Ein Silvesterspiel mit HJO

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs – in dem bei btb erschienenen Band

Ein Kosmos der Schrift. Hanns-Josef Ortheil zum 70. Geburtstag, hrsg. von Imma Klemm

haben über dreißig Freundinnen und Freunde, Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter zwanzig Fragen beantwortet, die Momente meines möglichen oder künftigen Lebens aufgreifen oder anvisieren.

Mit ihnen war ich u.a. in Paris, Venedig, Sizilien unterwegs, spielte als Barpianist „Moon river“, sang „Via con me“ von Paolo Conte, besuchte einen handverlesenen Wiener Würstelstand mit Ottakringer Bier, trug eine helle Safari-Jacke aus Baumwolle, spielte die Rolle Chateaubriands in „Von Jenseits des Grabes“, trank gekühltes Montejo-Bier mit aufgeschnittenen Limetten, trainierte Speerwurf, testete After-Shaves und veranstaltete im Jenseits ein Symposion…

(All die nicht immer ernst gemeinten, aber „vielsagenden“ Antworten auf den Fragebogen finden Sie auf den Seiten 249-362 des Buches…)

Hier kommen nun die Fragen – und ich freue mich, wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, ebenfalls zumindest einige beantworten.

Schicken Sie Ihre Antworten an ortheil.hannsjosef@gmail.com (wenn Sie eine Postadresse hinzufügen, schicke ich Ihnen eine Grußkarte mit guten Wünschen für das Neue Jahr 2022.)

 So, in diesem Sinne: ich wünsche Ihnen allen ein ertragreiches, belebendes, kreatives 2022!

 Ein Fragebogen

Unterwegs mit HJO

  1. Sie planen eine Reise mit HJO. Wohin fahren Sie und was erkunden Sie mit ihm zusammen?
  2. Sie begleiten HJO in der Dokureihe „Durch die Nacht mit…“ In welcher Stadt sind Sie unterwegs und welche zusätzlichen Gäste laden Sie ein?
  3. Sie überfliegen mit HJO in einer Montgolfiere eine von Ihnen ausgewählte Region dieser Erde. Was zeigen Sie ihm?

Kunst und Musik mit HJO

  1. Sie gehen mit HJO ins Kino. Welchen Film schauen Sie sich an?
  2. Sie erleben HJO als Barpianisten eines Hotels. Was sollte er nur für Sie spielen?
  3. Sie besuchen mit HJO eine Galerie/ein Museum. Über welche Kunstwerke unterhalten Sie sich?
  4. Sie treten mit HJO in „Inas Nacht“ auf. Was werden sie beide als Duo singen?

Auf neuen Wegen mit HJO

  1. Sie kennen eine Glücksfee, die HJO einen Wunsch erfüllen würde. Was wird er sich auf Ihren Rat hin wünschen?
  2. Sie wollen HJO etwas näherbringen, das er bisher leider verpasst hat. Was könnte das sein?
  3. Sie erschrecken, als Sie HJO bei einer Aktion beobachten, die Sie ihm nicht zugetraut hätten. Welche könnte es sein?

Essen und Trinken mit HJO

  1. Sie kochen für HJO. Was gibt es zu essen – und was zu trinken?
  2. HJO kocht für Sie und schenkt Ihnen ein. Gibt es Speisen und Getränke, von denen Sie träumen?
  3. Sie laden HJO in ein Restaurant ein. Wo und in welches?

Lifestyle mit HJO

  1. Sie kleiden HJO ein. Und wie?
  2. Sie trainieren HJO in einer Sportart. Welche wäre ihm zuzumuten?
  3. Seit Jahren ist HJO ein begeisterter Blogger. Welches Lifestyle-Thema empfehlen Sie ihm für seine Blogbeiträge?

Lektüren und Gespräche mit HJO

  1. Sie sehen, dass HJO eine Kanzel im Kölner Dom besteigt. Gibt es eine Bibelstelle, auf deren Auslegung Sie gespannt sind?
  2. Sie lieben einen Klassiker der Weltliteratur und wollen ihn verfilmen. Wie und als was kommt HJO zum Einsatz?
  3. Sie haben ein Lieblingsbuch von HJO. Aus welchem seiner Bücher soll er Ihnen vorlesen?
  4. Sie treffen HJO im Jenseits. Worüber unterhalten Sie sich?

