Vor aller Augen

Was für eine fabelhafte Idee für eine Erzählerin! Die Schweizer Autorin Martina Clavadetscher hat sich neunzehn Porträts von Frauen angeschaut, die von bekannten Künstlerinnen oder Künstlern gemalt wurden.

In einem zweiten Schritt hat sie versucht, die Lebensgeschichten der Porträtierten zu erkunden. Wie hießen und wo lebten sie, wie kam es dazu, dass sie porträtiert wurden?

Solche Fragen führten zu ausführlichen Recherchen, zur Lektüre von reichlich Textmaterial, das sich im Hinter- oder Untergrund der Bilder angesammelt hatte.

Dieser genau recherchierte, faktische Stoff war die Grundlage für das eigentliche Erzählen: die Verwandlung des Faktischen ins Biografische, hier und da frei Erfundene!

Martina Clavadetschers Erzählungen machen die Porträtierten lebendig, sie führen aus der oft nur anonym gebliebenen Abbildung zu jenen Lebensprozessen, die auf den Bildern in vielsagenden Momentaufnahmen fixiert wurden.

Das Lesen der Bilder verwandelt sich in die Geschichten ihrer Entstehung – und die Porträtierten fangen „endlich“ (möchte man sagen) an zu sprechen und sich vom Dunkel der Geheimhaltung ihrer Herkunft und ihres Daseins zu befreien.

Was für ein gescheites, schönes Buch!

  • Martina Clavadetscher: Vor aller Augen. Unionsverlag 2022

(Allen Leserinnen und  Lesern dieses Blogs wünsche ich einen bedachten ersten Advent)

Die Ordnungen der Ewigkeit

Eine Zeitlang habe ich in meinen Jugendjahren das tägliche Klavierüben immer mit einigen Präludien und Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier begonnen. Bis heute kenne ich keinen Klavierzyklus, der mehr zu einer hingebungsvollen, alle störenden Bilder vertreibenden Konzentration bewegt.

Diese Musik kreist derart in ihren eigenen Bezügen, dass sie alle anderen Assoziationen vertreibt. Sie singt und fließt nicht, sie kokettiert nicht und schaut nirgends mit Seitenblicken ins Abseits, sie spricht, genau und ausformuliert, charakterstark.

Vor dem sonstigen Üben war dieses Bach-Spielen ein Einspielen: Mit den ersten Tönen betrat ich die Ordnungen der Musik, die mir so erschienen, als wären sie für die Ewigkeit konzipiert, unveränderbar und zeitlos gültig.

Letztlich folgte ich einer Empfehlung Robert Schumanns, der seine Klavierschüler angehalten hatte, das Wohltemperierte Klavier täglich zu üben: „Das Wohltemperierte Klavier sei dein täglich Brot. Dann wirst du gewiß ein guter Musiker.“

Die 48 Präludien und Fugen erlebte ich damals nie in Konzerten, auch nicht in Auszügen. Sie erschienen wir eine eigene, ferne Welt, die Auftritte in Konzertsälen banalisiert hätten. Man spielte sie nicht vor Publikum, sondern für sich selbst, zu Hause als Entrée und erste Verbeugung vor der Musik schlechthin.

Deshalb war ich überrascht, als mein Klavierlehrer Erich Forneberg (ein Bachenthusiast durch und durch) mich einmal fragte, welche Stücke des Zyklus ich besonders mochte. Konnte ich darauf antworten? Gehörten sie nicht derart zusammen, dass es falsch gewesen wäre, einzelne besonders zu erwähnen oder hervorzuheben? Andererseits: Spielte ich nicht jeden Morgen nur eine bestimmte Auswahl, je nach Stimmung und Temperament?

Ich begann immer mit Präludium und Fuge in C-Dur, dann sprang und hüpfte ich im Zyklus hin und her. „Ich spiele jeden Tag andere“, antwortete ich meinem Lehrer, „ich mag sie alle.“ Mein Lehrer schaute mich an, und ich ahnte, dass er diese Antwort nicht nur unbefriedigend, sondern auch langweilig fand. „Na denn“, sagte er und lächelte.

