Meine Abendmusik 5 zum Zweiten Advent

(Der einsame Schriftsteller und Pianist während der Video-Aufzeichnung seiner Lesung im Kulturwerk Wissen/Sieg)

Tickets zum Preis von 12 Euro sind in allen Reservix-Vorverkaufsstellen sowie über den Ticketshop der Seite kulturwerkwissen.de erhältlich.

Hanns-Josef Ortheil

Abendmusik 5: In meinen Gärten und Wäldern

(Im Kulturwerk Wissen/Sieg, ab dem 6.12.2020, 18 Uhr)

Ablaufplan

  1. Einleitung: Thema (Gärten und Wälder)/ Erläuterungen zum Thema/ Worum es im Folgenden geht/ Ausblick/
  2. Musik 1 – August Harder/ Paul Gerhardt: Geh aus mein Herz und suche Freud…(MDR Rundfunkchor Leipzig)

Die spätbarocke Idee des Gartens als tröstlicher Raum – Das Gedicht als Trostlied nach den Katastrophen des Dreißigjährigen Krieges – Der Garten als göttliche Schöpfung – sein Verweischarakter

  1. Der Garten meiner Eltern im Westerwald (Lesung aus „Was ich liebe und was nicht“, S. 381-387)
  2. Der Winter: Musik 2 – Aus Joseph Haydn: Die Jahreszeiten/Der Winter (Leipziger Kammerorchester unter Morten Schuldt-Jensen)

Orchestrales Vorspiel zum „Winter“/Die Nebel, die Düsternis, die Schwere dieser Jahreszeit

  1. Der Winter – Foto Das winterliche Leuchten (Lesung aus „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 13-21 (gekürzt))
  2. Musik 3 – Volkslied mit einem Text von Johann Wolfgang von Goethe: Ich ging im Walde so für mich hin…(The King’s Singers)

Die Blume als Objekt der „schönen Erinnerung“/Das autobiografische Moment: Goethe schreibt das Gedicht am 26.08.1813 im Rückblick auf seine erste Begegnung mit Christiane Vulpius (seiner späteren Ehefrau) am 12.Juli 1788, nach seiner Rückkehr aus Italien

  1. Mein Stuttgarter Garten (Lesung aus „Was ich liebe und was nicht“, S. 397-400)
  2. Der Vorfrühling – Foto Zwei Blütenpaare (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S.26)/ Foto Die Seiltänzer (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 30)/ Foto Schneeglöckchen (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 56)/ Foto Buschwindröschen (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 34)/ Foto Veilchen (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 46)
  3. Musik 4 – Ein Veilchen auf der Wiese stand (Goethe/Mozart KV 476 – Barbara Bonney und Geoffrey Parsons)

Die Blume als Sinnbild der Liebesempfindung/Ihre Freuden, ihr Schmerz/Die Blume als psychisches Objekt

  1. Vögel im Garten (Lesung aus „Was ich liebe und was nicht“, S. 394-397)
  2. Musik 5 – Aus Gustav Mahler: Ging heut‘ morgen über‘s Feld (Christian Gerhaher/Simon Rattle/Berliner Philharmoniker)

Feld und Wald als Stratosphäre des Gehens, Erlebens, der Umsicht/Der gestaltete, wahrgenommene Gang/Der Rückbezug auf ein schmerzhaftes Erlebnis

  1. Der Frühling – Foto Forsythien (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 67)/ Foto Löwenzahn (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 81)/ Foto Glyzinien (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 97)
  2. Musik 6 – Maurice Ravel: Le jardin féerique, aus: Ma Mère l’Oye (Orchestre Philharmonique de Radio France/ Myung-Whun chung)

Die impressionistische Ausmalung des reichen, blühenden Gartens/Die wahrgenommene Fülle/Das innere, geduldige Erleben/Die Schönheit als Autonomie der Gartenerscheinung

