Sommerliche Fahrt zum Bahnhof Rolandseck

Der Bahnhof Rolandseck ist ein Juwel am Rhein, unweit von Bonn. Seine lange Geschichte führt in die Frühzeit des Eisenbahnbaus zurück. Hier einige Daten:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Rolandseck

Die Schönheit des vielfach restaurierten Baus antwort auf die des nahen Rheinpanoramas. Eine dritte sehr sehenswerte Komponente ist das Arp-Museum des Architekten Richard Meier oberhalb des Bahnhofs, im Grünen gelegen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Arp_Museum_Bahnhof_Rolandseck

Drei Gründe, eine sommerliche Fahrt dorthin zu planen und möglichst bald auch zu unternehmen.

Wer aber die märchenhafte Geschichte dieses Raumes kennenlernen will, wird sie erfahren, wenn er das Buch über das Lebenswerk des Johannes Wasmuth liest – des eigentlichen Erfinders von Rolandseck, der magische Gaben besaß.

Unbedingt lesen, um die Hintergründe zu verstehen und vielen Menschen zu begegnen, die sich für dieses Areal begeistern ließen:

Bahnhof Rolandseck

Alexander Malofeev begeistert

Der junge russische Pianist Alexander Malofeev (geb. 2001) begeistert gegenwärtig das Konzertpublikum in aller Welt.

Gestern war er im Festivalsommer von 3sat im Rahmen des Lucerne Festivals mit dem Ersten Klavierkonzert in fis-moll op. 1 von Sergej Rachmaninow zu hören!

Ich empfehle dieses Konzert besonders – es ist eine große Freude, diesen Jungstar zu sehen und zu hören:

https://www.3sat.de/kultur/musik/lucerne-festival-2024-102.html

Wim Wenders wird 80 Jahre alt

Am 14. August 2025 wird der Filmregisseur Wim Wenders achtzig Jahre alt. Viele seiner Filme habe ich gerne und manche auch mehrmals gesehen.

Für meine eigenen Arbeiten waren Alice in den Städten (1974), Falsche Bewegung (1975) und Im Lauf der Zeit (1976) sogar wegweisend und inspirierend (im Blick auf meinen Debütromen Fermer (1979).

Arte wird ab dem 11. August einige seiner Filme zeigen, darunter auch Paris, Texas und Pina.

Aus Anlass seines Geburtstages widmet ihm die Bundeskunsthalle in Bonn eine Ausstellung, die noch bis zum 11. Januar 2026 läuft und gerade eröffnet wurde. Ich empfehle den Besuch.

https://www.bundeskunsthalle.de/wim

Die Tintenfassmadonna und das Schreiben

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs – die halbe Welt ist nun im Urlaub und macht eine Pause. Das möchte ich Ihnen und diesem Blog, den ich seit Beginn des Jahres bereits mit mehr als 120 Beiträgen (!) gefüttert habe, nicht zumuten. Stattdessen werde ich in den nächsten zwei bis drei sommerlichen Wochen neue Beiträge mit Fragmenten von früheren mischen – und so das Novum (das Aktuelle) mit dem Best of (dem Nachhallenden) verbinden. Ich hoffe, Sie haben daran jene Freude, die ich auch vielen Ihrer anerkennenden Mails und Zuschriften (großen Dank dafür!) entnehme. Machen wir also ein Sommerexperiment, ich beginne mit einer Figur, die mein Leben begleitet hat:

Hildesheimer Dom
Hildesheimer Dom

 

Bereits 1990, zu Beginn meiner Lehre des Literarischen Schreíbens an der Universität Hildesheim, entdeckte ich im dortigen Dom die seltene Holzstatue einer um 1430 entstandenen Tintenfassmadonna.