Johann Sebastian Bach hat den Zyklus 1722 beendet, vor dreihundert Jahren. Eine kleine zeitliche Ewigkeit hat er also bereits hinter sich, die große aber steckt für immer in ihm selbst.

Marcel Proust

Die literarischen Welten erinnern sich momentan an den einhundertsten Todestag von Marcel Proust (1871-1922). Die Entstehungsgeschichte seines großen Romanzyklus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist noch immer eine der vielsagendsten und spannendsten Entstehungsgeschichten des Erzählens überhaupt.

Eine Dokumentation in der ARTE-Mediathek

Die Welt des Marcel Proust: https://www.arte.tv/de/videos/096300-000-A/die-welt-des-marcel-proust/

erzählt davon zum Glück nicht so, dass lauter Proust-Fachleute zu Wort kommen, sondern nur die ehemalige Haushälterin Céleste Albaret, die über ihre Jahre bei Proust nach seinem Tod sogar ein Buch geschrieben hat.

Daneben sind aber vor allem die zahlreichen Archivaufnahmen aus jenen Tagen und Welten hoch interessant, in denen der Roman spielt. Man sieht die Lebensszenen auf den Pariser Straßen und solche von Prousts Aufenthalten in der Provinz sowie am Meer in alten schwarz-weiß-Aufnahmen, die etwas stark Atmosphärisches und dadurch Erzählerisches haben.

Schließlich sieht man auch die Fotografien jener Menschen aus Prousts Umkreis, die in der Recherche eine wichtige Rolle spielen. Proust sammelte diese Fotografien in einem Kasten, den die Haushälterin bereithalten musste, wenn er sich an Details erinnern wollte.

Prousts Eintauchen in die mondänen  Welten der Belle Époque nach 1870 legte das Fundament für die Arbeit am Roman. Sie begann, als Proust sich aus diesen Welten in ein abgedichtetes Zimmer zurückzog, in dem er Tag und Nacht nur noch mit Schreiben verbrachte. Die Doku in der ARTE-Mediathek liefert dafür bildliches Anschaungsmaterial par excellence.

Das Nachdenken über die Entstehung des großen Romanzyklus ist auch eines der Lebensthemen des Semiologen und Schriftstellers Roland Barthes (1915-1980) gewesen. Im Suhrkamp-Verlag sind gerade die Proust-Texte von Barthes gesammelt erschienen (Proust. Aufsätze und Notizen. Hrsg. von Bernard Comment). Darin finden sich Sätze, die ich dreifach angestrichen habe:

„Die Literaturgeschichte enthält augenscheinlich wenig Rätsel. Hier dennoch eines, das Proust zum Helden hat. Es beschäftigt und interessiert mich um so mehr, als es sich um ein Rätsel des kreativen Schaffens handelt (die einzig relevanten für den, der schreiben will).“

Alles klar?! Alles klar.

Herbstabschied

In diesen späten Novembertagen verabschiedet sich der Herbst langsam und endgültig. Dringt die tief stehende Sonne durch die Wolken, lässt sie die absterbende Blättermontur der großen Bäume in den letzten Grün-, Gelb- und Goldtönen schimmern.

Der Farbenschwarm erscheint wie ein spätes Leuchten – besonders im Fall eines der schönsten Bäume in meinen Gärten und Wäldern, dem schlank gewachsenen, alles überragenden Ginkgo.

Seine tief sitzenden Blätter und Äste harmonieren mit den Blatttönen ringsum und schmiegen sich in die Lichtfugen.

Je höher ich aber schaue, umso deutlicher zeigt sich der letzte, herbstliche Trotz im noch satten Grün der an der Spitze flirrenden Blätter.