  1. Der Sommer – Foto Mohn (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 113)/ Foto Nachtkerzen 1 (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 114 und 127)/ Foto Hibiskus (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 132)
  2. Musik 7 – Robert Schumann: Der Springbrunnen, op. 85, Nr. 9, aus: 12 Klavierstücke für kleine und große Kinder (Paola del Negro/ Roberto Plano)

Robert Schumanns Idee der „Hausmusik“ als musikalische Vergegenwärtigung kindlichen Sehens und Erlebens/Das musizierte Objekt/Der Springbrunnen als Zentrum der Gartenarchitekturen

  1. Der Herbst – Foto Quitten (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 163)/ Foto Winteräpfel (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 169)/ Foto Beruhigung (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 161)/ Foto Eiswein (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 170)
  1. Ausklang – Foto Der Blick in die Wolken (Lesung: „In meinen Gärten und Wäldern“, S. 183)
  2. Musik 8 – Ludwig van Beethoven: Abendlied unter’m gestirnten Himmel, WoO 150 (Peter Schreier & Walter Olbertz)

Beethovens planetarische Himmelssicht/Das „erhobene Auge“/Der weite Himmel/Die Offenheit und Größe der angestrahlten Empfindung: Sich erheben…

  1. Verabschiedung – Ende – Applaus????

 Mein Dank gilt dem Land Rheinland-Pfalz, dem Kreis Altenkirchen, der Stadt Wissen, den Mitarbeitern des Kulturwerks Wissen/Sieg und Maria Bastian-Erll, der Veranstalterin dieses Abends vom „buchladen Wissen“!!

Signierte Exemplare von „In meinen Gärten und Wäldern“ erhalten Sie ausschließlich über den „buchladen“ (Tel. 02742-1874)!!

 FINIS

Fasten 3 (im Advent)

In diesen stillen Adventstagen bemühen wir uns weiter um ein genussreiches Fasten.

Diesmal geht es um Kutteln, nicht auf schwäbische, sondern auf italienische Art: mit viel Weißwein, Oliven und starken, scharfen Gewürzen.

Wie ich sie zubereite, habe ich in einer Erzählung genauer beschrieben, die in einem Buch über die Tafelfreuden von Schriftstellerinnen und Schriftstellern erschienen ist. Sie laden ein, ihre Lieblingsgerichte nachzukochen und berichten von den Hintergründen ihrer Passionen:

Tafelrunde. Schriftsteller kochen für Ihre Freunde. Hrsg. von Angelika Overath, Silvia Overath und Manfred Koch. Luchterhand-Verlag

 

Klimaschutz als Lebenspraxis

(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)

Mein Freund Hermann und ich kamen auf die Themen Klima- und Umweltschutz zu sprechen. Ich sagte, dass mir das ökologische Vokabular oft sehr trocken, bürokratisch und glanzlos erscheine. Könne man darüber nicht eleganter reden und schreiben? „Erneuerbare Energien“ oder „nachhaltige Substanzen“ – solche Formulierungen muss sich ein Jurist ausgedacht haben, sagte ich. Sie wirken ja geradezu einschläfernd fad.

Hermann reagierte aber nicht auf mein Gemaule, sondern erzählte recht impulsiv von den Aktivitäten seiner siebzehnjährigen Tochter, die im kommenden Jahr Abitur macht. Mit was Johanna sich nicht alles beschäftigt! Für die, sagte er, ist „Klimaschutz“ nicht bloß ein theoretisches Thema, sondern eine individuelle Praxis des eigenen Handelns.

Während der letzten Sommerferien arbeitete sie in einem landwirtschaftlichen Betrieb, wo sie viele konkrete Details über Saaten, Böden und Fruchtfolgen erfuhr. Zusammen mit einer Freundin kümmert sie sich seitdem um einen Garten in der Nachbarschaft. Schon längere Zeit kocht sie zwei-, dreimal in der Woche am Abend für die ganze Familie und kauft vorher bei ausgewählten Geschäften ein, weil sie sich über unsere Ernährung ebenfalls viele Gedanken gemacht hat.