Von dieser Skulptur ausgehend, habe ich mit Johannes Schröer vom Kölner Domradio über die Einflüsse spiritueller Erfahrungen auf das Schreiben gesprochen. Hier kann man das Gespräch (auf vielfach geäußerten Wunsch) nochmal nachhören:

https://www.domradio.de/audio/mit-der-tintenfassmadonna-als-patronin

Die Alten und die Jungen

(Am 01.08.2025 auch als Kolumne im Kölner Stadt-Anzeiger, S. 4)

Wenn ich mit meinen älteren Freunden unterwegs bin, gelangen wir im Gespräch oft an den Punkt, an dem wir innehalten und darauf zu sprechen kommen, wie sehr wir aus der Zeit gefallen sind. So nämlich fühlen wir uns im Vergleich mit den jungen Menschen, die in ganz anderen Welten leben. Sie bestehen vor allem aus digitalen Social Media-Szenen, bei denen es nicht auf Texte, sondern auf die verblüffende Leuchtkraft der Inszenierungen ankommt. Die nehmen auch wir gerade noch zur Kenntnis, verpassen aber die dahinter verborgenen kleinen Signale, die man nur durch Mitgliedschaft in den Jugendclubs der Musik- und Trenddebatten erwirbt.

Hinzu kommt, dass diese Szenen global und damit sehr weit angelegt sind. Der jugendliche Erfahrungsraum besteht nicht mehr aus Haus, Straße und Wohnort, sondern aus interkontinental entworfenen Bezügen, die durch Kontakte und Freundschaften entstehen. Hanna geht noch zur Schule, hat von Abdel aber längst erfahren, wo sie im nächsten Sommer in Algerien als Aushilfskraft arbeiten kann. Vielleicht reist sie auch in den fernen Osten, das hängt von kleinen Zufällen ab, zum Beispiel davon, welche Instagram-oder Chat-Connections dorthin sich als beständig erweisen.

„Kind, was willst Du denn in Algerien oder dem fernen Osten?“, fragt mein Freund Georg, erhält aber keine richtige Antwort. Eher ist Tochter Hanna erstaunt darüber, dass sie so etwas überhaupt gefragt wird. Algerien liegt schließlich gleich um die Ecke, und den fernen Osten kennt sie schon aus Fotos, die in großer Zahl durch die digitalen Kanäle hasten und Erlebnisreiseziele vermitteln.

Hanna ist eben eine Weltbürgerin, sagt ihre Mutter, was Hanna für typischen Alters-Kappes hält. Weltbürger nannte man früher Menschen, die nicht richtig wussten, wohin sie gehörten. So eine Heimatlose ist Hanna aber gerade nicht, eher ist es so, dass sie ihr bescheidenes Zuhause laufend transzendiert. Sie belässt es nicht bei seinen übersichtlichen Maßen, sondern träumt in virtuellen Fantasien von der Weite, ohne die Entfernungen als Hindernis zu betrachten.

Solche Hindernisse gibt es nicht mehr, die Jugendsprache besteht aus einem geläufig gewordenen Englisch, und Hanna spricht längst noch zwei weitere Fremdsprachen, nicht perfekt, aber so, dass sie sich mit anderen Jugendlichen in diesen Sprachen unterhalten kann. So lebt sie in einer ununterbrochenen Nähe zu den Anderen, die gar keine Anderen mehr sind. Nach wenigen Minuten hat sie sich mit ihnen verständigt, und genau das ist entscheidend. Verständigung auf Grund einer tief empfundenen Gemeinsamkeit, die durch das Netz hergestellt wird und sich durch jeden Klick bestätigen und auffrischen lässt.

Meine älteren Freunde macht dieses Klicken und Dabeiseinwollen atemlos, sie haben es aufgegeben, irgendwie mitzuhalten. Die technischen Details lassen sie sich gerne erklären, aber deren Kenntnis bedeutet nicht viel. Im Netz begibt man sich in ominöse Zugehörigkeiten, deren Regeln nirgends stehen und immer neu und gegenwärtig ausgetauscht werden. „Im Grunde ist das weltweites, großes Theater“, sagt Georg, das Dumme sei nur, dass es keine vorgegebenen, bekannten und vertrauten Rollen mehr gebe. Regisseure gebe es auch keine mehr, denn die Rituale der Verständigung führten eigenständig Regie, nicht böswillig, sondern spontan und punktuell, aus sich heraus, über die Köpfe der Älteren einfach hinweg.