Was für eine Erscheinung! Zurückhaltend, aber sprechend bis ins kleinste, unscheinbare Detail erscheint der Ginkgo wie herbstliche Musik: als spielten die zweigeteilten, kunstreichen Blätter auf Notenlinien und ergäben hoch oben einen sphärischen, nicht enden wollenden Akkord…

Im Stadion am Zoo

Morgen beginnt die Fußball-WM in Katar. Ich werde mich nicht weiter mit ihr beschäftigen. Stattdessen werde ich mir Spiele des Wuppertaler SV im Stadion am Zoo anschauen. Vor kurzem hat mich Mareen Linnartz, Redakteurin der SZ, dorthin zu einem Spiel begleitet und darüber einen Artikel geschrieben.

Heute, am 19.11.2022, ist er in der SZ erschienen:

https://www.sueddeutsche.de/leben/wuppertaler-sv-horst-szymaniak-koenig-gustav-wm-katar-hanns-josef-ortheil-1.5697539

(Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein ruhiges, konzentriertes Wochenende.)

Geniales Notieren

Dass literarisches Schreiben meist mit einem ersten Notieren von Ideen, Motiven, Räumen oder Figuren beginnt, kann man beim Blick auf viele Notiz- und Skizzenbücher großer Autorinnen und Autoren studieren. Solche Lektüren sind zugleich auch ideale Animationen für eigene Entwürfe, Projekte, Geschichten und Erzählungen.

In manchen Fällen haben sich die Notate sogar verselbständigt und entwerfen (wie etwa im Falle der Notizbücher von Francis Ponge, Peter K. Wehrli, Peter Handke und vielen anderen) einen eigenen, geschlossen erscheinenden Denk- und Beobachtungszusammenhang.

Genial erscheinen mir die Notate, die der amerikanische Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) in den Goldenen Zwanziger Jahren gesammelt hat, als er einer der bekanntesten Romanautoren Amerikas war. Viele Jahre hielt er in seinen Notebooks alle besonderen Erlebnismomente fest, die er für erzählenswert hielt, schöne Momente, Momente der Schönheit!

Was auch immer ihm auffiel und begegnete, wurde in einer brillanten Notattechnik für die weitere Verwendung in Romanen skizziert. Atmosphären, Stimmungen, Personen, Dialoge des Jazz-Age erscheinen gefiltert in einer Wunderkammer des genauen Sehens und Empfindens.

Um diese schönen Momente jederzeit an passenden Stellen einsetzen zu können, sammelte er sie gezielt in Listen, die nach Themen geordnet waren. Fitzgeralds Notate übertreffen daher das einfache, Lebensprozesse begleitende Notieren. Sie sind mehr (und deshalb „genial“), weil sie den jeweiligen Moment erspüren und abtasten, in dem sich bereits eine ganze Geschichte oder Erzählung meldet.

Sie klopft gleichsam an – und dieses Anklopfen fixiert Fitzgerald in stilistisch bereits „literarisch“ anmutenden Sätzen, die etwas Schwingendes, Vibrierendes haben und einen als Leserin/Leser sofort an eine mögliche Fortsetzung denken lassen.

In diesem Buch liegt die rare, virtuos wirkende Werkstatt Fitzgeralds, der in unseren Tagen nach den Verfilmungen von Romanen wie Der große Gatsby und Der letzte Tycoon wieder weltweit gefeiert wird, nun endlich auch auf Deutsch vor.

Helmut Moysich hat die Notebooks zum ersten Mal übersetzt und die immensen Probleme einer möglichst kongenialen Übersetzung federleicht gelöst. In seiner Übersetzung lodert das voyeuristische Beobachtungsfeuer Fitzgeralds nämlich so hell, dass man einen Deutsch schreibenden Autor zu lesen glaubt. Fabelhaft! Ein Deutsch, das jede Steifheit und Dürre verloren hat und einen zum Komplizen Fitzgeralds macht!

Diese Notebooks gehören daher zu den besten Wegweisern: wie literarisch weiterzuschreiben wäre…

Francis Scott Fitzgerald: Der Moment der Schönheit. Aus den Notebooks. Übersetzt von Helmut Moysich. Mit einem einleitenden Essay von Hanns-Josef Ortheil. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung Mainz 2022

Bernd & Hilla Becher 2

Am 6.11.2022 ist die große Ausstellung der Fotografien des Künstlerpaares Bernd (1931-2007) & Hilla Becher (1934-2015) im Metropolitain Museum von New York zu Ende gegangen.