Klimaschutz, sagte Hermann, besteht für meine Tochter eben aus dem ganz alltäglichen Umgang mit anderen Menschen, Pflanzen, Tieren und Dingen – darüber spricht sie sehr konkret und davon erzählt sie sie so lebendig, dass Du Dich wundern würdest! Da geht es nicht abstrakt um Klima und Umwelt, sondern detailliert um Erfahrungsmomente der Lebenspraxis: Mit welchen Verkehrsmitteln sollen wir reisen? Wie sollte ökologische Städteplanung in unseren Veedeln aussehen? Wo können wir lokal einkaufen und dabei auf kurze Handelsketten achten? Wie schaffen wir es, weniger Unnützes zu konsumieren und beim Konsum auf nachhaltige Dinge und Waren zu setzen?

Das alles ließ mich selbst an meine eigenen Jugendjahre denken. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir damals keine einzige dieser praktischen Fragen gestellt. Stattdessen war mein Kopf übervoll von Theorien und Lektüren. Ich habe Adorno, Benjamin oder Habermas gelesen und an dem Projekt einer von der Frankfurter Schule inspirierten Kulturkritik gefeilt. In konkrete Lebenspraxis ließ die sich nur schwer verwandeln.

Als ich Hermann davon erzählte, bestätigte er das: Ja, auch er habe sich in seinen Studentenjahren viel auf seine kulturkritischen Weisheiten eingebildet! Seine Tochter Johanna dagegen sei Teil einer aktiven Jugendbewegung, die eben viel pragmatischer denke und ihr Handeln vor dem Hintergrund einer deutlich erkennbaren Ethik gestalte. Ethik! Das Wort hätten wir früher, sagte Hermann, nicht einmal in den Mund genommen – jetzt ist das anders.

Stimmt, antwortete ich und fragte: Was liest Deine Tochter denn so? – Zum Beispiel Das Prinzip Verantwortung von Hans Jonas! Wenn wir von Ethik reden, enthält dieses Buch ihre philosophischen Begründungen. – Das Buch ist von 1979! entgegnete ich. – Aber immer noch hochaktuell, sagte Hermann, Robert Habeck hat sogar das Nachwort zur Neuauflage in diesem Jahr geschrieben!

Gegen Hans Jonas im Verbund mit Robert Habeck kam ich nicht mehr an – und werde als alter Theorienfreak ab sofort Hans Jonas lesen…

Ortheil liest 2 – Rückblick und Ausblick

Gute, verblüffende Nachrichten: Den Livestream meiner Lesung und meines Gesprächs mit Klaus Siblewski über Italienische Momente haben sage und schreibe ca. 2500 Leserinnen und Leser gesehen!! Grazie mille per questo bagno nella vita italiana!… – hat ein Leser geschrieben, und eine Leserin hat sich über die wunderschönen Beschreibungen von Venedig gefreut und mich animiert, in Zukunft auch Gedichte zu schreiben…

Dazu kann ich nur sagen: Vielen Dank, ich bin immerhin bereits auf dem Weg. Mein neues Buch In meinen Gärten und Wäldern besteht nämlich vor allem aus sogenannten Prosagedichten in der Tradition französischer Literatur (poèmes en prose), wie sie Charles Baudelaire begründet hat.

Meine zweite Online-Lesung am kommenden Sonntag, 6.12.2020, 18 Uhr, ist die Videoaufzeichnung einer Lesung aus diesem Buch, die ich zusammen mit den Technikern des Kulturwerks von Wissen/Sieg aufgenommen habe. Bilder, Musik und Lesung sind als eine multimediale Präsentation gestaltet.

Tickets zum Preis von 12 Euro sind ab sofort in allen Reservix-Vorverkaufsstellen sowie über den Ticketshop der Seite kulturwerkwissen.de erhältlich. Wer bereits eine Eintrittskarte für die Live-Veranstaltung gekauft hat, kann sie auf Wunsch in ein Online-Ticket umtauschen, andernfalls erstattet der Veranstalter (buchladen Wissen, Tel. 02742-1874, buchladenwissen@web.de) den Eintrittspreis.