Fragen zum Schriftstellerleben

Mein Freund und Kollege, der in der Schweiz lebende Schriftsteller Alain Claude Sulzer, hat in der Neuen Zürcher Zeitung einen Artikel veröffentlicht, der mich zum Lachen gebracht, aber auch nachdenklich gemacht hat:

https://www.nzz.ch/feuilleton/alain-claude-sulzer-erklaert-was-ein-schriftsteller-macht-ld.1660419

Alain schreibt über das Phänomen, dass viele Menschen, voll im Leben stehend und vielleicht sogar einen besonders praktischen Beruf ausübend, kaum eine Vorstellung davon haben, was ein Schriftsteller täglich so tut und wie er lebt.

Wieviel schreibt er eigentlich? Jeden Tag ein bißchen? Alle paar Wochen eine Seite? Und wieviel veröffentlicht er? Einige Bücher im Monat/im Jahr/in Jahrzehnten? Und wieviel Geld/Honorar erhält er dafür? Und wie finanziert er sonst so sein Leben? Durch Lesungen/Auftritte/Artikel in Zeitungen und Zeitschriften? Und wie kommt er mit einem unsteten Leben zurecht, das keine festen Arbeitszeiten kennt und nicht an jedem Morgen in einem Büro/einer Werkstatt beginnt?

Solche Fragen zielen vor allem auf die ökonomische Seite von Literatur. Sie wollen die Schriftstellerin/den Schriftsteller zunächst einmal als Arbeiterin/Arbeiter verstehen, faktisch, sozial, ohne Überbau.

Vor kurzem ist dazu im Suhrkamp-Verlag eine grundlegende literatursoziologische Studie erschienen, die solche Facetten genau und einfallsreich untersucht. Alle, die sich für die Fragen interessieren, an die Alain Claude Sulzer erinnert hat, sollten sie lesen. Es lohnt sich sehr!

Carolin Amlinger: Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2021)

Weiterschreiben im Neuen Jahr 2022

Es gibt Bücher, die ich nicht als „fertig“ betrachte, sondern an denen ich „weiterschreibe“. Dazu gehören die Bücher In meinen Gärten und Wäldern und Im Westerwald. Beide bestehen aus eher kürzeren Texten von meist wenigen Seiten, die ich im Laufe der Jahre zu den titelgebenden Themen gesammelt habe.

Beide sind in der ersten Auflage bald vergriffen, so dass eine zweite Auflage vorbereitet wird. Ich werde sie um jene neuen Texte erweitern, die in letzter Zeit entstanden sind oder gerade entstehen.

Mit anderen Worten – Zwei Projekte für das Frühjahr 2022: In meinen Gärten und Wäldern (wieder in der DVB) und Im Westerwald (mit dem leicht veränderten Titel Unterwegs im Westerwald diesmal als Taschenbuch im Insel-Verlag)!

Also, mein Lieber, jetzt hast Du etwas zu planen… – und zu gestalten. Vorsätze für das Neue Jahr? Genau, gute Vorsätze, die ersten für das Neue Jahr!

Woher kommt eigentlich dieser Planungseifer an Neujahr? Mark Twain hatte dafür nur Spott übrig: Gestern rauchte jeder seine letzte Zigarre, nahm sein letztes Getränk und schwor seinen letzten Eid. Heute sind wir eine fromme und vorbildliche Gemeinschaft. In dreißig Tagen werden wir unsere Reformation in den Wind geworfen haben…

Ach nein, nicht so, Vorsätze sind etwas Feines, man sollte sie allerdings unbedingt aufschreiben, damit man sie etwas später erneut durchgehen kann. Wie wäre es, liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, wenn sie mir einige Ihrer sicher originellen Vorsätze für das Neue Jahr schicken würden? Wie immer am besten unter: ortheil.hannsjosef@gmail.com

 

 

Köln nach dem Krieg in Farbe

Jetzt beginnt der schöne, ruhige Zeitraum zwischen den Jahren, in dem man sich die Präsente zu Weihnachten genauer anschauen kann. Ein guter Freund hat mir die gerade erschienene DVD Köln nach dem Krieg in Farbe von Hermann Rheindorf geschenkt.

Die nachkolorierten Bilder aus den späten 40er und den 50er Jahren haben mich zurück in meine Kölner Kindheit katapultiert. An die Trümmer- und Ruinenlandschaften erinnere ich mich gut, auch daran, wie versteckt die Menschen noch lebten. Staub und Stille – diese beiden zentralen Komponenten hat Heinrich Böll genannt, wenn er von dieser Zeit erzählte.