Beide haben sich in ihrem Lebenswerk den Bauten der alten Industriekulturen gewidmet, die sie in Westeuropa und den USA noch vorfanden.

In meinem Blogeintrag vom 12. April 2022 (bitte noch einmal nachlesen) habe ich davon erzählt, wie ich von dem alten, heute leerstehenden Becherhaus in dem kleinen Ort Mudersbach erfuhr, der in der Nähe meines westerwäldischen Heimatortes Wissen/Sieg liegt.

Bernd & Hilla Becher haben sich in dem alten Haus, das früher einmal dem Großvater von Bernd Becher gehörte, häufig aufgehalten, es ist eines der starken Initiationsmomente ihrer Kunst.

Laurenz Berges, ein Schüler von Bernd Becher, hat es viele Male besucht und seine Stille und Zurückgezogenheit in wunderbar schwerelosen Fotografien eingefangen. Ein Buch mit diesen Fotografien ist nun im renommierten Kunstverlag von Lothar Schirmer in München erschienen.

Nach zwei Aufenthalten in diesem Haus habe ich eine Erzählung geschrieben, die das Buch wie ein „Vorwort“ einleitet und zu den Fotografien von Laurenz Berges hinführt.

Ich empfehle es allen Freundinnen und Freunden großer Fotokunst, allen, die einen Bezug zu den Westerwälder oder Siegerländer Landschaften und natürlich allen, die eine Freude an schönen Büchern haben:

Laurenz Berges: Das Becherhaus in Mudersbach, Lothar Schirmer Verlag 2022– ist auch ein ideales Geschenkbuch für Weihnachten!

Keith Jarrett in Bordeaux

Seit den achtziger Jahren habe ich die Konzerte von Keith Jarrett verfolgt und warte immer wieder auf eine Neuerscheinung.

Jetzt liegt der Live-Mitschnitt eines Konzertes in Bordeaux vor, das am 6. Juli 2016 stattfand.

Das Konzert besteht aus dreizehn Kapiteln. Man sollte sie mehrmals nacheinander, aber auch einzeln hören, um genauer zu verfolgen, wie sich die Charaktere dieser Improvisationen verzweigen und aufeinander reagieren.

Hier Teil III:

Heinrich Schütz 2

In meinem Blogeintrag vom 8.11.2022 habe ich an den großen Heinrich Schütz (1585-1672) erinnert, dessen 350. Todestag wir in diesen Tagen begehen. Seine Bedeutung wird oft unterschätzt, weil er vor allem Vokalwerke komponiert hat, die in unseren Konzertsälen nicht gespielt werden. Man sollte seine Werke aber nicht nur in Kirchen und Gottesdiensten aufführen, sondern sie auch in eher „weltlichen“ Zusammenhängen präsentieren und hören.

Eine Dokumentation des MDR (von Anna Schmidt), abrufbar über die ARD-Mediathek:

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy8zM2E3OTU3My1jZTEwLTRhZTAtYmYzZC0xZDZmZTRkMWFjMTc

berichtet von seinem Leben: der fast märchenhaften Entdeckung des jungen Sängers und Musikers, seinem Venedig-Stipendium, seiner Ehe, dem Tod seiner jungen Frau, dem Leben seiner beiden Töchter – und von seinen Tätigkeiten als Kapellmeister und Komponist in bedeutenden europäischen Zentren der Musik wie Dresden oder Kopenhagen.