Über den buchladen Wissen erhalten Sie auch von mir eigens signierte Exemplare von In meinen Gärten und Wäldern. Für eine Bestellung nehmen Sie bitte telefonisch Kontakt mit der Buchhandlung auf oder melden Sie sich per Mail. Signierte Exemplare des Buches erhalten Sie ausschließlich über diese Buchhandlung, die auch die Veranstalterin der Lesung am Sonntag ist.

In meinen Gärten und Wäldern ist nicht nur ein Buch, das ein ganzes Jahr (vom Winter bis zum Herbst) durch ein Gartenjahr führt – nein, es lässt sich auch als Jahreskalender von Naturbeobachtungen lesen und verschenken. Signiert ist ein solches Buch ein besonders schönes Präsent im Advent! Machen Sie also bitte reichen Gebrauch von dem Angebot, beim buchladen Wissen zu bestellen, die bestellten Exemplare werden Ihnen von dort aus zugeschickt!!

 

Ein Gästebuch für den Advent

  • Leanne Shapton: Gästebuch. Gespenstergeschichten. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz. Suhrkamp Verlag

 Advent, Weihnachten und Silvester – das sind die schönen Zeiten des Jahres, in denen wir mit der Familie, lieben Freunden und willkommenen Gästen zusammenkommen. In diesem Jahr  verläuft das unter erschwerten Bedingungen und nur in sehr reduzierter Form.

Umso anregender ist das Gästebuch der kanadischen Schriftstellerin Leanne Shapton, die mich jedes Mal aufs Neue mit einem orginellen Buchprojekt überrascht (sie hat einzigartige, ungewöhnliche Bücher über das Schwimmen, Frauen & Kleider oder auch über das Gehen durch Manhattan geschrieben…).

Wovon das Gästebuch erzählt, möchte ich nicht verraten. Man sollte dieses geheimnisvolle Werk einfach langsam durchblättern und in kleinen Mengen auf sich wirken lassen: die blassen Fotografien und Zeichnungen, die rätselhaften Texte und Kommentare, die auf- und abtretenden Geister und Gespenster – und damit das ganze Lebenstheater überraschender biografischer Splitter und kleiner Sequenzen! Danach wird man Advent, Weihnachten und Silvester sehr anders erleben…

Fasten 2 (im Advent)

Wie vor einigen Tagen bereits angedacht, bemühen wir uns in diesen Wochen (und verstärkt im Advent) um genussreiches Fasten.

Dafür eignet sich zum Beispiel ein Risotto, den wir mit Pilzen anrichten. Das geht sehr einfach. Wir schwitzen sehr fein gehackte Zwiebeln in Olivenöl an und fügen klein geschnittene Pilze hinzu. Dazu etwas Weißwein. Darauf den Risotto-Reis hinzugeben, dann etwas Brühe. Rühren, rühren, rühren, bis alles weich und cremig ist. Geriebenen Parmesan und etwas Butter hinzu. Rühren. Vielleicht noch etwas Weißwein? Rühren, riechen, kosten – und der Genuss ist vollkommen.

Warum aber Risotto, jetzt, im Winter? Weil er seine Zutaten (Pilze, Fisch, Gemüse) auf ideale Weise veredelt, indem er ihren jeweiligen Geschmack verstärkt und an die cremigen Reiskörner bindet. Sie sind gleichsam die Medien der Zutaten, ihre Übertragungsboten, und sie können das besser und intensiver als jede Pasta.

Soweit meine Philosophie des Risotto…

Schenken im Advent

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich einen intensiven, gehaltreichen Advent!

