ich Rückmeldungen – inzwischen sind es so viele, dass ich sie nur noch zum Teil erwidern kann. Leider bin ich kein Hermann Hesse, der sich in Tausenden von Briefen mit seinen Leserinnen und Lesern unterhielt. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, wie er das gemacht hat, ich käme da völlig durcheinander, weil ich nicht mehr überblicken könnte, was ich irgendwann einmal so alles geschrieben oder geantwortet hätte.

Sie machen also nach der Nummer Tausend weiter?

Selbstverständlich. Es ist ja alles ein großes Experiment, das mich mit jedem Beitrag neu fordert und auf neue Ideen und Wege bringt. Ich bin gespannt darauf, was noch alles so kommt…

Dann gratuliere ich herzlich und freue mich mit Ihnen auf die Zukunft, vielen Dank für das Gespräch!

Letzte Geschenke 3 – Italien

(Viele Leserinnen und Leser haben mich um Empfehlungen für Buchgeschenke gebeten, bezogen auf Bücher anderer Autorinnen und Autoren – und auf meine eigenen Titel. Ich möchte beides miteinander verbinden – in Folge 3 geht es dabei um ITALIEN!)

  • Italiens Weg in die Neuzeit ist der welthistorisch einzigartige Aufbruch zu völlig neuen Formen des Erfindens und Denkens, der sich in unzähligen Texten italienischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu allen kulturellen Themen und Bereichen niedergeschlagen hat. Tobias Roth hat wegweisende Ausschnitte aus solchen Werken gesammelt und klug kommentiert. Seine Anthologie ist auch wegen ihrer schönen Gestaltung ein Buch, das man ein Leben lang in die Hand nimmt, um sich zu vergewissern: In der Renaissance ist jene für Italien typische Mischung aus Leichtigkeit, Lebensfreude und einem eminenten Sinn für Schönheit entstanden!

Tobias Roth: Welt der Renaissance. Galiani 2020

  • Vor fünfhundert Jahren starb der große Raffael in Rom. Sein Zeitgenosse Giorgio Vasari (1511-1574) war der erste Schriftsteller, der ausführlich von seinem Leben erzählt hat. Die neue Reclam-Ausgabe bringt Vasaris Text, ergänzt durch Kommentare und eine Hinführung zu seinem Werk durch Roland Kanz. Daneben enthält der schmale Band auch Abbildungen der von Vasari erwähnten Kunstwerke. Ein Büchlein, das man in die Tasche stecken und mit dem man bester Laune spazieren gehen kann, um überall unterwegs darin ein wenig zu lesen und sich an eigene Raffael-Eindrücke zu erinnern!

Giorgio Vasari: Das Leben des Raffael von Urbino. Reclam 2020

  • Wie erlebt man eigentlich Italien – seine Städte, seine Landschaften, seine Menschen, seine Kunstwerke? Genau von diesen besonderen Erlebnisformen erzählt Hanns-Josef Ortheil in dieser von ihm selbst ausgewählten und kommentierten Sammlung seiner Italien-Begegnungen aus den letzten fünfzig Jahren. Kein „Bildungsbuch“, sondern eines, das die Palette der Annäherungen eines Fremden an die italienischen Kulturen (Rom, Venedig, Sizilien, Adriaküste) entwirft: begeistert, hingerissen!

 Hanns-Josef Ortheil: Italienische Momente. btb 2020

  • Der Kulturhistoriker Volker Reinhardt hat die große Erzählung von Italiens Wegen hin zu den jeweils eigenen Kulturen seiner Stadtstaaten seit der Antike geschrieben. Religion, Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, Architektur – alle Bereiche werden in eigenen Kapiteln anhand von zentralen Erscheinungsformen und Gestalten der Italianità vorgestellt. So wird man durch ein wunderbar weit gespanntes Panorama geführt und ist auf jeden Italien-Besuch auf ideale Weise vorbereitet, um das dort Gesehene mit dem Blick auf die größeren Zusammenhänge zu verstehen.

 Volker Reinhardt: Die Macht der Schönheit. Kulturgeschichte Italiens. C.H. Beck 2019

Letzte Geschenke 2 – Japan

(Viele Leserinnen und Leser haben mich um Empfehlungen für Buchgeschenke gebeten, bezogen auf Bücher anderer Autorinnen und Autoren – und auf meine eigenen Titel. Ich möchte beides miteinander verbinden – in Folge 2 geht es dabei um JAPAN!)

  • Saigyô (1118-1190) ist der Name eines buddhistischen Mönches, der als einer der ersten großen Lehrmeister und Wanderpoeten der japanischen Dichtung gilt. Die Sammlung der „Gedichte aus der Bergklause“ stellt sogenannte Waka zusammen – Kurzgedichte, die prägnante Bilder mit Einsichten in Lebensprozesse verbinden. Der Japanologe Ekkehard May hat sie nicht nur übersetzt, sondern vor allem präzise kommentiert und damit ihre Lektüre auch für westliche Leserinnen und Leser zugänglich gemacht. Ein Meditationsbuch in Coronazeiten!