Die Bilder waren Tiefenfahrten in die eigenen Träume, sie erschüttern und rühren an die Grenzen des Vorstellbaren. Die Dramaturgie ist stimmig und konsequent: Keine Szenen des politischen, öffentlichen Lebens, keine Selbstdarsteller, sondern Szenen des Kölschen Alltags, Menschen in all ihrer Not, in kaputten Häusern, auf den Straßen, mühsam damit beschäftigt, das Leben allmählich wieder zu lernen.

Leitmotivisch eingesetzt sind die Ausblicke von oben auf die zerstörte Stadt, die in ihrer Folge zeigen, wie die einzelnen Terrains wieder wachsen, neue Straßenzüge entstehen und die Kölner Brücken die beiden Ufer wieder miteinander verbinden.

Das wirkte ergreifend und führte mich zurück zu meinem alten inneren Rumoren, das vor sich hin raunt: Ich bin ein kölscher Junge der fünfziger Jahre, diese Jahre haben mich tiefer geprägt als je gedacht, ich bin noch immer unterwegs, einer von denen, die am „mentalen Wiederaufbau“ mitarbeiten.

Ja, im Ernst: Sind nicht viele meiner Bücher Erzählungen eines „inneren Wiederaufbaus“? Restauriere ich nicht noch immer ununterbrochen??

Ein frohes Fest 2!

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein frohes Fest, heute verbunden mit dem Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli (1653-1713), dem Concerto grosso in g-moll, op.6 Nr.8…

Corellis bevorzugter Lebensraum war das alte Rom, wo er in vielen stadtbekannten Adelsfamilien als Violinist, Konzertmeister und Komponist wirkte.

Ein frohes Fest!

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest, verbunden mit In the bleak midwinter…

Den Text des Gedichts schrieb die britische Dichterin Christina Rossetti (1830-1894), vertont wurde es von Gustav Holst (1874-1934).

Geschenkbücher zu Weihnachten 5 – Kochbücher 2

Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin und hat Bücher zum Beispiel über die schöne (weibliche) Leiche, die Kulturgeschichte der Nacht oder die Figur der Diva geschrieben. Ein ganz besonderes Buch, in dem ich (wie im Kochbuch von Marcella Hazan) oft lese, sind ihre „Kochmemoiren“ mit dem aufflammenden Titel: Besessen.

Das strahlende Wort gibt die Richtung vor, denn Elisabeth Bronfen kocht (wenn möglich) täglich – und das stets neu, mit experimentellem Spürsinn, die Märkte in der Nachbarschaft mit den Lagerstatten ihrer Küche und deren Einrichtung verbindend.

Die Pfanne/Vorrätig/Der Topf/ Der Ofen oder Für sich kochen – das sind folglich unkonventionelle Überschriften der Kapitel, deren Rezepte alles andere als phlegmatische Aneinanderreihungen von Zutaten und Mengenangaben sind. Elisabeth Bronfen erzählt nämlich die Gerichte so, dass auch Ausflüge in Beobachtungen zu Küchen- und Kochtraditionen der unterschiedlichsten Kulturen an den Wegrändern erscheinen.

So durchwandert man an der Seite dieser besessenen Köchin nicht nur die Stationen ihres Kochens, sondern auch die ihrer sonstigen Themen. Dann heißt es: „Bœuf Stroganoff gehörte zu den Lieblingsgerichten von Marlene Dietrich, und weil meine Mutter eine grosse Verehrerin der Filmdiva war, liebte auch sie diese Speise…“ Oder – mein absoluter Lieblingssatz: „Am liebsten würde ich alles, was sich hacken, reiben, raspeln oder pürieren lässt, zu einem runden oder flachen Burger formen und anschliessend in der Pfanne braten…“

Ja, rufe ich, ja, unbedingt, ausprobieren – den japanisch inspirierten Burger oder die italienische Variante oder den orientalischen … – damit könnte man schon einmal einen Anfang machen.

Ach, fast jede Seite von Elisabeth Bronfens Buch könnte ich zitieren, jede ist frisch, lebendig, originell und steckt voller Überraschungen, als Leser gerät man in ein immerwährendes Träumen, in dessen Kabinetten sich Elisabeth Bronfen als Zaubermeisterin bewegt. Man möchte ihr zur Seite stehen und zur Hand gehen, man möchte einige Gläser mit ihr trinken, während die Speisen sich auf dem Herd hin und her bewegen und ihre Leidenschaft für das Kochen kein Ende nehmen will.