„Und was bleibt uns?“, fragen meine Freunde. „Die Jungen transzendieren, nun gut, wir aber regredieren von Tag zu Tag mehr. Längst leben wir wieder in Welten, die wir in der Kindheit kennenlernten und überwunden zu haben glaubten. Es sind die des kalten Krieges, der Supermächte und der harten Drohungen. Der alte Donald hat uns gerade wieder einen Strick daraus gedreht: Zölle hoch oder Geld her, und wenn alles nichts hilft, ziehen wir den Verteidigungsschirm ab und setzen ihn gewinnbringend anderswo ein, zum Beispiel in Algerien oder dem fernen Osten.“

Die gehobene Küche – Auguste Escoffier

Haute Cuisine – oder gehobene Küche – das ist jenes artifizielle Kochen, das wir der französischen Kochkunstgeschichte verdanken.

Aus gegebenem Anlass (Vincent Moissonnier hat ein neues, aus dem Vollen schöpfendes Buch veröffentlicht – bald mehr darüber …) möchte ich an Auguste Escoffier (1846-1935) erinnern, der die besonderen Regeln dieses Kochens durch präzise Beobachtung des Küchenraums und der agierenden Personen revolutionierte.

ARTE hat das in einer Doku vorgeführt: 

https://www.arte.tv/de/videos/119315-002-A/paris-escoffier-erhebt-das-kochen-zur-kunst/

Poetischer Glaube

Erich Garhammer (geb. 1951) ist Theologe und Germanist. Viele Jahre lehrte er an den Universitäten von Paderborn und Würzburg Pastoraltheologie und Homilektik, wodurch er bereits von Amts wegen sowohl mit der Praxis christlicher Lehre als auch mit ihrer Umsetzung in der Predigt betreut war.

Lange Zeit hat er sich an einer Kirchensprache gerieben, die „häufig geprägt ist von Floskeln, Klischees, Allgemeinplätzen oder von einer positivistischen Tatsachensprache“. Dem hat er in vielen Veröffentlichungen die Idee eines „poetischen Glaubens“ entgegengehalten, deren Metaphern und Texte er vor allem aus der neueren und neusten deutschsprachigen Literatur bezog und herleitete.

Dadurch ist Erich Garhammer zum seltenen Fall eines Lehrers geworden, der sich als ein Brückenbauer zwischen Theologie und Literatur versteht. An beiden Sprechweisen und Textformen interessieren ihn die Momente des Fragens, des nachdenklichen Innehaltens und des ausholenden Erzählens, bis hin zum Zweifel, inwieweit sich „christlicher Glaube“ überhaupt sprachlich fixieren lässt.

In seinem neusten Buch „Spitz-fündig. Plädoyer für einen poetischen Glauben“ (Echter Verlag Würzburg) begibt er sich in fast detektivischer Manier auf Text-Spuren von Ilse Aichinger, Friedrich Christian Delius, Annie Ernaux, Thomas Hürlimann, Marie Luise Kaschnitz, Uwe Kolbe, Reiner Kunze, Christian Lehnert, Petra Morsbach, Hanns-Josef Ortheil, Angelika Overath, Arnold Stadler und vielen anderen.

Garhammer rührt diese Passagen nicht zu Bekenntnissen zusammen, sondern lässt jede einzelne so aus- und durchatmen, dass sie wie ein eigenständiges Molekül erscheint. Mit Glaubensanmutungen vermischt, beginnt es zu funkeln und das sicher Geglaubte in Schwingungen zu versetzen.