Ich schlage vor, die schöne Geste des Schenkens nicht auf Weihnachten zu beschränken, sondern den ganzen Advent über zu schenken… Dann könnte „Weihnachten“ sich etwas entkrampfen und lockern und ein entspanntes Fest werden…

Um so richtig in  Schenkerinnen- und Schenkerlaune zu kommen, empfehle ich ein dazu ein passendes Buch:

Susanne Kippenberger, Redakteurin beim Berliner Tagesspiegel, hat nämlich eine Geschichtenserie über das Schenken geschrieben. Gemeint ist nicht das Schenken in letzter Minute oder das kalkulierte Schenken mit Nebengedanken, sondern ein freudenspendender Akt: Anderen, aber auch sich selbst eine Freude zu machen, wenn man eine singuläre, beschenkenswerte Passion an ihnen erkannt und in Erinnerung behalten hat.

In guten Momenten findet man irgendwo in der Welt dann vielleicht einen Gegenstand oder auch nur eine Idee oder Geste, die man solchen Menschen schenkt oder widmet.

Ein Buch, das einen emphatisch zum Schenken verführt..:

Susanne Kippenberger: Die Kunst der Großzügigkeit. Geschichten einer leidenschaftlichen Schenkerin. Hanser Berlin

Geschenkt haben mir meine venezianischen Freundinnen und Freunde heute zum ersten Advent ein wunderschönes Foto, das den Blick auf Venedig mit dem Blick auf adventliche Stimmungen geschickt verbindet:

 

 

Rom meldet sich

Auch die Deutsche Botschaft in Rom hat meine Italienischen Momente (btb) zur Kenntnis genommen und meine Grüße an die italienischen Freundinnen und Freunde auf Facebook veröffentlicht –

https://www.facebook.com/177219275668614/posts/3691787620878411?d=n&sfns=mo

Das Live-Gespräch mit meinem Lektor Klaus Siblewski über dieses Buch, das sehr viele Leserinen und Leser gesehen haben, kann man hier noch einmal in Ruhe anschauen:

https://www.litlounge.tv/

Grund genug, einmal etwas pathetisch und erinnerungsselig zu werden, in Erinnerung an

I migliori anni della nostra vita:

 

 

Die nächste Lesung – als Videogesamtkunstwerk zum zweiten Advent

Nach meiner Lesung und dem Gespräch mit meinem Lektor Klaus Siblewski über die Italienischen Momente (btb) wird es als nächstes eine Video-Präsentation meines neuen Buches In meinen Gärten und Wäldern (DVB Mainz) geben.

Zusammen mit den Technikern des Kulturwerks in Wissen/Sieg arbeite ich daran, meine Fünfte Abendmusik (eigentlich als Präsenzveranstaltung geplant) multimedial zu gestalten: Sie sehen 1) meine Fotografien, erleben 2) meine Lesung aus dem neuen Buch und können 3) die von mir ausgewählte Musik hören: Bild, Lesung und Ton – als Gesamtkunstwerk!

In dem neuen (besonders schön gestalteten) Buch habe ich viele Pflanzen, Sträucher und Bäume porträtiert, die in meinen Stuttgarter und Westerwälder Gärten und Wäldern zu finden sind. Meine Aufzeichnungen folgen dem Kreislauf eines Jahres, beginnend mit winterlich kargen Flächen und endend mit den Abschiedsmotiven des Herbstes. Ergänzend dazu werden Blumen-, Garten- und Waldmusiken von Mozart, Schumann, Schubert, Ravel und anderen Komponisten eingespielt und erläutert.

Da eine solche Präsentation (anders als ein Livestream) viel Arbeit macht und Zeit braucht, kann sie leider nicht gratis ins Netz gestellt werden. Sie benötigen, um das Ganze (ab Sonntag, 6. Dezember, 18 Uhr) sehen zu können, ein Online-Ticket.

Diese Tickets sind zum Preis von 12 Euro ab sofort in allen Reservix-Vorverkaufsstellen sowie über den Ticketshop der Seite kulturwerkwissen.de erhältlich. Wer bereits eine Eintrittskarte für die Fünfte Abendmusik gekauft hat, kann auf Wunsch in ein Online-Ticket umtauschen, andernfalls erstattet der Veranstalter (buchladen Wissen, Tel. 02742-1874, buchladenwissen@web.de) den Eintrittspreis.