Saigyô: Gedichte aus der Bergklause. Ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Ekkehard May. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2018

  • Matsuo Bashôs (1644-1694) Reisetagebuch „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“ ist ein Klassiker der japanischen Dichtung. Es erzählt von einer monatelangen Wanderung durch den Norden Japans, dem Besuch von Kultstätten, der Vertiefung des Wandernden in Naturräume und wird dadurch auch zu einem großen Projekt der Selbstbetrachtung. Anregend für alle, die gerne auf konzentrierte Weise zu Fuß unterwegs sind und dabei die Umgebung auch als spirituellen Raum zu lesen verstehen.

Matsuo Bashô: Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland. Aus dem Japanischen übertragen sowie mit einer Einführung und Annotationen von G. S. Dombrady. Mit einem Nachwort von Ekkehard May. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2017 

  • Im Jahr 1801 kehrt der damals bereits zu einiger Berühmtheit gelangte Haiku-Dichter Issa (1763-1827) nach langer Abwesenheit in seine Heimatregionen zurück und trifft dort auf seinen alten, sterbenskranken Vater. Sein Buch über dessen „letzte Tage“ ist ein Tagebuch, konfuzianisch inspiriert und durchsetzt von Haikus, die sich der Einbeziehung der Sterbezonen widmen. Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil porträtiert in einem langen, einleitenden Essay Issas Buch mit dem Blick auf unterschiedliche Sterbeszenarien der Weltliteratur.

Issa: Die letzten Tage meines Vaters. Übersetzt von G.S. Dombrady. Mit einem einleitenden Essay von Hanns-Josef Ortheil. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2020 

  • Seit vielen Jahren ermöglicht der Japanische Taschenkalender eine von Matsuo Bashô und seinen Schülern inszenierte Wanderung durch ein ganzes Jahr. Man erlebt die Jahreszeiten anhand der klassischen japanischen Haiku-Literatur, folgt den dazu gehörenden Riten und Festen und lernt die Haiku-Literatur mit Hilfe der Kommentare des Japanologen Ekkehard May tiefer und genauer verstehen. Die schönste Form, ein ganzes Jahr mit einem auch nach Osten gerichteten Blick und den davon ausgehenden elementaren Inspirationen zu verbringen!

Japanischer Taschenkalender für das Jahr 2021. Mit 52 Haiku von Matsuo Bashô und seinen Meisterschülern. Hrsg. von Imma Klemm. Übersetzt von Ekkehard May. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2020

 

Letzte Geschenke 1 – Paris

(Viele Leserinnen und Leser haben mich um Empfehlungen für Buchgeschenke gebeten, bezogen auf Bücher anderer Autorinnen und Autoren – und auf eigene Titel. Ich möchte beides miteinander verbinden – in Folge 1 geht es dabei um PARIS!)

  • Der algerische Schriftsteller Kamel Daoud (geb. 1970) hat eine ganze Nacht allein im Pariser Picasso-Museum verbracht. Dort untersucht er, begleitet von einem erdachten islamistischen Gesprächspartner, die kulturellen Hintergründe von Picassos erotischen Bildern. Kein einschläfernder Museumsrundgang, sondern, ganz im Gegenteil: brillant formulierte Reflexionen über westliche Bilderwelten und darüber, wie sie von der arabischen Welt wahrgenommen werden.

 Kamel Daoud: Meine Nacht im Picasso-Museum. Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer. Kiepenheuer & Witsch 2020

  • Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil hat seit den siebziger Jahren häufig in Paris gelebt und besonders das fünfte und sechste Pariser Arrondissement, das alte Zentrum der französischen Hauptstadt, detailliert erkundet. Sein Paris-Buch ist ein gutes Beispiel emphatischer Psychogeografie eines städtischen Raums – Straße für Straße werden die kulturellen Codes der Umgebungen entschlüsselt: Im Blick auf Literatur, Kunst, Mode, Film und Musik… – Ein Paris-Rausch!

Hanns-Josef Ortheil: Paris, links der Seine. Mit Fotografien von Lukas Ortheil. Insel-Verlag (Taschenbuch) 2019

  • Der Journalist Alfons Kaiser (geb. 1955) arbeitet seit vielen Jahren als Redakteur bei der FAZ – beste Voraussetzungen, um die erste große Biografie über Karl Lagerfeld zu schreiben. Kaiser hat viele Freunde und Bekannte befragt und ist mit Hilfe eines umfangreichen Quellenstudiums den Mythen um den wortgewandten Modeschöpfer nachgegangen. Nicht nur eine Biografie, sondern auch eine gut geschriebene Erzählung über einen Biotop, in dem ein norddeutsches Gewächs aufblühte und sich in mehrere parallele Existenzformen verwandelte.

Alfons Kaiser: Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris. C.H. Beck 2020

  • Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil hat im Paris der Siebziger Jahre keinen französischen Intellektuellen so sehr bewundert und gelesen wie Roland Barthes. Jahrzehnte später hat er ihm eine Hommage gewidmet, indem er ihn auf seinen einsamen, nächtlichen Spaziergängen durch Paris verfolgt. Die Lebensgeschichte dieses Philosophen entwickelt sich dabei wie ein intimer Film, und von den noch heute prägenden Milieus von Paris wird so erzählt, dass man sofort in den Cafés rund um Saint-Germain-des-Prés Platz nehmen möchte.

 Hanns-Josef Ortheil: Die Pariser Abende des Roland Barthes. Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2017