Eingespielt werden auch kurze Ausschnitte aus einigen Werken, die knapp kommentiert und in ihren Besonderheiten vorgestellt werden. Das könnte einen animieren, mehr und viel von Heinrich Schütz zu hören, zu Hause, unterwegs, in Wäldern, auf Feldern…

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein intensives Wochenende, verbunden mit den Werken von Heinrich Schütz

Ich bin ein Fan und schau nicht hin

(Am 15.11.2022 auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S. 4)

In den späten fünfziger Jahren habe ich eine Zeitlang in Wuppertal gelebt. In der Nähe unserer Wohnung gab es auf einer bewaldeten Anhöhe den sogenannten „Freudenberg“. Er bestand aus zwei Fußballplätzen, auf denen während der Woche auch die Spieler des Wuppertaler SV trainierten. Fast jeden Tag lief ich mit meinen Freunden dorthin zum Fußballspielen. Schließlich wurde ich Mitglied einer Jugendmannschaft des WSV und spielte Woche für Woche gegen einen anderen Gegner.

Aus diesen Kinderjahren datiert meine Fußballbegeisterung. Noch heute gehört sie fast ausschließlich dem Wuppertaler SV. Wenn sie mich wieder mal packt, fahre ich mit dem Zug nach Wuppertal und steige in die Schwebebahn zum Stadion am Zoo, um mir ein Spiel anzuschauen.

Ich bin also ein Fan, kein Fussballfan schlechthin, sondern der treue, jahrzehntelange Fan eines Vereins, der heute in der 4. Liga spielt und früher einmal viel bessere Tage erlebt hat.

Die Spiele des WSV verfolge ich aus der Nähe und Ferne angespannt, mit starker Anteilnahme. Andere Fußballspiele interessieren mich kaum, ich mag keine Spiele sehen, in denen überbezahlte Spieler ihren Marktwert steigern. So geht es auch vielen meiner Kölner Freunde. Sie gehen zu Spielen von Viktoria oder Fortuna Köln, da fiebern sie mit. Fussball kann sehr langweilig sein, wenn der innere Fanmotor nicht aktiv und man zum blossen Schauen und Gucken verurteilt ist. Dann ziehen sich die 90 Minuten wie sonst nur beim „Tatort“.

Im Fandasein dagegen wird der eigene Lebensraum aktiviert und zum Schicksal. Einmal Fan, immer Fan, bezogen auf einen Raum, als dessen Vertreter und Teilhaber man sich durch Schal oder Trikot ausweist und bekennt. Das Fanleben ist eine endlose Fortsetzungsgeschichte. Während der Woche bereitet man sich auf das Spiel am Wochenende vor, diskutiert die Aufstellung, checkt den Wetterbericht und tippt das Ergebnis, auf der Grundlage aller verfügbaren Meldungen, die man Tag für Tag gesammelt hat.

So lässt die Verbindung zum auserwählten Verein niemals nach. Kein Tabellenstand vermag die dauerhaft brodelnde Liebe zu erschüttern. Sie artikuliert sich durch Lieder, Gesänge, Anekdoten und Geschichten, die das Leben der Trainer und Spieler umkreisen und den Fan zu einem Eingeweihten machen, der noch in den Katakomben und Umkleidekabinen trotz scheinbarer Ferne immer dabei ist.

Wie meine Freunde werde auch ich die Spiele der WM in Katar nicht anschauen. Die FIFA weiß vom Leben der Fans nämlich nichts. Ihr ist sogar das Leben all der Tausende egal, die während der Arbeit an den monströsen Stadien gestorben sind. Auch aus Gründen des Menschenrechts ist die Vergabe der WM nach Katar nichts als ein Skandal und sollte all die beschämen, die daran beteiligt waren.

Wie man die Spiele dort lächelnd kommentieren mag, kann ich mir nicht vorstellen. Welchen Fan soll interessieren, ob Götze oder Musiala spielt, ja,  wer möchte darüber angesichts des abstoßenden Wissens um die Hintergründe überhaupt noch mit Begeisterung reden? Selbst die klassischen Fandebatten um das Für und Wider von Aufstellung und Taktik wirken abgeschmackt und verfehlt.

Während der WM werde ich nach Wuppertal fahren, ins Stadion am Zoo, um dort meine Vereinsfahne zu schwenken. Im leeren Stadion hört man von gleich nebenan das Trompeten der Elefanten. Wenigstens die wissen noch lautstark zu protestieren.