Ich freue mich auf diese ganz besondere Veranstaltung zum Zweiten Advent, die eigens für meine Leserinnen und Leser „rund um den Globus“ (sage ich mal pathetisch) organisiert und aufgezeichnet wird.

Wie lebt es sich in Quarantäne?

(Gestern auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)

Giulio (25 Jahre) ist der Sohn von Bella und Enzo, mit denen ich seit vielen Jahren befreundet bin. Sie besitzen ein italienisches Restaurant in Köln, Giulio soll es einmal übernehmen und war deshalb zur Ausbildung einige Monate in Italien. Dass auch dieses Land zum Risikogebiet erklärt würde, hat er nicht erwartet, die Nachricht ereilte ihn dort. Jetzt ist er wieder zu Hause und muss in Quarantäne.

Wie aber geht das? Und was gibt es zu beachten? Da die ganze Familie nicht richtig Bescheid wusste, hat man sich bei der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ informiert. Die Quarantäne, hieß es, sei eine „zeitlich befristete Absonderung“. Um jede mögliche Gefährdung anderer auszuschließen, hat sich Giulio in Isolierung begeben. Das bedeutet ein Leben im Einzelzimmer, keine gemeinsamen Mahlzeiten, keine gemeinsame Verwendung von Haushaltsgegenständen, regelmäßiges Säubern von Oberflächen mit Desinfektionsmitteln, häufiges Lüften aller Räume und Tragen von Mund-Nasenschutz, wenn Begegnungen mit den Eltern unvermeidlich sind. Kontakte zu anderen Personen sind ausgeschlossen.

Was aber macht man in Quarantäne? Giulio möchte nicht skypen und sich mit Freunden unterhalten. Sieht er, wie sie sich frei bewegen, tut ihm das gar nicht gut, sondern stimmt traurig. Filme sehen hat dieselbe Wirkung. Actionfilme gehen gar nicht, und Liebesfilme sind ein Gräuel. Er ist allein, Action und Zweisamkeit sind nicht möglich, und dass ihm Filme jetzt etwas vorgaukeln, wäre das Letzte. „Hast Du was zu lesen, das passt?“ fragte er mich.

Ich habe ihm den Debütroman Hikikomori von Kevin Kuhn empfohlen. Er erzählt von einem Jungen, der sich mit einem Computer in seinem Zimmer einschließt und dort eine eigene Welt kreiert. Der Titel ist japanisch und meint ein Verhalten von Personen, die sich von der Umwelt absondern und so wenig Kontakte wie möglich aufnehmen. In Japan sollen über eine Million Menschen so leben und zwar keineswegs nur jüngere, sondern vor allem ältere ab vierzig Jahren.

Ein Onkel hat Giulio dagegen ein Buch über das Leben des heiligen Antonius geschenkt. Von dem hatte er bisher nur wenig gehört. Stark beeindruckt hat ihn die extreme Einsamkeit, auf die Antonius sich eingelassen hatte. Mönchtum, Wüste, Leere, keine anderen Menschen – wie hält man das aus?

Nach diesen Lektüren betrachtet Giulio die Isolierung als eine Art Experiment und macht sich über alles Gedanken. Tagsüber schlafen? Nachtaktiv leben? Konsequente Askese mit entsprechend frugaler Ernährung? Gymnastik oder ein anderes Training? Klavierspielen? Tagebuch führen? Zuletzt schickte er mir eine Mail: „Ich könnte mich nach fünf Tagen testen lassen und käme bei negativem Ergebnis frei. Ich denke aber nicht dran, sondern bleibe mindestens vierzehn Tage in Quarantäne.“

Ich habe Giulio eine Postkarte mit dem Bild der Versuchung des heiligen Antonius von Hieronymus Bosch geschickt. Damit er ahnt und darauf vorbereitet ist, was ihn erwartet.