Die Verbindung zu Marcella Hazans Buch ist übrigens auch gegenwärtig, auf Seite 121, wo es heißt: „Marcella Hazan, mein Vorbild für die klassische italienische Küche, gibt in ihren Büchern immer wieder Anweisungen dafür, wie Spinat, Mangold oder auch Karotten zuerst blanchiert und anschliessend in der Pfanne glasiert werden…“

Blanchieren, glasieren, temperieren, mumifizieren, inhalieren – die Küche Elisabeth Bronfens erscheint wie eine fabelhafte Ideenwerkstatt, in der das Kochen die amalgamierende Tätigkeit für das vitale Leben ist. Kein bloßes „Kochbuch“, nein, ein Buch des Lebens ist „Besessen“.

Elisabeth Bronfen: Besessen. Meine Kochmemoiren. Echtzeit Verlag Basel

Geschenkbücher zu Weihnachten 4 – Kochbücher 1

Meine vorletzten Buchempfehlungen vor Weihnachten (heute und morgen) gelten zwei umfangreichen Kochbüchern. Aus guten Gründen habe ich solche Bücher, wenn sie von sogenannten „Spitzenköchen“ verfasst wurden, in diesem Blog bisher nicht vorgestellt. (Sie bedürfen nicht meiner Empfehlungen, und man kann sich leicht selbst ein Bild oder eine Vorstellung davon machen.)

In zwei Büchern jedoch haben ich in den letzten Jahren immer wieder gelesen – nicht, weil ich gut kochen würde (ich koche fast gar nicht, sondern bin lediglich eine Hilfskraft, wenn andere kochen), sondern weil es keine bloßen Rezeptbücher sind, sondern weit gespannte Erzählungen vom Aufbau einer Küche, den Grundlagen guten Kochens und den individuellen Einsichten in die Vor- und Nachteile bestimmter Kochverfahren.

Marcella Hazans Kochbuch ist ein hinreißend kluges Buch über die klassische italienische Küche, ich kenne nichts Besseres. 1923 in der Emilia Romagna geboren, hat diese Autorin sich das italienische Kochen zunächst in New York beigebracht, weil sie während ihrer Studien und Aufenthalte dort darauf angewiesen war, ihre Liebsten selbst zu versorgen. Schon bald unterrichtete sie viele Schülerinnen und Schüler und veröffentlichte ihr erstes Kochbuch zunächst in englischer Sprache. Inzwischen ist es in fünfter Auflage und in sehr guter, noblerAusstattung beim Echtzeit Verlag in Basel erschienen.

In ihrer Einleitung (Wege zum Verständnis der italienischen Küche) schreibt Marcella Hazan: „Die Speisen, ob einfach oder kompliziert, werden im Familienstil zubereitet. Es gibt keine italienische Haute Cuisine, weil es keinen niederen und keinen Königsweg zur italienischen Küche gibt. Alle Wege führen ins Haus, führen zur cucina della casa – der einzigen, die den Namen italienische Küche verdient.“

Damit ist eigentlich schon alles gesagt und das kulturelle Verständnis benannt, das Marcella Hazan beim Kochen leitet. Es folgen lauter grundlegende Kapitel, in einer literarischen, essayistischen Diktion: Die Quellen des guten Geschmacks/ Die Zutaten von A bis Z/ Küchengeräte.

Danach geht es um die kalten und warmen Vorspeisen, die Suppen, die Saucen und und und…., bis hin zu dem legendären Schlußkapitel: Die italienische Kunst des Essens. Ich zitiere ein letztes Mal: „Eine italienische Mahlzeit ist eine lebendige Abfolge von Eindrücken. Knackiges wechselt sich mit Weichem und Nachgiebigem ab, Pikantes mit Zartem und Feines mit Einfachem…In ihrer Zusammensetzung hat eine vollständige italienische Mahlzeit ähnliche Grundmuster wie eine zivilisierte Gesellschaft: Kein Gericht erdrückt das andere, weder was die Menge noch die Aromen betrifft, jedes lässt den Augen und dem Gaumen Raum für neue Reize…“

Marcella Hazan: Die klassische italienische Küche. 450 Rezepte. Mit einem Vorwort von Christian Seiler. Ins Deutsche übertragen von Cornell Ehrhardt, Angelika Feilhauer und Lexa Katrin Gräfin von Nostitz. Überarbeitet und aktualisiert vom Echtzeit Verlag. Echtzeit Verlag Basel