„Poetischer Glaube“ beschert aber nicht nur Glaubensvarianten der Sprache, sondern auch Glaubensvariationen in dem Sinne, dass sie sich anders niederschlagen als im gewohnten Knien, Beten und Bekennen. Das befreit die Liturgie von ihren starren Absichten und mutet ihr Momente des Gesprächs zu, die Zuhören und Umdeuten verlangen.

Die Texte des „poetischen Glaubens“ lassen sich daher als Predigten anderer Art verstehen. Es sind solche, die in Erinnerung bleiben und stark nachwirken.

Im kommenden Jahr werde ich solche Themen aufgreifen und beleben. So werde ich mit Erich Garhammer  darüber im Januar 2026 im Rahmen einer Lesung im Freisinger Dommuseum nachdenken, und mich im April 2026 ebenfalls im Rahmen einer Lesung mit Bischof Peter Kohlgraf in Mainz über solche Themen unterhalten. (Die genauen Termine werde ich zum gegebenen Zeitpunkt in diesem Blog nennen.)

Erich Garhammer
Plädoyer für einen poetischen Glauben

 

Die Meistersinger von Nürnberg – sehen und erleben

In meinem gestrigen Blogeintrag habe ich auf den Beginn der Bayreuther Festspiele 2025 hingewiesen, die mit einer Neuinszierung von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg festlich eröffnet worden sind.

Am Abend wurden erste Bilder in allen Nachrichtensendungen gezeigt: Der Bundeskanzler, die frühere Kanzlerin und viele andere Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft bewegten sich noch nichtsahnend über den roten Teppich.

Nach der Aufführung äußerten sich die Gäste begeistert: Was für eine frische, entstaubt wirkende Inszenierung durch den Regisseur Matthias Davids, der bisher vor allem als Musical-Regisseur bekannt war!

https://www.3sat.de/kultur/musik/bayreuther-festspiele-2025-meistersinger-von-nuernberg-100.html

Viele Leserinnen und Leser dieses Blogs hätten sich gefreut, dieses besondere Sommerereignis auch sehen zu können. Nichts einfacher als das: Morgen, am 27.07.2025, übertragt 3sat ab 20.15 Uhr die Aufführung.

Verbunden mit dieser Gelegenheit, eine der schönsten Wagner-Opern zu erleben, wünsche ich allen ein Meistersinger-inspiriertes Wochenende!

Sommer 2025 – Die Meistersinger von Nürnberg

Heute, am 25. Juli 2025, werden die Bayreuther Festspiele 2025 mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg eröffnet:

https://www.bayreuther-festspiele.de/programm/auffuehrungen/die-meistersinger-von-nuernberg/

Unter Wagners Opern ist dies meine Lieblingsoper, weil ich sie als Lustspiel (Komödie) mit ernsten Hintergründen verstehe. Aber auch deshalb, weil sie einen Sängerwettstreit (und damit Debatten über die Kunst des Schreibens und Vortragens) inszeniert.

Ich habe eine Lieblingsfigur, es ist der alte Hans Sachs, der eigentliche „Lehrer“ der Schreibkunst, der in einem zu Herzen gehenden Monolog (dem berühmten Fliedermonolog) über das Dichten und Texten nachdenkt:

https://opera-guide.ch/highlights/show_highlight.php?id=916&oper_id=413&uilang=en

Worüber denkt er, fliedertrunken, nach? Über den Gesang des jungen Autodidakten Walther von Stolzing, der ihm sehr gefallen hat, dessen ungewohnte Komposition er aber noch nicht in ihrem ganzen Natur-Zauber begreifen kann. Daher grübelt er: Dem Vogel, der heut sang,/ dem war der Schnabel hold gewachsen;/ macht‘ er den Meistern bang,/ gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen! – 

Wen oder was erkennt Hans Sachs, ohne es „messen“ zu können? Den genialen Einfall – das junge Genie!

Morgen mehr darüber …